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Lübke, Wilhelm
Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart — Leipzig, 1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.26748#0232

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210

Drittes Buch.

da er zu sehr in die phantastische Unklarheit des Orients aufging, um dem
Geistesleben seine höchsten Bliithen entlocken zu können. Die Cultur wandelt
stetigen Schrittes von Osten nach Westen, und so sind es jetzt die Völker des
Abendlandes und das durch sie aufgenommene Christen tlmm, welche fortan
die Träger der Entwicklung werden.

Neue Eicii- Aber ganz unmerklich und allmählich wand sich dieser neue Geist aus
Umg' dem Schoosse des alten hervor. Im tieferen Geistesleben der Völker gibt es
keine schroffen Sprünge wie in unseren Geschichtsbüchern, wo ein Abschnitt
zwei Culturepochen mit einem Federstriche sondert. In allem inneren Leben
ist ein ununterbrochener Zusammenhang wie im Reiche vegetativer Natur.
Da keimen auch schon, während die alten Halme welken, still und verborgen
die neuen Triebe hervor, und ehe noch jene sich ganz aufgelöst haben, über-
rascht uns bereits ein junges grünendes Leben. Dies allmähliche Wachsthum
tritt in der Geschichte vielleicht nirgend klarer hervor, als gerade in dieser
bedeutungsschweren Epoche. Wie die junge Welt sich schon mitten im Verfall
der alten bemerken liess, so belauschten wir auch in der Architektur bereits
die Elemente, welche zukunftverkündend auf eine neue Entwicklung hinwiesen.

Verhäitniss Darum lässt sich auch für die Architektur eben so wenig wie für das

Architektur. Leben überhaupt hier ein scharfer Abschnitt machen, der in einem äusser-
lichen Factum seinen Markstein hätte. Weder Constantin’s Erhebung des
Christenthums zur Staatsreligion, noch die Trennung des weströmischen und
oströmischen Reiches, noch endlich der Untergang des ersteren. bildet einen
solchen Wendepunkt. Vielmehr bedarf der neue Geist, bedarf das Christen-
tlmm noch immer der alten heidnischen Formen, und diese Uebergangsstellung
behält die Architektur während dieses ganzen Zeitraumes. Denn sie ist
jetzt nicht mehr Aufgabe eines Volkes, sondern der ganzen
Menschheit. Eine durchgreifende Neugestaltung konnte sie erst erfahren,
nachdem die Stürme der Völkerwanderung einerseits die zu mächtig inrpo-
uirenden Zeugnisse antik-römischen Lebens zum grossen Theil zerstört,
andrerseits frische Culturvölker auf den Vordergrund der Weltbühne geworfen
hatten, die dem neuen Inhalt die neue Form zu schaffen vermochten. Gleich-
wohl erfuhr schon in der ersten Epoche die Architektur manche Umgestaltun-
gen, die ihr inneres Wesen scharf berührten und für die Folgezeit zu wich-
tigen Momenten der Entwicklung wurden. Wie diese Kunsttliätigkeit sich in
zwei verschiedenen Richtungen entfaltete, deren Mittelpunkte Rom und die
neugeschaffene Hauptstadt des oströmischen Reiches, Constantinopel, bilden,
ist im Folgenden näher zu erörtern.

2. Der altchristliche BasilikenBau.

Anfänge. Während der ersten Zeiten des Druckes und der Verfolgung mussten die
jungen christlichen Gemeinden heimlich in den Häusern der Begüterteren unter
ihnen, in den Katakomben oder an anderen verborgenen Orten Zusammen-
kommen, um die stille Feier ihrer Liebesmahle zu begehen.

Katakomben. Die Katakomben*) sind die unterirdischenBegräbnissplätze der ersten
christlichen Jahrhunderte. Bis in das 5. Jalirh. hinein erhielt sich bei den
Christen die aus dem hohen Alterthum stammende Sitte, ihre Angehörigen in
unterirdischen Grüften beizusetzen. Man grub zu dem Ende ein ausgedehntes

*) Vergl. Perret, Les catacombes de Rome. Paris. Fol.
 
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