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Lübke, Wilhelm
Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart — Leipzig, 1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.26748#0074

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52

Erstes Buch.

Phönizier.

sichtbaren Felskuppen über treppenförmiger Terrasse aufragend, haben sie an
den Ecken des stark verjüngten Baues schwerfällige, aber in ihrer Art und
an ihrem Platze ausdrucksvolle Rundsäulen auf rechtwinkligen Plinthen und
mit flachem Gesimsband als Kapital, von welchem kräftige Rundbögen zur
Verbindung mit den benachbarten Ecken sich aufschwingen. Die Bekrönung
des Ganzen besteht aus einer Art von Zinnenkranz. In ihrer derben Kraft
geben diese Denkmäler ein Zeugniss von der frischen Tüchtigkeit des Sinnes,
der sie hervorgerufen hat.

Bei aller Lückenhaftigkeit der bis jetzt geführten Untersuchungen sind
immerhin die sassanidischen Werke ein merkwürdiges Glied in der Kette der
Entwicklung, welches die alte Kultur des Orients mit der durch den Islam
repräsentirten Kunstform des Mittelalters verbindet.

VIERTES KAPITEL.

Phönizische und hebräische Baukunst.

Schon im zweiten Jahrtausend v. Chr. sassen an dem schmalen Küsten-
saume Syriens, der sich in einer Länge von etwa dreissig Meilen erstreckt, die
Phönizier, eines der rührigsten Völker des Alterthums. Von semitischer
Abstammung, ausgestattet mit der dieser Volksart eigenen Beweglichkeit, mit
ihrem praktischen Spürsinn und ihrem rastlosen Streben nach Erwerb, wussten
die Phönizier sich frühzeitig als kühne Seefahrer zu Herren des Mittelmeeres
zu machen. Ihre Schiffe drangen nördlich bis zu den Küsten des Schwarzen
Meeres, westlich bis nach Spanien und selbst zu den entlegenen britannischen
Gestaden. Dort holten sie Zinn und den im Alterthum hochgeschätzten Bern-
stein, in Spanien fanden sie Ueberfluss an Silber, Gold und andern Metallen,
die sie von den Eingeborenen für werthloses Spielzeug eintauschten. Aber
auch mit den alten Kulturvölkern des Morgenlandes standen,sie in regem
Verkehr. Ihre Karavanen waren mit den Erzeugnissen des babylonischen
Kunstfleisses beladen, wie sie denn Maass und Gewicht der Babylonier an-
nahmen und den Griechen übermittelten. Aegyptens und Arabiens Produkte
wussten sie auf dem Weltmärkte zu verwerthen; ja von der nördlichen Spitze
des Rothen Meeres aus machten ihre Schiffe einen Entdeckungszug nach den
fernen Gestaden Indiens, von wo sie Gold, Edelsteine, Elfenbein, Sandelholz,
Affen und Pfauen zurückbrachten. Ihre vorgeschobene Weltlage machte sie
zu Vermittlern des Morgenlandes und Abendlandes; auf ihren gebrechlichen
Fahrzeugen trugen sie die hochentwickelten Kulturen Aegyptens und Babylons
an alle Gestade des Mittelländischen Meeres, zu den alten Bevölkerungen Grie-
chenlands, der Inseln, Italiens, ja selbst Spaniens und den westlichen und
nördlichen Küsten Afrika’s. Ueberall gründeten sie Kolonien, kaufmännische
Niederlassungen, betrieben den Bergbau, suchten nach Purpurschnecken und
gaben ohne Zweifel den ersten Anstoss zum Erwachen eines abendländischen
Kulturlebens.
 
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