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V o r u» o r t

Einer der ältesten Beurtheiler des Kunstmeisters, dessen Zeit, Leben
und Wirken hier geschildert werden soll, sagt: „Manche, welche mit großen
Jdeen aus Betrachtung der schönen Sachen in Jtalien, denen Niederlanden
oder Frankreich eingenommen und mit einem Ekel gegen alles das, was
von dem gothischen Wesen bei sich führet, erfüllet worden, sehen alles,
was Cranach gemacht, im Gegeneinanderhalten ihrer besseren Jdeen, gleich
anfangs mit verüchtlichen Augen an, und wnndern sich, wie ein dergleichen
Meister so hohe Repntation erhalten mögen." Es ist dies eine Stimme aus
den ersten Decennien des vorigen Jahrhunderts und es spiegelt sich darin
das Kunsturtheil der Zeit, welcher sie angehört. Treten wir dagegen znrück
in die Lebenszeit des Meisters selber, hören wir die kunstkritischen Urtheile
seiner Zeitgenossen, die, wie Christoph Scheurl und vr. Georg Mylius,
freilich nicht bloß den Künstler-, sondern auch den Menschenwerth des
Lucas Cranach in die Wagschale ihrer Anschauung legen konnten, so sinden
wir ihn auf einer Stelle, welche ihn nicht bloß den Meistern der deutschen
Schule seiner Zeit, einem Dürer und Holbein, ebenbürtig machte, sondern
auch unter dem unmittelbaren nnd blendenden Einslusse der Blüthezeit der
italienischen Kunst des 15. und 16. Jahrhunderts nichts von ihrer natio-
nalen und individuellen Bedeutung verliert. Geschmack und Urtheil unserer
Zeit haben sich nun allerdings weniger dem Standpunkte jener Cranackp-
schen Zeitgenossen genähert, sondern sich mehr in der Richtung fortent-
wickelt, welche durch die im Eingange angeführten Worte charakterisirt wird,
d. h. wir haben uns mehr oder weniger daran gewöhnt, bei unseren
Wanderungen durch Galerien die uns angeschnlte oder selbständige Be-
wunderung, womit wir die den Löwenantheil des Raumes behauptenden
Schöpfungen italienischer und niederländischer Knnst betrachten, den Leistungen
Cranach's gegenüber in den meisten Fällen nur durch die Aufmerksamkeit
zu unterbrechen, die wir Kunstwerken schuldig zu sein glauben, welche in
ihrer Eigenthümlichkeit unseren Schulbegriffen von der Entwickelung der
Knnst eben nur als Landmarken oder Anhaltspunkte dienen können. Um
seine Unterscheidung von den Großmeistern der dentschen Kunst zu recht-
fertigen, hat man die Bahn der Leistungen Cranach's in den engen Rahmen
einer sogenannten „süchsischen Schule" gedrüngt und es ruhig geschehen
 
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