Das Mittelalter. Stämme der Völkerwanderung
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Trinkschalen das eigentliche Kunstvermögen der Zeit. Sie
sind im Nachklang an die Form des antiken Kantharos ge-
staltet, die eine mit flach abstehenden Griffen, die andere mit
stehenden Panthern als Henkeln. Die festen Teile sind belegt
mit kleinen, flachgeschliffenen Steinplatten, Granat, Kristall,
Türkis und Bernstein, welche durch ein Zellennetz von auf-
rechten Metallrändern in einfacher Musterung festgehalten
werden [vgl. S. 15]; den Körper des Gefäfses bilden gröfserc
Scheiben, in dem rosettenförmigen Netzwerke ohne Unterlage
festgehalten, so dafs sie durchsichtig bleiben. Wir finden
dieselbe Technik in einer überaus fein gearbeiteten Schale
aus Steinen und Glasflüssen mit dem Bilde des Sassanidenkönigs
Chosroes I 7 579, in der Bibliothek zu Paris, ursprünglich
im Schatze von S. Denis, und es scheint kaum zweifelhaft,
dafs die Goten und Franken diese Technik vom Orient mit-
gebracht oder durch wandernde Künstler von dorther erhalten
haben. In derselben Technik der Zellenverglasung ausgeführt
sind im Schatze von Petroassa ferner eine grofse Halsberge,
mehrere Fibeln und hängende Schmuckstücke als halbe Adler
gestaltet. Die meisten Stücke sind beim Auffinden durch Un-
kenntnis und später durch einen Einbruchsdiebstahl arg zerstört.
Unsere Abbildung zeigt die prächtigste unter den Schalen in
genauer Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, wie
sie das Kunstgewerbe-Museum besitzt.
Fränkische Arbeiten in dieser Technik finden sich in den
französischen Sammlungen: das Schwert des Childerich -j-481,
der Becher des heiligen Eligius -p 640, welcher Bischof und
der Goldschmied der merowingischen Könige war und als
Schutzpatron der Goldschmiede verehrt ward; ferner der
Kasten von Undiho und Elio, gefertigt in S. Maurice in Wallis,
und Aehnliches. Das Museum für Völkerkunde enthält zahl-
reiche Schmuckstücke, besonders runde Platten von Gewand-
fibeln [Proben in der Schmucksammlung des Kunstgewerbe-
Museums Kasten 432].
Der Schatz des D ionysianischen Kapitels von
Enger [Sehr. 380] geht in die fränkische Zeit zurück. Das
Stift Enger bei Herford wurde von dem Sachsenherzog Witte-
kind nach seiner Bekehrung durch Karl den Grofsen im
Jahre 807 gegründet. Hier starb Wittekind und hinterliess
dem Stift seine Schätze, welche im Jahre 1414 zur Aufbe-
wahrung an die Johanniskirche in Herford gelangten und
daher als Schatz von Herford bekannt sind; seit 1888 sind sie
im Kunstgewerbe-Museum. Das Reliquiarium, eine Arbeit
des VIII Jahrhunderts, ist eines der wichtigsten Dokumente für
die Geschichte deutscher Goldarbeit. Auf der reichen Vor-
derseite sind die bandwerkartigen Streifen aus gefafsten Granat-
splittern, wie die erwähnten fränkischen Stücke, gearbeitet.
Lessing, Gold und'Silber. 3
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Trinkschalen das eigentliche Kunstvermögen der Zeit. Sie
sind im Nachklang an die Form des antiken Kantharos ge-
staltet, die eine mit flach abstehenden Griffen, die andere mit
stehenden Panthern als Henkeln. Die festen Teile sind belegt
mit kleinen, flachgeschliffenen Steinplatten, Granat, Kristall,
Türkis und Bernstein, welche durch ein Zellennetz von auf-
rechten Metallrändern in einfacher Musterung festgehalten
werden [vgl. S. 15]; den Körper des Gefäfses bilden gröfserc
Scheiben, in dem rosettenförmigen Netzwerke ohne Unterlage
festgehalten, so dafs sie durchsichtig bleiben. Wir finden
dieselbe Technik in einer überaus fein gearbeiteten Schale
aus Steinen und Glasflüssen mit dem Bilde des Sassanidenkönigs
Chosroes I 7 579, in der Bibliothek zu Paris, ursprünglich
im Schatze von S. Denis, und es scheint kaum zweifelhaft,
dafs die Goten und Franken diese Technik vom Orient mit-
gebracht oder durch wandernde Künstler von dorther erhalten
haben. In derselben Technik der Zellenverglasung ausgeführt
sind im Schatze von Petroassa ferner eine grofse Halsberge,
mehrere Fibeln und hängende Schmuckstücke als halbe Adler
gestaltet. Die meisten Stücke sind beim Auffinden durch Un-
kenntnis und später durch einen Einbruchsdiebstahl arg zerstört.
Unsere Abbildung zeigt die prächtigste unter den Schalen in
genauer Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, wie
sie das Kunstgewerbe-Museum besitzt.
Fränkische Arbeiten in dieser Technik finden sich in den
französischen Sammlungen: das Schwert des Childerich -j-481,
der Becher des heiligen Eligius -p 640, welcher Bischof und
der Goldschmied der merowingischen Könige war und als
Schutzpatron der Goldschmiede verehrt ward; ferner der
Kasten von Undiho und Elio, gefertigt in S. Maurice in Wallis,
und Aehnliches. Das Museum für Völkerkunde enthält zahl-
reiche Schmuckstücke, besonders runde Platten von Gewand-
fibeln [Proben in der Schmucksammlung des Kunstgewerbe-
Museums Kasten 432].
Der Schatz des D ionysianischen Kapitels von
Enger [Sehr. 380] geht in die fränkische Zeit zurück. Das
Stift Enger bei Herford wurde von dem Sachsenherzog Witte-
kind nach seiner Bekehrung durch Karl den Grofsen im
Jahre 807 gegründet. Hier starb Wittekind und hinterliess
dem Stift seine Schätze, welche im Jahre 1414 zur Aufbe-
wahrung an die Johanniskirche in Herford gelangten und
daher als Schatz von Herford bekannt sind; seit 1888 sind sie
im Kunstgewerbe-Museum. Das Reliquiarium, eine Arbeit
des VIII Jahrhunderts, ist eines der wichtigsten Dokumente für
die Geschichte deutscher Goldarbeit. Auf der reichen Vor-
derseite sind die bandwerkartigen Streifen aus gefafsten Granat-
splittern, wie die erwähnten fränkischen Stücke, gearbeitet.
Lessing, Gold und'Silber. 3