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Maeterlinck, Maurice; Oppeln-Bronikowski, Friedrich von [Übers.]
Der Schatz der Armen — Florenz, Leipzig, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.37324#0053
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ins ist not, sagt Novalis, das ist, un-
ser transcendentales Ich aufzusuchen.
Dieses Ich gewahren wir zuweilen
in den Worten Gottes, der Dichter
und Weisen, auf dem Grunde einiger
Freuden und Leiden, im Schlag in der
Liebe,in denKrankheiten und in uner-
warteten Verkettungen, wo es uns von
ferne winkt und uns mit dem Finger
unsre Beziehungen zum Weltall weist.
Einige Weise befleissigten sich nur
dieses Suchens und schrieben jene
Bücher, wo nur das Ausserordentliche
herrscht. „Was wäre in den Büchern
von Wert", sagt unser Autor, „wenn nicht dasTranscendentale und Ausser-
ordentliche?" Sie waren wie Maler, die sich bemühten, im Finstern eine
Ähnlichkeit zu erhaschen. Die Einen warfen abstrakte Bilder hin, sehr
gross, aber fast unkenntlich. Den Andren gelang es, eine gewöhnliche
Haltung oder Gebärde des höheren Lebens zu bannen. Mehrere dachten
sich seltsame Wesen aus. Die Zahl dieser Bilder ist gering. Sie ähneln
sich niemals. Einige sind sehr schön, und wer sie nicht gesehen hat, gleicht
einem Manne, der sein Leben lang nie am Mittag ausgegangen ist. Es giebt
welche, deren Linien reiner sind als die Linien des Himmels; und dann
scheinen uns diese Figuren so entfernt, dass wir nicht wissen, ob sie leben
oder nach unserm Bilde gezeichnet wurden. Sie sind das Werk der reinen
Mystiker; der Mensch erkennt sich darin noch nicht wieder. Andre,welche
man die Dichter nennt, sprachen uns mittelbar von diesen Dingen. Eine
dritte Gruppe von Denkern, die den alten Mythus von den Centauren
um Einen Grad erhob, hat uns von dieser verborgenen Identität ein zu-
gänglicheres Bild gegeben, in dem sie die Linien unsres erscheinenden
Ich mit denen unsres höheren Ich verschmolz. Das Antlitz unsrer gött-
Xj— liehen Seele lächelt da zuweilen über der Schulter ihrer Schwester, der
T1 menschlichen Seele, die über die niedre Notdurft des Denkens gebeugt
 
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