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Lübke, Wilhelm
Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart — Leipzig, 1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.26748#0669
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Zweites Kapitel. ^Renaissance in Italien.

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das Material in seinem wahren Wesen gezeigt und nach seinen Eigentüm-
lichkeiten behandelt wird. Der Quaderbau ist oft, namentlich an den Erd-
geschossen, den Ecken und Fenstereinfassungen, mit jenen breiten, tief ein-
geschnittenen Fugen zwischen den einzelnen Werkstücken (Bossagen) aus-
geführt, was einen besonders tüchtigen, derben Eindruck macht. Daher der
Name Rustika (bäuerliche Ordnung). Die Technik ist durchweg streng und
gediegen. Diese Eigenschaften entsprechen getreu dem Charakter der Zeit,
der sich mitten in menschlich freier Empfindung noch in den Schranken schöner
Mässigung zu halten weiss. Noch hat die Auflösung des mittelalterlichen
Lebens nicht alle Kreise ätzend durchdrungen, die äusseren Bande und Formen
stehen überall in andauernder Geltung und lassen selbst den Regungen des
neuen Geistes, die sich zu voller Consequenz noch nicht entfaltet haben, freien
Spielraum.

Der erste Begründer der modernen Baukunst ist der berühmte Floren-Bruneiiesco.
tiner Filippo Bruneiiesco (1377 bis 1446). Nach eifrigem Studium der antiken
Baureste entschied er sich mit klarem Blick für die Wiederaufnahme der römi-
schen Formen, denen er durch die Gewalt seines hohen Geistes die Herrschaft
sicherte. Jene Versammlung von Baumeistern aller Nationen, welche im Jahre
1420 behufs der Vollendung des Doms zu Florenz, namentlich wegen Aus-Domimppei
führung der Kuppel, dorthin zusammenberufen worden war, sah die Geburts-z" oreilZ'
stunde des neuen Styles. Es galt ein Werk zu errichten, das an Kühnheit bis-
her seines Gleichen nicht hatte. Bruneiiesco wies die Ausführbarkeit seines
Planes nach und fand die Beistimmung der Republik. Seine Kuppel, (vgl. den
Grundriss auf S. 604 und den Durchschnitt Fig. 518) die erste, welche mit
einer doppelten Wölbung, einer inneren und einer äusseren (Schutzkuppel),
und obendrein ohne Lehrgerüste aufgeführt wurde, erhebt sich bei einem
Durchmesser von 130 Fuss zu einer Scheitelhöhe von 280, und mit der
Laterne bis zu 330 Fuss. Obwohl ihre Wirkung durch die spätere Bemalung,
statt deren Bruneiiesco Mosaiken beabsichtigt hatte, geschwächt wird, obwohl
die äussere Decoration so wie die aufgesetzte Laterne erst nach des Meisters
Tode durch Giuliano da Majano im J. 1461 ausgeführt worden ist, darf man
das Verdienst Brunellesco’s dabei nicht gering anschlagen. Es beruht haupt-
sächlich auf der Anlage und Durchführung eines hohen Tambours, der durch
Rundfenster sein Licht empfängt, und über welchem die schlanke Kuppel in
elliptischer Schwingung aufsteigt (Fig. 517). Allerdings sind die antiken Formen •
hier noch nicht zu einem festen System gestaltet, auch verbinden sie sich noch
mit mittelalterlichen Elementen, so namentlich mit dem Spitzbogen, auf welchen
schon die nothwendige Uebereinstimmung mit dem übrigen Bau hinwies; wo
dagegen dem Meister völlig freie Hand gelassen war, zeigte er klar und be-
stimmt, in welchen Formen er den Ausdruck seiner künstlerischen Ueber-
zeugung fand. Bei der Kirche S. Lorenzo, die er seit 1425 erbaute, griff ers. Lorenzo.
zur Form der Säulenbasilika zurück mit Kreuzgewölben über den Seitenschiffen
und mit nischenartigen Kapellen, die er nach antiken Vorbildern mit Pilastern
und Gesimsen decorirte. Auf dem Kreuzschiff ordnete er eine Kuppel ohne
Tambour an. Am wichtigsten war dabei, dass er der Säule das ganze Gebälk-
stück, welches sie im Mittelalter beseitigt hatte, wieder aufzwang, und erst
vom Gesims desselben die Arkadenbögen aufsteigen liess. Allerdings wurde
dadurch die Gestalt der letzteren schlanker und freier, aber der Zwiespalt zwi-
schen Säulenbau und Bogenbau war in seiner ganzen Schärfe wieder her-
gestellt. Der Chor ist rechtwinklig geschlossen, das Kreuzschiff mit kleineren
 
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