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Kunsthaus Lempertz <Köln> [Hrsg.]; Kunsthaus Lempertz [Hrsg.]; M. Lempertz' Antiquariat (P. Hanstein) [Mitarb.]
Math. Lempertz'sche Kunstversteigerung: Werke alter Malerei und Plastik: altes Kunstgewerbe ; Versteigerung: 14. Dezember 1926 — Köln, Nr. 247.1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.17748#0009
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Vorwort.

Das Glanzstück der in diesem Kataloge beschriebenen Kunstwerke ist das in Vierfarbendruck
wiedergegebene Kölnische Tafelgemälde um 1370 (Nr. 1), ein Werk von ganz
überragender Bedeutung, ein Frühdenkmal deutscher Malerei überhaupt, und ein einzig-
artiges Vermächtnis der Kölnischen Malerschule des 14. an das Köln des 20. Jahrhunderts.

Es wurde von einem bekannten Sammler im vorigen Jahr in Westfalen aufgefunden, ist
von anhaftendem Schmutz gereinigt und lediglich konservierend behandelt worden.

Als die Kennerschaft sich mit dem Werke zu beschäftigen begann, hat man es zuerst einer
westfälischen Hand zuweisen wollen und es dem Kreise des Conrad von Soest nahegebracht.
Und in der Tat sprachen starke stilistische Gründe für dieses Verwandtschaftsverhältnis, ganz
abgesehen von dem in Westfalen gelegenen Auffindungsort.

Schließlich konnte jedoch bei näherer Prüfung diese Hypothese nicht aufrechterhalten
werden und wurde zugunsten der Kölnischen Provenienz endgültig, und wohl auch von ihren
früheren Verfechtern, aufgegeben.

Die Tafel ist also in Köln entstanden und gerade in jener Zeit, als die Stadt nicht nur wegen
ihrer vielen Kirchtürme, sondern wegen des reichen religiösen Geisteslebens mit vollster
innerer Berechtigung das „heilige Köln“ genannt werden konnte.

In Köln lebten in dem Jahrhundert, als unsere Tafel entstand, die Heroen des deutschen
Mystizismus: Meister Eckart, Tauler von Straßburg, Heinrich Suso, Albertus Magnus. Und
wie überhaupt alle Frühwerke der Kölnischen Kunst vom Geiste der Mystik durchdrungen
sind und den Pater Seraphicus, den Heiligen von Assisi, zum geistigen Vater haben, auf dessen
Schultern die deutsche Mystik steht, so gilt dies in ganz eigentlicher und einzigartiger Weise
von unserer Tafel. Sie ist ganz lyrisch-mystische Malerei, ganz hingebungsvolle Gottinnigkeit,
ein gemaltes Lied der Gottesminne.

Die Frauen in der unteren linken Ecke des Bildes künden uns in jedem Zug der ätherisch
zarten Linien ihrer Leiber, in den anmutsvoll fließenden Falten ihrer Gewänder, in ihren
schlanken, schmalen Händen, in ihren minniglichen, fast unirdischen Gesichtszügen, daß der
Maler, der sie aus seinen Träumen heraus auf die Tafel bannte, den süßen Marienliedern
Heinrich Susos mit hingegebener Andacht gelauscht hat.

Diese mystische Lyrik klingt in jeder Figur der Tafel wieder. Selbst der Schächer zur
Linken des Heilandes ist nicht der verbissene Verbrecher, sondern der trauernd von der
Gnade ferne Mensch, der sich doch noch hinfinden kann zur Erlösung. Auch die Juden, die
sich hinter dem ephebenhaften römischen Hauptmann gruppieren, machen den Eindruck

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