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Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus <Berlin> [Hrsg.]
Katalog / Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus, Berlin: Sammlung Adalbert Matkowsky, Berlin: Versteigerung: Dienstag, den 15. Februar 1910, Mittwoch, den 16. Februar 1910 — Berlin, Nr. 1569.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.15211#0011
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DALBERT MATKOWSKY hatte kaum die Fünfzig
überschritten, als er uns entrissen wurde. Ein könig-
liches Gefolge ging mit ihm dahin, ein Triumphzug
monumentaler Gestalten von Karl Moor zum Coriolan
und Wallenstein, ausgestattet mit dem vollen Sou-
veränitätsrecht der tragischen Leidenschaft. Wir
betrauern noch tiefer den Totentanz der Schatten, die
von dem Blute des zu früh Gefallenen nun umsonst
das Leben begehrten. Um die Leiche des toten
Siegfried raunt es wie von einer Götterdämmerung: den alten Faust, den
Guiscard, den Falstaff und Lear konnte er uns nicht mehr geben. Die Natur
schien sich in einer Sonntagslaune verschwendet zu haben, um über allen
gewöhnlichen Maßstäben ihrem erwählten Helden die Weihe der Kraft und
Schönheit zu verleihen. Die größten Darsteller, die mit einem Sophokles,
Goethe, Shakespeare auf dem Wege der Divination unmittelbar verkehren,
haben immer etwas Zeitloses, als ob die nahe und übersichtliche Gegenwart
allein sie nicht begrenzen könnte. Trotz aller Liebe und Vertrautheit verehrt
unsere Bewunderung an ihrer Erscheinung etwas Rassefremdes, Entrücktes,
als ob sie von fernen sagenhaften Ländern kämen, als ob sie alle Schönheit,
die zu sterben drohte, für sich und uns ins Exil der Gegenwart gerettet hätten.
Sie haben die Seelen von toten Königen, Helden, Verbrechern, und mittels
einer geheimnisvollen Erbschaft bewahren sie Kraft und Sinn, Glanz und
Schönheit vergangener Zeiten mit größerer und erweckenderer Wahrheit, als
es die genaueste Forschung prüfender Wissenschaft uns erklären könnte.

Matkowsky lebte außer und über seiner Zeit; er dachte Fausts Ge-
danken, lachte wie Siegfried, focht wie Macbeth und litt wie Oedipus an der
zweifelhaften Weisheit der Götter. Das war seine Wirklichkeit, und es ist
anzunehmen, daß die unsere ihn herzlich wenig anging. Handel und Wandel,
Politik, Gesellschaft, Zeitung, jedes Interesse des Tages blieb ihm vermutlich
fern und unverständlich. Der Künstler hat uns immer nur gegeben, ohne zu
empfangen, und er lebte für sich, in sich wie ein Mensch, der seinesgleichen
nicht findet, wie der Ueberlebende eines Dynastengeschlechtes, der nur mit
der Vergangenheit verkehren kann. Sein schwer zugängliches Heim hatte er
mitten im Getriebe der großen Stadt, aber ihre laute Nähe beunruhigte ihn
 
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