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Die Pariser Weltausstellung in Wort und Bild.
billig genug zu bewältigen gewesen. — Das Verkehrswesen
jener Zeit war zwar schon erheblich leistungsfähiger als 100-
und 200 Jahre früher; aber die Schranken der räumlichen
Gebundenheit zu zerbrechen, war unmöglich bei der geringen
Leistungsfähigkeit der Triebkräfte, auf die sich das Verkehrs-
wesen stützte. Die Kraft des Windes im Wasserverkehr und
die Kraft der Tiere im Landverkehr bezeichneten noch-im
Anfang des 19. Jahrhunderts die wirksamsten Kräfte, die dem
Verkehr zur Verfügung standen. Und wie wenig konnten sie
nach unseren Begriffen leisten! 1836 zog in Westfalen ein
Pferd durchschnittlich nur 18 Centner Nettolast, solange man
keine Steigungen zu überwinden hatte, und noch in den 50 er
Jahren, als wir zwar schon Eisenbahnen, aber noch kein
zusammenhängendes Eisenbahnnetz hatten, musste ein Dampf-
kessel von Aachen nach Russland mit 24 Pferden Vorspann
auf der Landstrasse langsam fortgeschleppt werden. Wo gute
Strassen bestanden und der Personenpostdienst zweckmässig
organisiert war, konnte man es allenfalls auf 10 km in der
Stunde bringen. Englische Postkutschen erreichten unter
Umständen auch wohl etwas mehr. Der gewöhnliche Sterbliche,
der die hohen Preise der Extraposten nicht anlegen konnte,
begnügte sich mit 6 und oft noch weniger Kilometer in der
Stunde. Manches wäre auch im Anfang des 19. Jahrhunderts
schon besser gewesen, hätte man nur mehr brauchbare Strassen
gehabt. Aber der Begriff einer
allgemeinen Wegsamkeit des
Landes, wie wir ihn haben,
war jener Zeit noch nicht auf-
gegangen. Preussen, das jetzt
neben seinen Bahnen noch
rund 90000 km brauchbarer
Landstrassen hat, wies nach
Reiterfigur von Professor R. Maison, München.
In Kupfer getrieben von G. Knodt, Frankfurt a. M.
Reiterfigur von Professor R. Maison, München.
In Kupfer getrieben von G. Knodt, Frankfurt a. If.
den Freiheitskriegen nur etwa 3000 km chaussierte
Wege auf.
Wie ist das alles anders geworden, seitdem uns
George Stephenson 1829 den Weg gezeigt hat, wie man
die Dampf kraft, die schon seit 60 Jahren den gewerblichen
Betrieb umzugestalten begonnen hatte, auch auf den
Landverkehr übertragen könne! Als 1851 in London die
erste Weltausstellung stattfand, hatte die Erde rund
40000 km Eisenbahn, jetzt sind es schon über % Mil-
lionen km, und mit Hilfe dieses riesigen Schienennetzes
setzen wir täglich viele Millionen von Menschen und
Gütertonnen in Bewegung, viel besser, viel sicherer,
■viel' schneller, viel pünktlicher und- doch viel billiger
als sonst.
Vor Einführung der Mail-coaches leisteten die.
englischen Posten nur 3V2 (engl.) Meilen in der Stunde.
Und doch reiste damals auch der einfache Bürger schon
erheblich schneller, als im 17. Jahrhundert selbst Könige
vorwärts kamen. Heut fahren uns die Schnellzüge
mit 60 und 70 km in der Stünde nicht schnell genug,
obwohl wir in Stunden Reisen machen, die sonst
Tage kosteten.
Dieselbe Triebkraft des Dampfes hat auch den Welt-
verkehr zur See völlig umgestaltet, seitdem Robert Fulton
1807 bewiesen hatte, dass die Dampfkraft auch für den
Wasserverkehr geeignet sei. Damit eröffnete sich der
Weg, um aus dem Seeverkehr nicht nur den Faktor des
grossen Zeitverlustes, sondern auch den einer sehr
störenden Abhängigkeit von nicht vorhersehbaren natür-
lichen Umständen bis auf einen geringen Rest auszu-
scheiden. Regelmässige Seeverbindungen mit fest-
bestimmten Zeiten, genau festgelegte „Seewege" und der-
Die Pariser Weltausstellung in Wort und Bild.
billig genug zu bewältigen gewesen. — Das Verkehrswesen
jener Zeit war zwar schon erheblich leistungsfähiger als 100-
und 200 Jahre früher; aber die Schranken der räumlichen
Gebundenheit zu zerbrechen, war unmöglich bei der geringen
Leistungsfähigkeit der Triebkräfte, auf die sich das Verkehrs-
wesen stützte. Die Kraft des Windes im Wasserverkehr und
die Kraft der Tiere im Landverkehr bezeichneten noch-im
Anfang des 19. Jahrhunderts die wirksamsten Kräfte, die dem
Verkehr zur Verfügung standen. Und wie wenig konnten sie
nach unseren Begriffen leisten! 1836 zog in Westfalen ein
Pferd durchschnittlich nur 18 Centner Nettolast, solange man
keine Steigungen zu überwinden hatte, und noch in den 50 er
Jahren, als wir zwar schon Eisenbahnen, aber noch kein
zusammenhängendes Eisenbahnnetz hatten, musste ein Dampf-
kessel von Aachen nach Russland mit 24 Pferden Vorspann
auf der Landstrasse langsam fortgeschleppt werden. Wo gute
Strassen bestanden und der Personenpostdienst zweckmässig
organisiert war, konnte man es allenfalls auf 10 km in der
Stunde bringen. Englische Postkutschen erreichten unter
Umständen auch wohl etwas mehr. Der gewöhnliche Sterbliche,
der die hohen Preise der Extraposten nicht anlegen konnte,
begnügte sich mit 6 und oft noch weniger Kilometer in der
Stunde. Manches wäre auch im Anfang des 19. Jahrhunderts
schon besser gewesen, hätte man nur mehr brauchbare Strassen
gehabt. Aber der Begriff einer
allgemeinen Wegsamkeit des
Landes, wie wir ihn haben,
war jener Zeit noch nicht auf-
gegangen. Preussen, das jetzt
neben seinen Bahnen noch
rund 90000 km brauchbarer
Landstrassen hat, wies nach
Reiterfigur von Professor R. Maison, München.
In Kupfer getrieben von G. Knodt, Frankfurt a. M.
Reiterfigur von Professor R. Maison, München.
In Kupfer getrieben von G. Knodt, Frankfurt a. If.
den Freiheitskriegen nur etwa 3000 km chaussierte
Wege auf.
Wie ist das alles anders geworden, seitdem uns
George Stephenson 1829 den Weg gezeigt hat, wie man
die Dampf kraft, die schon seit 60 Jahren den gewerblichen
Betrieb umzugestalten begonnen hatte, auch auf den
Landverkehr übertragen könne! Als 1851 in London die
erste Weltausstellung stattfand, hatte die Erde rund
40000 km Eisenbahn, jetzt sind es schon über % Mil-
lionen km, und mit Hilfe dieses riesigen Schienennetzes
setzen wir täglich viele Millionen von Menschen und
Gütertonnen in Bewegung, viel besser, viel sicherer,
■viel' schneller, viel pünktlicher und- doch viel billiger
als sonst.
Vor Einführung der Mail-coaches leisteten die.
englischen Posten nur 3V2 (engl.) Meilen in der Stunde.
Und doch reiste damals auch der einfache Bürger schon
erheblich schneller, als im 17. Jahrhundert selbst Könige
vorwärts kamen. Heut fahren uns die Schnellzüge
mit 60 und 70 km in der Stünde nicht schnell genug,
obwohl wir in Stunden Reisen machen, die sonst
Tage kosteten.
Dieselbe Triebkraft des Dampfes hat auch den Welt-
verkehr zur See völlig umgestaltet, seitdem Robert Fulton
1807 bewiesen hatte, dass die Dampfkraft auch für den
Wasserverkehr geeignet sei. Damit eröffnete sich der
Weg, um aus dem Seeverkehr nicht nur den Faktor des
grossen Zeitverlustes, sondern auch den einer sehr
störenden Abhängigkeit von nicht vorhersehbaren natür-
lichen Umständen bis auf einen geringen Rest auszu-
scheiden. Regelmässige Seeverbindungen mit fest-
bestimmten Zeiten, genau festgelegte „Seewege" und der-