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GösülMÜLV WlLttö. ^R^.'

Erschctnc» wöchcntlich -inmnl. — Man abonnirt bci allcn Bnch- Prci^für cincn Ban° von 24 Nnmmcrn 3 fl. rh obcr l Nthlr.

u. Kunstbandlungcn, allcn Postämtcrn u. ZcitungScrpebitioncn. - ' ^l Sgr. Einzclne Nummcrn kostcn 9 kr. rh. ob 3 Sgr.

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Eine römische Geschichte.

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i.

Bianca Donati war eine Nv-
merin „in des Wortes vcrwe-
genster Bedeutung." Jung, rci-
zend, üppjg, stolz, geistreich —
cin Weib zum Fürchten und
Vewundern, und doch zum Küs-
sen und Anbeteu zugleich. Sie
war die einzige Tochter deS
Marchese Donati, die Erbin
eines altadclichen Namens, ei-
nes bedcutenden Rcichthumsund
ausgedehnter Besitzungen. Jhre
Eltern marcn bereits gestorbc»,
und ste lebte unbeschränlt und
unabhängig, wie cs ihrcm Gnt-
dünken, ihrcr Ueberzeiigung
oder ihrer Laune ebcn gcfiel.

Sie ergötzte stck an den Hul-
digungcn, welchc ihr von allcn
Männern, die in ihre Nähe
kame», dargebrachtwurden, ohne daß fie einen derselben be-
sonders auszeichncte. Allein nicht lange sollte sie diese kalte
Gleichgülrigkeit gcgen allc Männer ungestrast bewahrcn;
bald war auch ihr Herz rcttungslos in den Schlingen eines
Mannes gesangen, dem fie wohl am wenigsten von all' ihren
Verehrern und Bcwundercrn hätte Gehör schenken sollen;

denn cr war ein Diencr dcr
Kirche, ja eincr ihrer Würdcn-
lräger, cs war der noch ju-
gendliche, scköne und witzige
Cardinal Giuseppe Spinelli.

Der Cardinal, der sick in
seiner hicrarchisckcn Lansbabn
durch seine Verwandtschafl mit
den einflußreichstcn römischen
Familien schon so früh bis
zum Purpurträger emporge-
schwungen hatle, war auch
mit Bianca entfernt verwandt.
Er hatte früher, da ihre El-
tern noch lebten, das Haus
häufig besucht, und auch nach
ihrcm Todc seine Besuche nicht
nur nicht ausgesctzt, sondern im
Anfange sie vermehrt, bald aber
ar verdoppelt. Er war von
Jugend an zum Priestcr be-
stimmt gewesen und hattc fich gerne dem Willen seiner El-
tern gefügt, nicht aus Neigung und Vvrliebe zum priester-
lichen Leben, sondcrn aus klug berechnendcm Egoismus, weil
er bald einsah, daß cr auf dicscm Wege am ehesten daö
Ziel sür seinen maßloseu, herrschgierigen Ehrgeiz crreichen
könne. Durch Flerfi und Eifer, und vorzüglich durch klugc




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