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Malkowsky, Georg [Compiler]
Die Pariser Weltausstellung in Wort und Bild — Berlin, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.1250#0034
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Die Pariser Weltausstellung in Wort und Bild.

Dreifache Expansions-Dampfmaschine von A. Borsig, Tegel und Berlin.

fte auf der Ausstellung mit 83!/a Umdrehung pro Minute, bei 9,5 Atm. Eintrittsspannung laufende Maschine ist stehend,
mit geteiltem Niederdruckcy linder nach dem Tandem-System angeordnet und leistet bei 90 Umdrehungen in der Minute,
14 Atm. Eintrittsspannung, Kondensationsbetrieb und 20facher Expansion 2500 Pferdestärken. Ihr Hochdruckcylinder hat
einen Durchmesser von 760 mm, der Mitteldruckcylinder 1180 mm, jeder der beiden Niederdruckcylinder 1340 mm; der
Kolbenhub beträgt 1200 mm. Die zweiteilige Grundplatte der Maschine ist mittlings zu einer Mulde ausgebaucht, in der sich
das gesamte abtropfende Schmieröl sammelt; zwei Druckpumpen führen dasselbe zu einem Reiniger, von dem es zu einem
oberhalb des zweiten Stockwerks der Maschine befindlichen Behälter gedrückt wird. Von diesem fliesst das Oel zu zwei auf
der Bühne des zweiten Stockwerkes befindlichen Verteilen!, die es dem Gestänge und den Lagern zuführen. An dem einen
Ende der zweiteiligen Kurbelwelle befindet sich eine, zum Antrieb zweier stehender Luftpumpen dienende Kurbelscheibe,
mit dem andern Ende der Kurbelwelle ist die Dynamowelle gekuppelt; zwischen Grundplatte und Dynamoiager ist das
41 000 kg wiegende Schwungrad angeordnet. Die Steuerung aller Cylinder
wird von zweisitzigen Ventilen mit Oeäkatarakten Patent Collmann besorgt,
die sich in entsprechenden Ausbauten der Cylinder befinden; eine hinter
den Niederdruckcy lindern sechsfach gelagerte Welle, die sämtliche Steuer-
excenter trägt, bethätigt die Steuerung. Sämtliche Ventilantriebe und
Hahnzüge werden von einer Bühne aus bedient, die über der Grund-
platte aufgebaut ist; die Messgeräte und eine Uhr sitzen an dem Firmen-
schild, das an der Bühne des ersten Stockwerkes befestigt ist. Der
Frischdampf gelangt aus dem von der Kesselhalle kommenden Kanal zu
dem Hauptventil, das sich zwischen dem Mittel- und Hochdruckcylinder
befindet, mit letzterem durch ein langes Rührstück verbunden. Vom
Hochdruckcylinder gelangt der Dampf durch eine kupferne Horizontal-
leitung zum Mitteldruckcylinder, von dort durch ein gleichfalls kupfernes
Vertikalstück in einen gusseisernen Kasten und von diesem in die Nieder-
druckcylinder. Von letzterem führt je eine Abdampfleitung hinunter zu
einer der beiden Luftpumpen, die auf der Kellersohle stehen, 2'/s ui
unter Flurhöhe.

Nach berühmten und erprobten Konstruktions-Grundsätzen entworfen,
in übersichtlicher und einfacher Anordnung sämtlicher Teile solide und
betriebssicher ausgeführt, wird die Borsigsche Maschine ihren Erbauern
und damit der deutschen Industrie sicherlich Ehre machen.

Kunst und Kunstgewerbliches.

Das Abendlied von Ludwig Manzel. Unter den Kunstwerken der
deutschen Künstlerabteilung nimmt Ludwig Manzels „Abendlied" einen
hervorragenden Platz ein. Der Meister des Stettiner Brunnens erweist
sich auch hier als ein national empfindender, von modernem Geiste er-
füllter Künstler. Wie die junge Schnitterin nach der Arbeit singend der
untergehenden Sonne entgegenschreitet, ist sie eine überaus anmutige,
von aller Sentimentalität freie Verkörperung gesunder Jugendfrische.

Wandbrunnen, Uhr und Bowle der Königlichen Porzellan - Manu-
faktur. Das Prunkstück der Ausstellung der Königlichen Porzellan-
manufaktur zu Berlin bildet ein Wandbrunnen, ein Kunstwerk, wie es in
solchem Umfang in dem zarten Material bisher, kaum hergestellt worden
ist. : Als Sammelbassin dient eine geräumige Schale. Auf ihrem Boden
ist allerlei Seegetier verstreut, dessen sich eine naive Putte mit aus-
gestrecktem Arme erwehrt. Ein Tritonenpaar hebt, sich umschlungen
haltend, eine Muschel empor. Aus ihrer Mitte steigt ein Felsstück auf,
über dem ein Adler seine Schwingen ausbreitet. Er trägt eine Putte, aus
deren Muschelinstrument der Wasserstrahl aufsteigt.

Herrscht in dem Wandbrunnen der Naturalismus vor, so bewegt sich
Wanduhr und Bowle mehr in der Formensprache der zweiten Hälfte des
XVIII. Jahrhunderts. Die bacchischen Motive der figürlichen Darstellung
schmiegen sich einem dekorativen Stil an, der zwischen Louis XV. und
Louis XVI. die Mitte hält.

Ausstellungs - Zickzack.

Die Pariserin auf der Höhe der Situation, Die fünf Meter hohe
Pariserin, von elektrischem Lichte umstrahlt, als anmutige Wirtin den
am Seinestrand zusammenströmenden Völkern die offene Hand ent-
gegenstreckend ist ein geradezu unentbehrliches Sym-feol der Weltaus-
stellung und der ihren Besuchern erwachsenden Kosten. Ihr Sturz wäre
ein Sieg des Philistertums gewesen, das an ihrer herrausfordernden Haltung
an ihrer modernen Toilette Anstoss nimmt. Die Herren haben vergessen,
dass wir im Jahrhundert der Emanzipation und des Femininismus ieben
und dass. die Französin mindestens mit demselben Rechte an der Spitze
der Civilisation marschiert wie der Franzose. Wenn sie sich für diesen
Triumphmarsch mit einem Tüchrock mit Spitzenkorsage und einem her-
melinbesetzten Theatermäntel von dem berühmten Kleiderkünstler Paquin
herausstaffieren lässt, so ist die einzige in Betracht kommende künstlerische
Frage, wie sich der Bildhauer mit dem Schneider abgefunden hat. Da
man dieser fünf Meter hohen weiblichen Anmut nur vermittelst eines Auf-
stieges auf die Kuppel beikommen kann, darf man die kritische Beurteilung
mit ruhigem Gewissen, schwindelfreien Aesthetikem überlassen.

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Die Statue der Pariserin auf der Kuppel des Hauptportals.

Verlag der Pariser Weltausstellung in Wen

und Bild, C. G.: Syndikus Dr. Halpert, Berlin. Fl
Druck von Julius Sittenfeld, Herlii

■ die Redaktion verantwortlich Dr. Georg Malkowsky, Berlin.
 
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