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Lübke, Wilhelm
Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart — Leipzig, 1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.26748#0283

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ERSTES KAPITEL.

Die Völker des Islam.

Die christlichen Völker waren nicht die einzigen, welche sich der rö- oeschicht-
mischen Bautradition bemächtigten, um das Ueberlieferte in neuem Geiste fort- ’Yihe
zubilaen: Ehe wir den weiteren Verlauf dieses wichtigen Entwicklungspro-

zesses in’s Auge fassen können, haben wir die Aufmerksamkeit auf eine andere
Völkergruppe zu lenken, welche, ebenfalls durch den Impuls eines neuen
Religionssystems, in besonderer Weise an der Ausbildung der grossen Hinter-
lassenschaft antiker Architektur arbeitete. Nur mischten sich hier schon
manche Elemente altchristlicher Bauweise, besonders in byzantinischer Fas-
sung, hinzu, welche mit aufgenommen wurden und, in Gemeinschaft mit dem,
was die Völker des Islam an eigenem geistigen Inhalt hinzuzufügen hatten,
dieser Architektur einen höchst eigenthümliehen Mischcharakter aufprägten.

So bildete sich ein besonderes bauliches System aus, vorwiegend den Ländern
des Ostens angehörend, doch auch auf einigen Punkten keck zwischen die
abendländisch-christliche Bauweise sich vordrängend, jedenfalls im Wesen und
der äusseren Stellung streng von dieser geschieden, doch aber in der Folge,
wie wir sehen werden, nicht ohne Einfluss auf eine bedeutsame Umgestaltung
derselben. Wir schieben die Betrachtung dieses Styles wie eine Episode
hier ein, obwohl derselbe uns in seinem weiteren Verlaufe über die Grenzen
selbst des späteren Mittelalters hinausführen wird, da er in seinem weiten Ge-
biete selbstständig neben den architektonischen Bestrebungen des christlichen
Abendlandes hergegangen ist. Für kurze Zeit verlassen wir also den Haupt-
strom geschichtlicher Entwicklung und folgen den anziehenden Windungen
eines Seitenarmes, der freilich gar bald im Sande sich verläuft und der Stag-
nation verfällt.

Als im J. 61 0 nach Chr. Mohamed sieb zum Propheten Allah’s aufwarf Ausbreitung
und in zündender Begeisterung das leicht erregbare Volk der Araber mit sich desIslam-
fortriss, war keine Macht vorhanden, welche dem Eroberungsdrange dieser
kriegslustigen Massen mit Erfolg hätte Widerstand leisten können. Aegypten,
die Nordküste Afrikas, Sicilien und Spanien, Syrien, Persien und Indien wurden
von den Feldherren der Kalifen in unglaublich kurzer Frist unterworfen, so
dass nach kaum hundert Jahren der Halbmond von der Südspitze Spaniens
bis zu den Finthen des Ganges herrschte.

Das Geheimniss dieser wunderbar rapiden Erfolge lag grösstentheils im Religion.
Wesen der Lehre Mohamed’s begründet. In ihrem überwiegend sinnlich auf-
gefassten Monotheismus, in dem seltsamen Gemisch von strenger Unterwerfung
 
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