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Leistikow-Duchardt, Annelore
Die Entwicklung eines neuen Stiles im Porzellan: eine Betrachtung über die neuzeitliche Porzellankunst in Europa seit 1860 — Heidelberg: Carl Winter, Universitätsverlag, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.57086#0067
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Der Einfluß der ostasiatischen Kunst in Europa

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4. Der Einfluß der ostasiatischen Kunst in Europa
Das Museum für Kunst und Gewerbe zu Hamburg besitzt eine Vase Kopen-
hagener Porzellans, auf der Meereswellen und fliegende Möven dargestellt sind
(Taf. IV, Abb. 8). Das Stück ist 36 cm hoch, hat eine zylindrische, ungegliederte
Form, die nur am Fuß wie am Hals in Kerbform eingeschnitten ist. Die Vase
wurde 1888 geschaffen und von Arnold Krog, dem damaligen künstlerischen
Leiter der Manufaktur zu Kopenhagen, modelliert und bemalt. Das Bild um-
läuft den Mantel des zylindrischen Körpers, so daß weder von einer Vorder-
noch von einer Rückseite gesprochen werden kann. Ein markanter Zug in dem
Dekor ist die hochaufschäumende Welle. Sie wurde Anlaß zu Studien, die den
Nachweis erbrachten, Arnold Krog habe dieses Motiv dem zweiten Band
„Hundert Fujilandschaften“ des Japaners Hokusai172 (1760—1849) entnommen
(Taf. IV, Abb. 9). Der Zusammenhang ist einleuchtend und nie bestritten
worden.
Ein weiteres Werk des Kopenhagener Künstlers (Taf. V, Abb. 10) möchten
wir von dem gleichen Blatt Hokusais ableiten. Es ist ein runder, unter Glasur
bemalter Wandteller mit über dem Meer fliegenden Schwänen. Die hochauf-
schäumende Welle Hokusais schließt sich hier dem äußeren Rand des Tellers an,
die kleinere Gegenwelle wird gegenüber dem japanischen Vorbild mehr in die
Horizontale gezogen und ausgebreitet. Schaut man die im Hintergrund über dem
Meer sich zusammenziehenden Regenwolken genauer an, dann läßt sich ein wei-
teres Requisit aus dem Doppelblatt Hokusais erkennen, die kegelförmige und
in Japan verehrte Spitze des Fuji, des heiligen Berges. Allerdings scheint sie sich
auf dem Kopenhagener Werk wie auf anderen japanischen Darstellungen173
schemenhaft zu vermehren174. Die Schwäne oder andere Vögel, die in ihrem
Zuge dem oberen Rand des Tellers folgen und den Rest des Wandtellers füllen,
sind ein bei den Japanern beliebtes Motiv. Die „Fliegende Gans“ von Mori-
kuni175 oder eine kunstgewerbliche Vorlage aus dem „Japanischen Formen-
schatz“ von Siegfried Bing (1888—1891) mögen dies belegen176.
Wo ergab sich nun dieser japanische Einfluß auf die Arbeit des Dänen und
künstlerischen Leiters der Königlichen Manufaktur zu Kobenhavn? Das Doppel-
blatt, der Holzschnitt „Die Welle“ von Hokusai, gehörte in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts zur Sammlung Vever in Paris. Die beiden anderen Bei-
spiele konnten wir dem „Japanischen Formenschatz“ von Siegfried Bing ent-
nehmen, einer Publikation über die Bestände der damals größten orientalischen

172 Lit.: Hloucha Jol., Forman W.: Hokusai. Der vom Malen Besessene. Prag 1955.
173 Als Beispiel sei ein japanischer Teller im Besitz der Verfasserin erwähnt.
174 Auf einem Teller im Kunstindustrimuseet zu Kobenhavn mit der gleichen Dar-
stellung ist anstatt des Fuji ein Segelschiff zu sehen.
175 Vgl. Japanischer Formenschatz, gesammelt von S. Bing, 1888—91, A. 217.
176 Vgl. Fliegende Reiher, in: Le Japon Artistique, Documents d’Art et d’Industrie
remis par S. Bing. Tome Cinquieme. Paris o. J. S. 123.
 
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