Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Lübke, Wilhelm
Grundriss der Kunstgeschichte — Stuttgart, 1864

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2899#0274
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
254 Drittes Buch. Die Kunst des Mittelalters.

ZWEITES KAPITEL.
Die Kunst des Islam.

1. Charakter und Kunstgeist der Araber.

Dem Orient sollte der Monotheismus in einer andern Gestalt als die
des Christenthums war, vermittelt werden. Zwar hatte auch der Osten
sich nicht ganz der christlichen Lehre verschlossen, allein vielfache Strei-
tigkeiten und Heresien hatten die Form derselben bald entstellt. So blieb-
es denn Mohamed vorbehalten, den Glauben an den einzigen Gott unter
den Völkern des Ostens zu verbreiten. In seinem Vaterlande Arabien
hatte schon von Alters her der Glaube Abrahams geherrscht, und die
Araber leiteten ihre Abstammung von dem Erzvater der Israeliten ab,
wie ja auch ihre Sprache zu der semitischen Gruppe gehört. Allein roher
Götzendienst, daneben die von -den Chaldäern ausgegangene Verehrung der
Gestirne war allgemein eingedrungen, und selbst an Bekennern der mosai-
schen und der christlichen Lehre fehlte es nicht. Wie in religiöser, so-
war auch in anderer Beziehung das Volk Arabiens in viele meist feind-
selige Stämme gespalten, die sich in erbitterten Fehden aufrieben. Da
war es Mohamed, der in glühender Begeisterung den alten reinen Glauben
seines Stammes wieder zur hellen Flamme anfachte und mit der Kraft der
Ueberzeugung und der Gewalt des Schwertes ihn als eine neue Lehre über
ganz Arabien ausbreitete.

Die Art des Landes und seiner Bewohner war solchem Beginnen
günstig. Eine felsige, kahle Hochebene, ohne Flüsse, ohne Kostenent-
wicklung, liegt Arabien, obwohl auf drei Seiten von Meeresarmen um-
schlossen, doch von der See abgewandt. Der Geist seines Volkes wurde
daher nicht in die Ferne zur Meerfahrt getrieben, sondern dem schwei-
fenden Nomadenleben zugeführt. In der unabsehbaren Oede der Wüste,
unter dem glänzenden wolkenlosen Firmament, von welchem die Gestirne
der nördlichen und der südlichen Hemisphäre herabglänzen, bildete sich
ein ebensowohl zu phantastischer Ueberschwenglichkeit wie zu scharf ein-
seitigem Verstandesgrübeln neigender Sinn aus. Wie keine bestimmten
Linien den Horizont des Wüstensohnes umgrenzen, keine mannichfachen
Formen des Bodens und einer reichen Pflanzenwelt seinem Blick Anhalts-
punkte gewähren, in deren Erfassung er zu plastischer Beschränkung ge-
langen könnte, so schweift auch sein geistiges Auge ins Unbegrenzte,
 
Annotationen