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Lübke, Wilhelm
Grundriss der Kunstgeschichte — Stuttgart, 1864

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https://doi.org/10.11588/diglit.2899#0633
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Kap. V. Die nord. bild. Kunst im 15. u. 16. Jahrh. 1 Bildnerei. 613

aber die Thore einer neuen Zeit, die dann später diesen Vorgang sich
nach Kräften zu Nutzen machte. Als Gehülfen dieser Arbeiten hatte er
seine vier Söhne herangebildet, und diese fünf rüstigen Meister über-
schwemmten dann die Galerieen mit einer Fluth von Bildern, die ohne
besondern Eeichthum der Erfindung eine starke Familienähnlichkeit zeigen
und in ihrer Weise eine tüchtige Auffassung niederer Lebenssphären
bekunden.

FÜNFTES KAPITEL.
Die nordische bildende Kunst.im 15. und 16. Jahrhundert.

1. Die Bildnerei.

Mit dem Beginn des 15. Jahrhunderts regt sich auch im Norden jener
realistische Sinn, der die Kunst des Mittelalters verdrängen und der mo-
dernen auf dem Studium der Natur beruhenden Auffassung den Sieg ver-
schaffen sollte. Wie es scheint waren es zuerst die zahlreichen Bildniss-
darstellungen der Grabmäkr, an denen das Bedürfniss nach möglichst
treuer Wiedergabe des individuellen Charakters eine vollere, schärfere
Ausprägung der Form zur Folge hatte. Selbst im Laufe des 14. Jahr-
hunderts war diese Sichtung schon zu bemerkenswerthen Resultaten ge-
kommen, wie die früher (S. 427 ff.) erwähnten Bildhauerschulen von Tournay
und Dijon beweisen. Mit der gesteigerten Uebung wuchs nun bald das
Verlangen, auch den idealen Gestalten der heiligen Geschichte eine ähn-
liche Vollkommenheit der körperlichen Erscheinung zu geben; bald wett-
eiferte die Malerei mit der Skulptur und wirkte auf letztere um so ent-
schiedener zurück, als damals beide Künste aufs Innigste zusammenhingen.
Wenn gleichwohl die nordische Plastik im Ganzen nicht die Höhe der
italienischen erreicht, so liegt das theils am Mangel antiker Anschauungen,
am Fehlen des für die höhere Vollendung so nothwendigen Marmormate-
riales, theils aber und viel mehr noch an dem zu sehr auf das Einzelne
gerichteten Streben und an einer starken Hinneigung zum Phantastischen,
durch welche die grosse, ruhige, harmonische Auffassung des Ganzen nach
seinen wesentlichen Hauptzügen sich nur selten Bahn brechen konnte.
 
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