Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

50 -


mit dcm Schwerte und der Wage aber richtete an ihn mit
Donnerstimme die schrecklichen Worte:

„Dich hatte ich bernfen zum Lieblinge mcines Herzens,
zum Lenkcr dcr Völker, zur Krone der Menschheit. Alle
Gabcn hatte ich Dir im reichlichsten Maße verliehcn, welche
Dich auf diese Höhe zu führen und aus derselben zu erhal-
ten vermockten. Du aber hast mit diescn herrlichen Gabcn
ein Kinderspiel gctrieben und sie dann leichtsinnig und muth-
willig in den Staub geworfen. Lange habe ich Deinem
kindischen Treibcn zugesehen, oft habe ich Dich zur Umkehr
ermahnt, ott durch herbe Prüfung und bitteres Leid Dich
Deiner Vestimmung wieder zu geben versucht. Die letzte
Prüfung schien Dich endlich zu crwecken und zu bclehrcn —
nach wenig Mondcu aber war auch diese Warnung vergessen;
der schwesterliche Gcnius an meiner Seite stoh mit der tief-
sten Wunde, die ihm je ein Volk gcschlagen, zu mir zurück.
Da beschloß ich, den Tag des allgemeinen Gerichtes nicht
langer zu vcrschieben — empfange denn Dcinen gercchten
Lohn, und fahre hin — in Dein emiges Verderben!"

Schon fühlte Michel den Boden um sich her wanken und
beben, Blitze schlugen blendcnd um sein Auge, Donner rollten
betäubend um sein Ohr; schon fühlie er sich von den Polypenar-
men nächtlicher Eumeniden und Furien gepackt — da erwachte er.

Kalter Schweiß stand auf seincr Stirne, und es brauchtc
lange, bis er sich von seincm Schreck erholte und seine Ge-
danken in klarer ruhiger Fassung zusamincnzuhalten ver-
mochte. Brit Schaudern nrußte er sich eingestehen. daß das
Urtheil der Geschichte, wenn es im Augenblick übcr ihn ge-
sprochen würde, kaum anders ausfallcn könnte, als er cs so
eben im Trarime gcsehcn und erfahren hattc. Heilig gelobte
cr sich, von der crsten Stunde des neuen Jahres an auch
eine neue Bahn zu gehen, die Bahn, die ihnr vor kurzer
Zeit als der cinzige Weg zur Cinheit, Größe und Freiheit
eröffnet und sv klar vorgezeicknet wurde.

Ob Michel nicht nochmal in seinen guten Vorsätzen
wankt, sondern mit Muth und Kraft daran geht, seine Be-
stiinmung im Kreise der Völker zu erfüllen, wird uns die
Zukunft zeigen.

Correfpondenz.


'V.


"vW i n z i g h a u se n, a m 2.

Januar 18hl. Jch beeile mich,
geehrteste Redaction, das
Jhncn vor Kurzcm gegebcne Ver-
sprechen hiemit cinzulösen, iiidein
ich — als ächt Constitutio-
neller habe ich stets, wenn es
mir taugte, Wort gehaltcn —

Jhnen cine nähcre Beschreibung
jener Festivitäten sende, welche am
Abende des glorwürdigen ll. De-
zember 18ü0 in unserm vcrfassungsgetrcuen Städtchcn statt-
fanden. Dic Veranlassung hiezu ist Jhncu aus iireinem crsten
Berichte bereits bckannt, nämlich dic moiiientane Anwesenhcit
Jhrer Hochfürstlichen Durchlaucht der Herzogin Amalie
Kamelie E u l a l i e N o s a l i e v o n V o l l b l u t b er g s-
Adclsheim, der Consinc des Durchlauchtigsten Herrn
Sckwagers unscrer angebetcten Landesmutter! — Gott segne
das ganze hochfürstliche Haus!

Am fraglichen Abende also, der durck besagte hohe
Gnade für Winzighauscn zu einem hoben Festtage wurde,
gleich nach erfolgter Abreise Jhrcr Hochfürstl. Durchlaucht
versammelte sich der löblichc Magistrat sanimt der
hochwürdigen Geistlichkcit in den freundlichen Räumcir
dcs „goldnen Sticrs." O du glücklicker Stier, darinnen die
Erlauchteste einige Minutcn geathmet! —

Der Hcrr Bürgermeister machte sofort den Vorschlag,
den festlichen Nachmittag durch eincn festlichen Abcnd zu
beschließcn, und mir 9 gegen 4 Stimmen wurde alsogleich
ein Festcomitö niedergesetzt. Erst sollte ein Festcssen, das
Couvert zu 24 kr. gehalten, dann ein Ball veranstaltct und
dazwischen ein inonarchisch-religiös-symbolisirtes Feucrwcrk
mit obligatcu Transparenten abgebrannt wcrden,

So kurz nun die Zeit zu den Vorbereitungen war, so
bewies doch die allgemcinc, lebhafte Theilnahme, der aus-

gesuchte Putz
Schöncn nnd
„Siierlokals"
Llnhänglichkeit

der Winzighausener
die Dekoration des
einerscits die trcuc
unserer alten Stadt

an die erlauchte Tynastie und dcren
Schwägcrschaft, anderseits abcr
konnte nian — mit Stolz schreibe
ich die Wortc uieder — wiederholt
sehen, daß Winzighausen in Arran-
gemcnts für derlei a brupte Fe st-
lichkciten sich sclbfl mit der
Hauptstadt messcn darf. Jck versichere Sie, geehrieste Ne-
dacrion! unscr Städtckcn besitzt einen schr gcniale» Tape-
zicr, der überdieß Mitglied unseres constitutionellen Clubbs
und der eifrigste Royalist ist.

Als also Alles geordnet, dcr „goldene Stier" gehörig
gcputzt und bekränzt, dic Musik probirt, die Tafel für 30
Gedeckc arrangirt, die Ballordniing entworfen, der Coinmissär
hiezu in nieinec Wenigkcit bestimnit, das Feuerwerk aufge-
steckt und der Hr. Stadtpfarrer mit Allem ein-
verstanden war, kam dcr würdige Stadischreiber auf
den frcndlgen Gedanken, durch cine Deputation den Land-
richter unseres N a ch b a rm a ik t c s zu deni Fcste ein-
zuladcn und so dem Ganzcn einen ächt loyalen hochfürstlichcn
Anstrich zu geben.

Abends nach 9 Uhr waren der gnädige Herr
Landrichier mit deroFrau Gemahlin und ein paar
Asscssorcn in Wiuzighauscn angelangt, u»d dgs Fest konnte
nun ungehindcrt beginnen. Freilich hattcn die Gerickte dcs
Soupsts durch das langeHinwarten ibre ursprünglichcZarthcit
verloren, indeß wird mir die gcebrtc Nedaction gerne zu-
gcben, daß cin c o n st i t u t i o n e l l c r Magen Alles

vertragen k an n.

Monarchischer Jubel und reindhngstlsche Eintracht herrschte
in den glänzend erleuchtcten Näumen, als Seine Gnaden


^ ^-
 
Annotationen