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Lübke, Wilhelm
Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart — Leipzig, 1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.26748#0275

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Drittes Kapitel. Altchristliche Baukunst bei den Germanen.

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zu Lorsch*), eine zweistöckige Anlage, unten mit offenen Arkaden zwischen
vorgelegten korintliisirenden Wandsäulen, oben mit Fenstern und einer ioni-
sirenden Pilasterstellung, die ganzen Flächen mit rothem und weissem Marmor
mosaikartig incrustirt. Möglich, dass Eginhard, der gelehrte Freund Karl’s
des Grossen, wie Ku'gler vermuthet hat, Urheber und Veranlasser des Baues
war, dessen erstrebte Classicität damit wohl ihre Erklärung fände.

In den übrigen Kirchenbauten der Karolingischen Zeit hielt man sich an Basiliken,
die Basilikenanlage, die besonders für die klösterlichen Gotteshäuser — und
an diesen entwickelte sich zunächst ausschliesslich der Styl der Architektur —
am passendsten erschien. Glücklicher Weise hat sich aus jenen Tagen ein
Grundriss erhalten, welcher für den Neubau der Abteikirche zu S. Gallen**) Kirche zu
von einem Baumeister am Hofe Ludwig’s des Frommen um das Jahr 820 ent-
worfen wurde und noch auf der dortigen Bibliothek aufbewahrt wird. Hier
zeigt sich die Form der flachgedeckten, dreischiffigen Basilika mit Säulen-
arkaden. Aber sie tritt bereits mit wesentlichen Zusätzen und Veränderungen
auf. Als die wichtigste unter diesen erscheint es, dass am Westende der
Kirche, der östlichen Hauptapsis gegenüber, eine zweite halbkreisförmige
Nische angeordnet ist. Man erklärt diese Einrichtung aus dem ritualen Ge-
brauche, nach welchem der Chor der Mönche sich beim Gottesdienste, des
altemirenden Chorgesanges wegen, in die beiden Tribünen vertheilte. Sodann
ist die östliche Apsis durch eine Verlängerung des Mittelraumes und Anfügung
eines Querschiffes als vollständiger Chor entwickelt, unter dessen erhöhtem
Boden die Krypta liegt. Endlich stehen zu den Seiten der westlichen Nische
zwei runde Thtirme, jedoch in losem Zusammenhänge mit dem Baue. - In
ähnlicher Grundform mit zwei Chören und zwei Krypten entstand im Anfänge
des 9. Jahrh. die Salvatorkirche zu Fulda, von der freilich nur Nach-
richten auf uns gekommen sind. Aber dieselbe bedeutsame Anlage ging auch
auf den alten Dom zu Köln (vollendet 873) über. Eine Nachbildung des
h. Grabes, wie sie während des ganzen Mittelalters vielfach ausgeführt wurde,
ist aus jener Zeit noch in der Michaeliskirche zu Fulda erhalten, welche
822 vollendet wurde und im Wesentlichen die ursprüngliche Anlage noch jetzt
zeigt. Ein runder Kuppelbau von 36 Fuss Durchmesser ruht auf acht stark
verjüngten Säulen mit antikisirenden korinthischen Kapitalen, welche ein nie-
derer Umgang umzieht. Die darunter befindliche Krypta hat in der Mitte eine
schwerfällige Säule mit ionischem ßapitäl. Diese Art mühsamer Nachbildung
antiker Formen ist ein unzweifelhaftes Zeugniss für das Alter der betreffenden
Bauwerke. Demnach darf man ebenso die Vorhalle der Abteikirche zu
Corvey in Westfalen (vom J. 885), sowie die Krypta der Wipertikirclie
zu Quedlinburg (10. Jahrh.) noch als Bauten vom Schluss dieser Epoche
betrachten. An der Grenze derselben steht endlich noch die kleine dreischiffige
Bartholomäuskapelle beim Dom zu Paderborn mit ihrem Kuppelgewölbe
auf schlanken seltsam antikisirenden Säulen, welche Bischof Meinwerk im An-
fang des 11. Jahrh. „durch griechische Werkleute“ ausführen liess.

Dass ein Bau wie das Aachener Münster auch in der Folgezeit mehrfach k. zu ott-
zur Nachahmung reizte, beweisen die kleine wohlerhaltene, den Charakter der“t, e!^““.11,
Mittte des 11. Jahrh. tragende Kirche zu Ottmarsheim im Eisass und der

*) 6. Möller, Denkmäler der deutschen Baukunst Darmst^dt 1821. I. Bd.

**) Im Facsimilc herausgegeben von F. Keller, Bauriss des Klosters von St. Gallen vom Jahre 820.
Zürich 1844.
 
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