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Lübke, Wilhelm
Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart — Leipzig, 1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.26748#0176

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154

Zweites Bach.

Geschicht-

liche

Stellung.

Räume, fehlt bei ihnen oder ist doch im höheren Sinne bedeutungslos, da sie
nicht über die Holzconstruction hinausging. Auch über die alten Völker
Kleinasiens lässt sich aus denselben Gründen nichts Günstigeres sagen.
Wichtiger erscheinen die Inder und Aegypter. Beide haben einen gross-
artigen Tempelbau geschaffen, beide den Steinbau mit flacher Bedeckung der
Räume in imponirender Weise zur Anwendung gebracht. Aber die einseitige
Begabung beider Völker liess es nicht zu einer harmonischen Durchbildung
kommen. Die Einen taumeln in einer sinnverwirrenden Formensprache umher,
in ungezügelter Willkür schweifend, die Andern vermögen sich aus einer
gewissen nüchternen typischen Erstarrung nicht zu Schöpfungen lebendiger
Freiheit zu erheben. Die Bauwerke Beider sind Aggregate, lose Vereinigungen
mannichfacher Theile, zu denen sich immer neue Ansätze und Erweiterungen
fügen Hessen. Zugleich ist ihre architektonische Formensprache eine unklar
stammelnde oder eine starr beschränkte, in äusserer Willkür dem Körper des
Baues aufgeheftet, statt dass sie die naturgemässe, von Innen herausspriessende
Bliithe desselben, der klare Ausdruck des inneren Wesens, sein sollte.

Erst der griechische Tempel steht, mit Beseitigung aller Willkür, als
hoher, vollkommen abgeschlossener Organismus da. Sein constructiver Grund-
gedanke ist die gerade Ueberdeckung mit Steinbalken, dasjenige Princip,
welches bei aller ihm anhaftenden Beschränkung den unbestreitbaren Vorzug
der grössten Einfachheit, des völlig Naturgemässen für sich hat. Indem er
dasselbe zu seiner erdenklich höchsten Ausbildung führt, prägt er allen seinen
Formen bis in die kleinsten Profile denselben Charakter schöner Einfachheit,
Gesetzmässigkeit und Klarheit auf. Hier ist Nichts willkürlich liinzugetlian;
Alles wächst wie von einer Naturkraft getrieben aus dem edlen Gliederbau
hervor. So ruht er in heitrer Würde, in stiller Befriedigung, breit hingelagert,
als die Krone der schönheitprangenden Landschaft, die ihn umgibt. So er-
hebt er sich vor unserem Auge, in plastischer Geschlossenheit, leuchtend und
klar, mit siegreicher Hoheit, wie jene Göttergestalten des alten Hellas.

ZWEITES KAPITEL.

Die etruskische Baukunst.

Die Griechen traten vom Schauplatze geschichtlichen Lebens ab, um in
der unterschiedlosen Masse des römischen Weltreiches aufzugehen. Aber sie
gingen nicht darin unter. Obwohl unterjocht, prägten sie ihren Besiegern den
Stempel ihrer Cultur siegreich auf. Besonders aber traten die Römer die Erb-
schaft dessen an, was jenes hochbegabte Volk in den bildenden Künsten her-
vorgebracht hatte, nicht allein indem sie die Fülle idealer Schöpfungen, mit
welchen die griechischen Städte und Gebiete überreich prangten, als will-
kommene Kriegsbeute heimschleppten, um ihre Tempel und Paläste damit zu
schmücken, sondern noch weit mehr, indem sie den Styl jener Kunst auf die
 
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