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Die Lesestunde: wöchentliche Beilage des Pfälzer Boten — 1934

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Nr. 94
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^vpyrißlil Hy Verlagsavstajt lyrolia, Innsbruck — Wien — ^lüncken. — ^IIs Kackte vorbebslten.

komsn
von ksimmiclil

3) (Nachdruck verboten.)
»In der Nacht bei dem schrecklichen Wetter
sind sie in die Kirche eingöbrochen", erzählte
eine Frau mit überschnappe n-der Stimme, „und
hoben dem Gna-enbil- alles fortgeronbt —
hie goldene Krone und den Seidenschleier mit
hen Edelsteinen und das Perlenhalsband, den
Tanzen kostbaren Schmuck, den die Gräfin Aich-
hstrg letztes Jähr gestiftet "Hot.--Es ist
himmelschreiend! Aber einen von den Gaunern
hat man schon, denkt euch, den ZePhyri-s-Hugo,
hes Richters eigenen Sohn, den Balott, den
Mädchenjäger. Die andern wird man auch fin-
ven. Inst dben verhandelt man die Sache beim
Gericht oben."
Die zwei Ankömmlinge schauten einander
bedeutungsvoll an.
„Gdht dir ein Licht auf, Meister Wunibald?"
fragte der Gemfenklaus.
»Nicht nur ein Licht, sondern ein flammen-
der Schwanzstern", erwiderte das Männlein;
»komm, wir müssen schnell znm Gericht und
"en Heroen Weisung gaben."
Auf einem niederen Hügel Wer dem Markt-
dorf stand das bnrgartige Gerichtshaus, von
einem schweren, grauen Turm überragt. Der
Gerichtsfaal, ein schwarzgetäfelter, schmuckloser
Ainm, lag im ersten Stockwerk des Turmes
Tort sand zu ungewöhnlicher Stunde eine leb-
hafte Berlhandlung oder richtiger die Einver-
^ihme einer Anzahl von Personen statt. Der
Gaurichter Zephyris, eine markige Gestalt von
hohem Wuchs, großem Gesicht, langer Nase,
stechenden Augen und wulstigen Lippen, saß
^af einem gepolsterten Lehnstuhl hinter dem
plumpen Gichtisch, lieber seinem schwarzen
"oihgswand trug er einen grauen mantelarti-
An Rock mit tief herabhängeNdem schwarzem
fragen. Links von ihm an der Schmalkante
Tisches saß ein Gerichtsschreiber mit Pa-
pier, Tinte und Feder. D>e Personen, die ein-
dernommen werden sollten, hockten auf einer
Aank vor dem Richterstuhl. Es waren dies der
Kurot Zeiner von Mavberg, eine ehrwürdige
Pvieisteverscheinung mit schneeweißem Kopf, der
Mesner Ionas, der mit seinen ausgeprägten
'Mgen und dem wallenden braunen Bart eine
richtige Prophetenfigur darstellte, die dveiund-
^vanzigjährige Nichte des Mesners, Petronilla
Munding, deren Helles Gewand mit dem lila-
nwbenen breiten Schnltertnch von den d-uNklen
Kleidern der Männer grell abstach, der Mair-
Pofknecht Benno und der Bauer Gilg. Im hin-
Ivsten Winkel des 'Saales stand mit gefesfsl-
M Händen ein trotzig darsmschouender junger
Mensch, dessen schwammige, verlebte Gesichts-
auge einen liederlichen, genußsüchtigen Charok-
Er verrieten.
Trocken und kühl bis ins Herz hinein am-
krerte der Gaurichter, ja scheinbar so gleich-
gültig, als handelte es sich um einen Eier-
"tebstahl und nicht um einen Kirchenraub.
»Wie hat sich die Affäre zngetragen?" fragte
in geschäftsmäßigem Ton, ohne jemand von
"on Dasitzenden anznschauen.
Da alle schwiegen, verbesserte er seine Frage:
. »Wer hat das Deliktum oder die Usbeltat
entdeckt?"
»Kurz vor Mitternacht, als das Unwetter
uw hestigstxrr getobt hat, bin ich hinaufgegan-
x^n in die Kirche, Wetter zu läuten; der Nach-
/I Gilg und der Mairknecht Benno gingen
^beim Läuten zu helfen. Einige Minuten
Suter erschien der Hochwürdige, der in der
Mristei Chorrock und Stola anlegte, zum
r^ottersegnen. Da wir in großer Eile waren,
keiner von uns einen Blick auf den Altar
^worsen. Bald nach d«m Herrn Kurator kam
Nilla da, meine Schwesters t och ter, in ->e
:^che, um dem Wettersegen Heizuwohnen. Wie
I bun zum Altar geh, die Kerzen anzuzünden,
Moeit die Nilla plötzlich laut auf: „Heiliger
.. ott! — Unsere lidb-e Frau!" Und schon springt
vor bis zu den Altavstufen und. zeigt mit
L Finger in die Höhe. Da kommt auch der
T^or Kurat, und wir sahen den schrecklichen
'>n«vel — das Gnadenbild ist all seiner kost-
z ^on Zier beraubt. Alsbald entdecken wir,
h, st auch der Opferstock erbrochen ist, und an
linken Seitenkirchtür war von innen der
b/^pchchlagene, schwere Sperviegel ausgsho-
Die Räuber müssen schon abends in die
z'rAe eingsschlichen sein und auf dem Chor
"An sich versteckt hüben."
h''-"erschwing Er nichts, Mesner — Er hat
hl felgst vergessen, am AbeNd den Riegel zu
MjAen", m»ar!f der Richter kurz dazwischen.
> .»Nein, der Riegel ist immer geschloßen, und
stbh jebm Abend nach dem Betläuten zu
in? Kirchtüren nachsehen, ob alle richtig ge-
sind."
^Was wurde gestohlen? Alles angeben!"
^raus antwortete der Seelsorger:
»Geraubt worben sind eine kleine golden..

mit Edelsteinen besetzte Krone, der goldene
Halsschmuck des Bildes, eine goldene Kette, in
die zwanzig Goldmünzen eingefügt waren, und
ein langer Seidenschleier mit Silber- und Per-
lenstickerei. Am Rand des Schleiers waren
beiderseits je fünf Goldmünzen eingenäht."
„Welchen Wert haben die Sachen?"
„Das weiß ich nicht. Man müßte die Gräfin
Aichburg fragen, die den ganzen reichen
Schmuck voriges Jahr spendiert hat. Schät-
zungsweise dürfte alles mitsammen wohl acht-
hundert Gulden wert sein. Der Herr Richter
möge selbst schätzen."
„Ich kenne die Sachen nicht. Bin nie in der
Kirche auf dem Marberg gewesen."
„Den Herrn Richter sieht man überhaupt
nie in einer Kirche", ließ sich Nilla, das Mäd-
chen, kühn vernehmen.
Darauf erwiderte der Richter keine Silbe,
verzog auch nicht im leisesten eine Miene, son-
dern fragte mechanisch weiter:
„Und im Opferstock? Wieviel Geld war
drinnen?"
„Das kann man ebenfalls nicht genau
sagen", antwortete der Priester. „Es sind in
letzter Zeit mindestens tausend Wallfahrer nach
Marberg gekommen. Wenn man annimmt,
-aß sie fünfhundert Kreuzer und fünfhundert
Groschen geopfert hüben, wird es nicht zu viel
fein."

„Was geschah, nachdem der Diebstahl ent-
deckt war?"
„Es ist kein Diebstahl, sondern ein Raub",
fiel grollend der Mesner ein; „wir setzten nach
der Entdeckung mit dem Läuten aus und hüben
dann Sturm geschlagen. Alsbald kamen drei-
ßig, vierzig Burschen und Männer, die mein-
ten, es brenne irgendwo. Sobald sie hörten,
was geschehen ist, sind sie den halben Berg aus-
gelaufen, die Verbrecher zu erwischen, konnten
aber keine Spur finden. Nur mein Schwester-
kind, die Nilla, ist einem der Missetäter be-
gegnet, doch vorher schon, als sie in die Kirche
ging."
„Die Jungfrau mag selber berichten. Aber
kurz!"
„Was ich zu berichten -habe, ist bald -gesagt",
-erklärte das Mädchen in entschiedenem Ton;
„ich wollte in die Kirche hinaufgehen zum Wet-
tevsegen und trat eben in den Friedhof. Da
-kam von hinten um die Kirche herumgelaufen
ein Mann, der etwas Weißes unter dem Arm
trug. Beim Aufleuchten eines grellen Blitzes
erkannte ich ihn, es war der Hugo Zephyris,
des Herrn Richters Sohn. Als er mich er-
blickte, stieß er einen grimmen Fluch aus und
rannte dann in großen Sprüngen durchs Kirch-
gäßlein hinab wie ein Flüchtiger. Er ist schon
gestern übend ums Dorf hevumgeschlichen und
hat mich draußen am Eschenbrünnl belästigt."

Ein Husarenstreich Mackensens
Der deutM Einmarsch in Bukarest

Der hochverdiente Generalfeldmarschall v.
Mackensen feierte am 6. Dezember ds. 2s.
seinen 88. Geburtstag. Wir bringen aus
diesem Anlaß aus seinereigenenFe-
der folgende Darstellung seines Einzuges in
Bukarest; die Schilderung ist mit Genehmi-
gung des Berlages 2. F. Lehmann, Mün-
chen, dem prachtvollen Werke: „2m Feld e
unbesiegt" (2 Bde„ Lwd. je Mk. 4.50)
entnommen. Es enthält Beiträge von Hin-
denburg, Ludendorff, Reichsminister Göring
u. a„ aber auch solche von vielen wackeren
unbekannten Soldaten. Die Bücher sind ein
Ehrendenkmal deutscher Heldentaten im
Weltkriege.
Die Frage, wird Bukarest von den Rumänen
verteidigt werden, beherrschte alle Erwägungen.
Gerüchte gingen um, es sei nicht armiert.
Als junger Generalstabsoffizier hatte ich in der
Zeit, als König Karol nach den Plänen des Er-
bauers von Antwerpen, des Generals Brial-
mont, Bukarest zu einer Gllrtelfestung auszu-
gestalten begann, die Balkanstaaten zu bearbei-
ten gehabt und wußte daher, daß die Westfront,
auf welche die Straße von Alexandria führte und
auf der wir uns der Stadt näherten, der schwä-
chere Abschnitt Les Fortgürtels war.
Unmöglich war es nicht, daß die Rumänen ge-
neigt sein könnten, ihre Landeshauptstad-t nicht
dem Geschick einer Berennung und eines Kamp-
fes preiszugeben; aber ein Truppenführer soll
niemals das ihm Willkommene vom Feinde er-
warten. Die Spannung, im Grunde auf einen
harten Kampf gestimmt, wuchs daher, je näher
wir Bukarest kamen.
Am Morgen des 6. Dezember meldete der Tags
vorher dahin entsandte Parlamentär, daß er
westlich von Bukarest von rumänischen Truppen
angenommen und unter den üblichen Formen
nach langer Fahrt auch zu einem höheren Stabe
gebracht, aber hier die Annahme des an den
Kommandanten von Bukarest gerichteten Schrei-
bens verweigert worden sei. Bukarest sei keine
Festung und habe keinen Kommandanten.
Das klang nach Räumung, entspannte
aber die Lage nicht.
Es hieß selbst sehen.
2ch begab mich zur Avantgarde. Diese hatte
schon in Galizien und Serbien mir als besonders
kriegstiichtig bekannt gewordene und bei der
Eroberung von Przemysl bewährte bayerische
11. Division des General von Kneußl inne. 2n
ihrer Vorhut sand ich das ihr zugeteilte, von
mir gleichfalls sehr geschätzte Deutsch-Ordens-Jn-
santerie-Regiment Nr. 152. Das Regiment war
gerade im Begriff, mit Patrouillen an die Fort-
linie heranzurücken. Kein Schuß war bis dahin
gefallen, weder aus den von Baumbeständen ver-
deckten, nur mit einzelnen Stellen ihres hohen
Aufzuges erkennbaren, nächstliegenden Forts-
und Zwischenwerken, noch aus Gehölzstreisen,
welche Ring-Chaussee und Eisenbahn und das
Hinterland der Sicht entzogen.
Sollte Bukarest uns wirklich ohne neue Blut-
opfer ausgeliefert werden?! — Der Augenschein
spricht mit jeder Minute mehr dafür.
Wir verfolgten die Patrouille von den Häu-
sern des Dorfes Brauadiro aus. schließlich kam»

2 Kilometer von der Frontlinie entfernt. — Die
Patrouillen verschwinden in den Gehölzen des
Fortgllrtels! — Wir rüsten uns, ihnen zu folgen.
— Da erscheint ein Deutsch-Ordens-Musketier,
die Mütze schwenkend neben dem leeren Flaggen-
mast des Forts links der Straße! „Vorwärts,
Kraftfahrer!" heißt es und in schnellster Fahrt
erreichen wir die Ringstraße. Wir biegen auf
dieser nach dem Forts links ein. — Nichts von
Armierung, nichts von Verteidigung! Die Pan-
zertllrme ohne Geschütze! Eine Festung Bukarest
ist also nicht zu stürmen. Und die Stadt? Wer den
Fortgürtel preisgibt, wird es auch nicht zum
Kampf um die offene Stadt kommen lasten. Das
Herz jubelt vor Erleichterung und Dankbarkeit
Also: „Zurück zur Alexandriastraße und
vorwärts nach Bukarest!"
Die Avantgarden-Schwadron — bayerische
Chevaulegers — trabt gerade in dieser Richtung
über die Ringeisenbahn. An ihr vorbei saust
der Kraftwagen der rumänischen Hauptstadt zu.
Führer entgegenkommender Lastfuhrwerke sagen
aus, daß rumänische Infanterie und Artillerie
in der Nacht, Kavallerie vor zwei Stunden durch
Bukarest abgezogen sei. — 2n der schnurgeraden,
breiten Straße werden nach und nach die ersten
Häuser der Stadt sichtbar! Kaum gedacht, sind
wir auch schon am Eingang der Vorstadt! Hier
und da stehen Menschen vor den niedrigen Häu-
sern. Sie scheinen teilnahmslos.
Am Ende der breiten Vorortstraße sehen wir
einen Reiter. Sollte noch Kavallerie im Ort
sein? Aber die Silhouette des Reiters sieht nicht
aus wie ein Soldat in Feldrusrllung. Wir blei-
ben in voller Fahrt. Der Reiter kommt uns ent-
gegen. Es ist ein Schutzmann. Er pariert sein
Pferd und meldet, daß er beauftragt sei, den
deutschen Soldaten den Weg — zur Bürgermei-
sterei zu zeigen. Wie höflich, wie umsichtig und
vorbedacht! Sicherlich sitzt ein Kenner deutscher
Ordnung und Sitte im Bukarester Stadtregi-
ment.
Dann geht die eigenartige Fahrt weiter. Aber
wie wird sich der Janhagel der Großstadt dazu
verhalten? Er neigt zu Ausschreitungen und der
Bukarester zum Chauvinismus. Wir achten sol-
cher Gedanken nicht und treffen da, wo unsere
Cinfahrtsstraße die eigentliche Stadt erreicht und
sich teilt, auf die Straßenbahn. Ihr folgen wir.
Sie ist im Betrieb und gut besetzt. De tiefer
wir längst ihrer Geleise in die Stadt eindringen,
um so mehr wächst das Bild großstädti-
schen» friedliche« Lebens und Treibens.
Offene Läden, gefüllte Kaffehäuser! Wir werden
gegrüßt. Kleidsam uniformierte Schutzleute re-
geln in tadelloser Haltung den Verkehr. In
Berlin kann es nicht geordneter zugehen. —
Vereinzelt ertönen Hurras und deutsche Zurufe
2a, befinden wir uns denn nicht inmitten der
Bevölkerung einer feindlichen Hauptstadt? Ist
denn nicht Krieg? Ist es ein Traum, der uns
verblendet? Sahen wir nicht noch vor wenigen
Stunden schweren Kämpfen entgegen? Und jetzt
— Statt feindlicher Kugeln trifft uns — eine
Blum«.! Sm SuMvalM vorbei sind wir Ll«r

„Das ist nicht wahr", begehrte -er GefeMte
im Winkel auf; „-er Herr Vater wird -er
Lügnerin nicht glauben."
„Ich bin kein Vater, sondern Richter", er-
klärte -er alte Zephyris mit eisiger Ruhe.
„Die Anklägerin ist ein hergelaufenes Weibs-
bW, von -em niemand etwas Ordentliches
»weiß. Mir wäre es zu schlecht, mit ihr auch
nur zu reden", schimpfte -er Richterssohn.
„Was erkühnt Er sich?" donnerte ihn der
Mesner an; „die Petronilla Mundi-ng, meine
Nichte, ist kein Weibsbild und noch weniger
ein hergelaufenes. Sie ist -ie Tochter -es
chrengeachteten Baders Laurentius Munding
in Innsbruck und seiner Gattin Elsa, meiner
Schwester — Gott tröste sie alle zwei —. Vor
drei Jahren sind beide Eltern gestorben, und
da die Petronilla keine näheren Verwandten
hatte, hab ich als ihr Oheim sie zu mir ge-
nommen."
„In ganz Marberg und Altenthurn gibt es
keine tugendhaftere und ehrsamere Jungfrau
als die Nilla", ließ sich der Bauer Gilg ver-
nehmen.
„Und üls Kmdevl'öhrerm steht sie allgemein
in Ansehen", fügte der Kurat hinzu; „nicht
umsonst ist sie bei den Frauen Uvsulinen in
Innsbruck in die Schule gegangen."
„Ich lasse mein Schwesterkind nicht verun-
glimpfen, der Richter wolle die Ehre eines un-
tadeligen Mädchens schützen!" forderte der
Mesner.
Flüchtig huschte der Blick des Richters über
die Gestalt der Jungfrau. Sie war von außer-
-gewöhNlicher Schönheit. Rotblonde Haare um-
rahmten ihr vornehmes, jugendfrifches Gesicht,
aus dem zwei große, dunkelblaue Augen ver-
sonnen in die Welt schauten. In ihren auS-

Lie Dambowitza nach -er Calea Viktoria gelangt,
durchzieht. Aus einer Verengung der Straße
die den jenseitigen Hauptteil von Bukarest
herauskommewd, sehen wir uns plötzlich vor -em
Königlichen Schloß.
Wir lenken in -en Vorhof ein und machen vor
einem Portal halt. Zwei Herren erscheinen auf
der Freitreppe, stellen sich der eine als Schloß-
hauptmann, der andere als Verwalter des Kö-
niglichen Privatbesitzes vor und bieten — ein
Frühstück an. Kaum sind die ablehnenden
Worte nach rechts gewechselt, da tritt links ein
deutscher Offizier an den Wagenschlag, — ein
Leutnant mit zehn Mann! Pommersche Königs-
Grenadiere! Der Offizier meldet sich von Nor-
den her als Patrouille -er 9. Armee in die Stadt
entsandt, und bestätigt, daß der rechte Flügel der
Armee den Fortgürtel im Norden gestreift und
nur noch mit Nachzüglern Schüsse gewechselt
habe. Eine Seiteupatrouille sei hinter der Pa-
trouille nach der Stadt abgezweigt. Ich über-
gebe dem Offizier bis zu dem in 1 bis 1l^ Stun-
den zu erwartenden Eintreffen der Spitzen der
Donauarmee den Schutz des Schloßes, und Be-
fehle dem Schloßhauptmann, alle Zugänge zum
Schloß zu schließen. Während ich dann die Mel-
dung von der Einnahme Bukarestts an Seine
Majestät diktierte, ist die Volksmenge vor und
im Schloßhof gewachsen. Das Hurrarufen nimmt
zu. Der Kraftwagen füllt sich mit Blumen.
Meine Begleiter haben Mühe, die Trittbretter
frei zu halten, und — deutsche Laute klingen ver-
mehrt an unser Ohr.
Wir sehen uns umringt und bestürmt
von einer Menge, in der Deutsche und
Oesterreicher die Oberhand haben.
Diese Männer und Frauen und Kinder sind wo-
chenlang interniert gewesen, nun freigelass-en
soeben aus übelstem Unterkommen und scheuß-
licher Behandlung in die Stadt zurückkehren zu
können und deutscher Truppen Schutz zu genie-
ßen.
Letzteren entgegenzufahren und ihnen zu ver-
künden, daß sie in Bukarest einmarschieren kön-
nen, wie nach einem Manöver in einen Unter-
kunftsort, ist meine nächste Aufgabe. Am End«
der Vorstadt treffe ich die Aventgarden-Eska-
dron, nicht weit von den letzten Ausbauten die
vorderste Infanterie und bald darauf höhere
Stäbe um die Eros der über Vragadiro anmar-
schierewden Truppen. Sie werden nicht in einen
Kampf geführt. Als Siegespreis der Schlacht
am Arges winkt ihnen das offene, vom Kriege
unversehrte Bukarest! Frohsinn beflügelt ihren
Marsch.
Ich eile, das Hauptquartier zu erreichen, wo
es nun gilt, der so glücklich gewandelten Lage
mit neuen Befehlen und Weisungen Rechnung
zu tragen. Beim einfachen Abendessen berichten
meine Begleiter von unserer Fahrt. Statt Ge-
schütz- und Gewehrfeuer Hurras und Blumen,
statt erwarteten zähen Widerstandes und heißer
Kämpfe eine unverteidigte Festung und Haupt-
stadt und in dieser vorbereitete Quartiere! Und
der Oberbefehlshaber, nur von drei Offizieren
begleitet, seinen Truppen zehn Kilometer voraus
als Erster in dem vom Feinde kaum geräumten
Mittelpunkt des Landes! Es fällt das Wort:
„Husarenstreich!" Ein Pessimist unkt leise: „Un-
überlegt". Mag sein! Es war jedenfalls mein für
die eigene Erinnerung eingdrucksvollster und —
mein letzter. Ich hatte am gleichen Tage mein
67, Lebensjahr vollendet
 
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