Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

La licorne: recueil de littérature et d'art — 1.1911

DOI issue:
Nr. 2-3
DOI article:
Lukács, Georg: Charles-Louis Philippe
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.29337#0183
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
/

endlich erkannte einzige Gut. Geübt und geschickt schlüpft
sie in ihrer schwierigen Lage aus ihrer Blouse, ihre nackten
Arme umschlingen seinen Hals, er sieht und fühlt ihre
Brüste. Doch er steht auf und geht ans Fenster. Es ist zu
spät. Er lebt schon in einem anderen Leben — das lebende
Leben nennt er es Dostojewski zitierend — dem für ihn
einzig wahren. Seine Liebe ist zur Sehnsucht geworden, er
bedarf keiner Frau und keiner Liebe mehr.
Er sagt es mit keinem Wort, aber jeder Tonfall seiner
Reden verrät es : sie ist für ihn die Einzige geworden. Er
ist ein Kleinbürger in Paris, kein Troubadour und nie mehr
wird er vielleicht von ihr sprechen. Aber jedes Wort und
jede Tat aus seinem Leben wird eine unausgesprochene
Canzone sein auf das, was sie ihm gegeben : dass sie in sein
Leben kam und dass sie daraus wieder wegging ; dass sie
ihm die Einsamkeit nahm und dass sie ihm sie dann wieder
zurückgab. Sein neues Glück, das er in weitschweifig stam-
melnden Reden ihr zu erklären versucht, liegt doch darin,
wo Dantes unzerstörbares Glück lag nach der Verweigerung
des Grusses : c In quelle parole che lodano la mia donna 3<.
Nur ; er hat es nie ausgesprochen und kann es und will
es nie aussprechen.

85
 
Annotationen