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Malkowsky, Georg [Red.]
Die Pariser Weltausstellung in Wort und Bild — Berlin, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.1250#0327
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Die Pariser Weltausstellung in Wort und Bild.

Deutschen Reiches berufen, den Besuchern der "Weltausstel-
lung von dem intensiven Bestreben der deutsch - sprachigen
Völker nach individueller Ausgestaltung des Wohnraumes
Kunde zu geben.

Ungefähr gleichzeitig mit der Berliner und Münchener mo-
dernen kunstgewerblichen Bewegung setzte auch in Wien die
neue Strömung ein. Von hervorragenden Künstlergruppen,
meist Architekten, wie Oberbaurat Otto Wagner, ging sie
aus, äusserte sich zuerst im Jahre 1898 auf der Ausstellung
der Künstlervereinigung „Sezession" und der Jubiläums-Ge-
werbeausstellung in der Rotunde; und als sie in dem damals
neuernannten Direktor des Wiener Kunstgewerbe - Museums,
Herrn Hofrat A. v. Scala, einen eifrigen und energischen För-
derer fand, war die Fortentwicklung der Wiener Moderne ge-
sichert.

In der Pariser Weltausstellung zeigen die österreichischen
Interieurs fast durchwegs eine moderne Note, die zwar in
Einzelheiten mit den in Deutschland und Belgien gefundenen
Formgebungen übereinstimmt, aber im ganzen doch vollkommen
eigenartig erscheint. Nur wenige Räume, meist Arbeiten der
Fachschulen, haben Wiederholungen älterer Stilarten gebracht;
sie mögen zum Schlüsse dieses Aufsatzes ihre Würdigung
finden. Im Vordergrund des Interesses steht jene neuschöpfe-
rische Thätigkeit, die in Paris durch die Namen unserer ersten
Künstler vertreten ist: Olbrich, Hoffmann, Baumann, Fabiani,
Urban; man könnte, um einen der wichtigsten Namen nicht
vermissen zu lassen, das Arrangement der österreichischen
Hofgarten-Ausstellung, das von Otto Wagner herstammt und
mit seiner rotseidenen Wanddekoration, den Applikationen,
Bildern e,tc. einen interieurartigen, intimen Eindruck macht, hier
anreihen.

Vom Architekten Baurat Ludwig Baumann, dem Wien
auch eine Anzahl interessanter Neubauten verdankt, stammten
die Entwürfe für den Ehrenhof mit der Freitreppe und der
im Hintergrunde den Aufbau abschliessenden Salle d'hon-
neur. Während der korrespondierende Mittelraum der deut-
schen Abteilung von Melchior Lechter in gotischem Stile ge-
staltet wurde, hat Baumann für diesen Centralraum nach an-
tiken Vorbildern gegriffen, die er auf geschickte Weise mit
modernem Dekor ausstattete. Durch einen mächtigen Säulen-
vorbau mit Doppelstellungen betritt man den grossen recht-
eckigen Saal, in dessen Mittelpunkt, von Lorbeergruppen um-
rahmt, eine Kaiserbüste postiert ist. Ausser der glücklichen
Raumgestaltung, welche die Würde des Ortes zur Geltung
bringt, ohne des üblichen Pompes zu bedürfen, ist an diesem
Saal besonders die feine, diskrete Farbenwirkung hervorzu-
heben. Ueber den dunkelvioletten Lambris, die aus Sammet-
füllungen in Holzrahmen bestehen und vom Bildhauer Schim-
kowitz mit delikaten Bronze-Appliken geschmückt wurden, sind
die breiten Wandfelder mit einem zarten mattgelben Seiden-
stoff bespannt, auf den grosse Rosen in vorzüglicher Applt-
kationsarbeit verstreut sind. Ein Blätterfries bildet den Ab-
schluss nach oben, wo noch originelle Metallbeschläge den
Blick fesseln, und zu den in Rankenwerk hineinkomponierten
Beleuchtungskörpern der Decke überleiten. An den schmä-
leren Seitenwänden sind bequeme graue Sofas aufgestellt,
auf denen man sich gerne in dem milden Dämmerlicht dieses
feingestimmten Ensembles von manchem Ausstellungsspektakel
erholen mag.

Wir begeben uns von hier nach den auf der Ostseite der
Gallerie aufgestellten Interieurs. In dem Vorraum sind Teile von
Zimmern ausgestellt, die in der letzten Winterausstellung des
österreichischen Museums viel Beifall fanden. Der Kunsttischler
Ungethüm bringt den Kaminanbau eines von Prof. Olbrich
entworfenen Wohnzimmers zur Ausstellung, ausserdem ein-
zelne Möbel nach Entwürfen von R. Hamel. Das Wohn-
zimmer, in dem rote Tuchapplikätionen recht verschwende-

risch über die graue Wand- und Möbelbespannung verstreut
sind, zeigt in den Beschlägen des Kamins, in den Intarsien der
Holzverkleidung und der kleineren Stücke eine überaus sorg-
fältige Arbeit; es ist nach Berlin an Hirschwald verkauft
worden. — Zur anderen Seite der Thür sehen wir eine sehr
anmutige Sitzpartie aus einem Damenzimmer. Das von
M. Niedermoser nach eigenen Entwürfen, die freilich von
Olbrichschen Vorbildern beeinflusst sind, gearbeitete Interieur
zeigt die eine unserer Abbildungen. Es ist durch eine Bogen-
Konstruktion in einen Arbeits- und einen Toiietteraura geteilt.
Die Möbel in lichtgrau gebeiztem Ahorn sind in sehr zier-
lichen, vielfach gerundeten Formen gehalten und harmonieren
sehr gut mit der Wandbespannung in gelblicher Seide und
den Bezügen aus blaugrauem Rips.

Von hier gelangen wir in eines der gediegensten Inte-
rieurs der österreichischen Abteilung, in das sogenannte
„Wiener Interieur", das nach Entwürfen des Professors Josef
M. Olbrich, des von Wien nach Darmstadt berufenen Künst-
lers, von Mitgliedern des Wiener Kunstgewerbevereins unter
Leitung des Hoftischlers Ludwig Schmitt ausgeführt wurde.
Jedes einzelne Stück dieses Raumes ist ein Bijou von feinster
Detaillierung und korrektester Ausführung. Um die Eigenart
dieser Leitung dem Verständnis näher zu bringen, ist es viel-
leicht zweckmässig, die Stellung ihres geistigen Urhebers in

Else Unger,

Sekretär in gebeiztem Lindenholz,

Schnitzereien von Emilio Zago.
 
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