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Die Malerei der deutschen Renaissance.

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stadt), das formvollendetste Altarwerk der deutschen Kunst. In einer oben
im Muschelhalbrund geschlossenen Nische auf prächtigem persischen Teppich
steht die gekrönte Madonna in dunkelblauem Gewand mit rotem Gürtel.
Ihr blondes Haar fällt auf die Schultern herab; in den Armen hält sie
das unruhig bewegte, nackte Christkind. Zu ihren Füßen kniet der Stifter
Jakob Meper und seine Familie (Abb. 202).
Nach seiner Rückkunft von England, wohin Holbein 1526 gegangen war,
blieb er von 1529—1531 in Basel und vollendete die unterbrochenen Arbeiten
im Rathause. 1532 ist Holbein abermals in England, wo er zunächst die deutschen
Kaufleute des Stahlhofes farbenprächtig porträtiert. Im Dienste König Hein-
richs VIII., in dem er die unglücklichen Königinnen, die Herren und Damen
des Hofes, Staatsmänner und Kirchenfürsten, Gesandte und Gelehrte malte,
entfaltet sich seine kühl objektive Porträtkunst und sein Kolorit zu lebendigster
Wirkung. Wirkt bei den Bildnissen aus dem Kreise des Stahlhofs noch das
stilleben artige Beiwerk mit, so zeigen die ausdrucksvollen, von geistiger Energie
belebten Bildnisse für den englischen Hof bei miniaturartiger Feinheit nur
die klarste Einfachheit in der Modellierung des Antlitzes. Daneben entwickelt
Holbein eine glänzende Tätigkeit für die Begründung einer plastischen Fein-
bedarfsindustrie, indem er die herrlichsten, vom anmutigsten Renaissance-Stil-
gefühle durchdrungenen Entwürfe für Geräte jeder Art zeichnete.
Um Holbein ganz zu verstehen, muß man auch seine zahlreichen
Holzschnitte kennen; die besten sind von Hans Lützelburger geschnitten wor-
den: Bilder zum Alten Testament, drei Alphabete von verschiedener Größe
und der berühmte Totentanz (Abb. 203). Holbein läßt die einzelnen
Stände mitten im Leben in ihrem täglichen Tun und Treiben unversehens
vom Tode überrascht werden. Der Meister, der diese geistreichen Erfindungen
schuf, zuerst Schützling von Thomas Morus, später Feind der katholischen
Kirche, wurde selbst auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung, mitten in der
Blüte seiner Jahre, von der Pest in London dahingerafft.
Kann von einer Schule Holbeins auch nicht die Rede sein, so war
doch in Basel und in den benachbarten Schweizer Gegenden der Einfluß
seiner Schöpfungen stark genug, um auch auf andere Künstler bestimmend
einzuwirken.
Echte, temperamentvolle Renaissancemeister sind die Schweizer Urs
Graf, der Zeichner und Goldschmied, und Nikolaus Manuel, genannt Deutsch;
die späteren fruchtbaren Illustratoren, wie Jost Amman (Abb. 213) und
Tobias Stimmer zogen ins Reich und entfalteten ihre unerschöpfliche Wirk-
samkeit vorzüglich in Frankfurt, wo mit ihrer Hilfe unglaublich viele, aufs
reichste ausgestattete Holzschnittwerke erschienen.

Leitschuh, Kunstgeschichte.

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