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Aweiter Abschnitt. Sechstes Aapitel.

gelangen könne. Jn solcher Zeit aber treten die Lebenszüge des Einzelnen,
der im friedlichen Kreise bürgerlichen Wirkens und Denkens dem Kampfe
weder helfende, noch hemmende Hand reichen kann, mehr und mehr in
Schatten. Wenn wir uns an diejenigen Kunstleistungen Cranach's halten,
die durch eine beigesügte Jahreszahl über das Jahr ihrer Entstehung
Auskunft geben, so giebt es nur einige wenige Bilder, die aus der Zeit
bis zum Jahre 1525 seine künstlerische Thätigkeit bekunden können. Wie
Luther's Gestalt es ist, die vor allem in dieser Zeit über die ringenden
und hadernden Parteien sich lanter und gewattig erhebt, so ist sie es auch,
die uns in dieser Zeit wiederholt aus Cranach's Kunstwerkstatt entgegen-
tritt. Die Wittenberger Stiftskirche besaß bis zum Jahre 1760, wo ein
wesentlicher Theil ihrer Kunstschätze vernichtet ward, ein Portrait Luther's,
das ihr im Jahre 1740 von dem Wittenberger Professor Kirchmaier
verehrt worden war, der dasselbe von seinen, von Cranach abstammenden
Vorfahren ererbt hatte. Es trug Cranach's Monogramm und die Jahres-
zahl 1523, war wie wohl alle Cranach'schen Lutherportraits nach dem
Leben gemalt und soll eines der vorzüglichsten Cranach'schen Lutherbilder
gewesen seinT Vielleicht ist ein angeblich Cranach'scher Kupferstich mit
der Jnschrift „des Luther's Gestalt 1523" eine Kopie nach diesem ver-
lorenen Bilde; er' zeigt uns Lnther noch einmal in der Tracht eines
Angustinermönches, die er zum äußeren Zeichen, daß er die Fesseln
hierarchischer Willkür nnd klösterlicher Gelübde gänzlich gebrochen, und
nachdem sich das Wittenberger Augustinerconvent gänzlich ausgelöst hatte,
allerdings bald nachher für immer ablegte; denn schon am 9. October l522
hatte er zum erstenmal in dem ihm vom Chursürsten geschenkten Priester-
ornate von schwarzem Tuche gepredigt? Das Erscheinen eines anderen
Cranach'schen Kupferstichs von demselben Jahre sindet seine Erklürung
und die Bestätigung seiner Echtheit in dem bereits erwähnten Umstande
(s. S. 158), daß im Jahre 1523 Cranach's Haus den vertriebenen König
Christian II. von Dänemark als Gast beherbergte. Das mit Cranach's
Monogramm versehene Blatt zeigt diesen unglücklichen und verblendeten
Fürsten im Brustbilde, mit bedecktem Haupte und nüt einer Einfassung
von neun Wappen, während die lateinische Unterschrift alle Titel seiner ver-
lorenen Herrschaft aufführt.b Auch befindet sich in dem Bildersaale der
Ntoritzkapelle zu Nürnberg ein muthmaßlich von Cranach herrührendes

^ S. Kirchnmier's: Disc^uisitio Nistories. äo NartiQi DutNori oris ot vuttus Nuditu
tioroioo (1750) S. 41.

^ Huber I, 134; Füßli II, S. 931.

^ S. Heinecke IV, S. 415.
 
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