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Malkowsky, Georg [Red.]
Die Pariser Weltausstellung in Wort und Bild — Berlin, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.1250#0349

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Die Pariser Weltausstellung in Wort und Bild.

Moderne Kleinkunst in Edelmetall und Bronze.

Von
Georg Malkowsky.

|er kirchlichen Kunst ist von jeher die konservative Auf-
der Stilerhaltung zugefallen, sicher nicht zum
%T Nachteil einer Entwicklung, die, vom Individualismus
allein beherrscht, unter dem Druck materieller Verhältnisse
doch mehr und mehr dem wechselnden Modegeschmack an-
heimgefallen wäre. Die deutsche Formensprache wurzelt im
Gegensatz zu der italienischen in der romanischen und gotischen
Stilperiode, die ihrem Empfinden näherstand, als die über die
Alpen gekommene Renaissance, deren Reaktion mehr auf dem
litterarischen Gebiet einsetzte, ohne in das Volksbewusstsein
überzugehen.

Wie das Dogma den Ritus, so beherrscht die kirchliche
Architektur das Gerät des Gottesdienstes. Selbst der
Protestantismus hat hier keinen Wandel schaffen können, in-
sofern er die- Reste des katholischen Ceremonieüs beibehält.

Das Reliquiarium ist ein Ausfluss der Heil igen Verehrung
und somit dem katholischen Ritus ausschliesslich eigentüm-
lich. Seiner Bestimmung zur Aufnahme der leiblichen Ueber-
reste kirchlicher Vorkämpfer entsprechend, nimmt es meist
die Form des kastenartigen Sarkophags oder der doppel-
thürigen Totenkammer an. Ausnahmsweise erhält es figür-
liche Gestaltung, die sich dem umschlossenen Körperteil an-
passt, wie in dem Reliquiarium des heiligen Markus,
das der Hofgoldschraied Bretns-Varain für den Dom zu Trier
angefertigt hat. Die von dem reich ciselierten Messgewande
umschlossene Büste ruht auf einem Sockel, an dessen Aus-
buchtungen Engelsgestalten die Abzeichen der bischöflichen
Würde tragen. Das streng stilisierte Haupt umwallen sym-
metrisch die Locken des Haupt- und Barthaares.

Ebenfalls im gotischen Stil ist ein aus demselben Atelier
hervorgegangener Kelch gehalten, dessen Fuss ein feinge-
gliedertes Gewirr filigran artigen Ornaments umspannt, das
hier und da kirchliche Symbole und Medaillons mit Einzel-
figuren und legendären Darstellungen einrahmt. Den glatten
Rand der eigentlichen Trinkschale umgeben Engelsgestalten
mit ausgestreckten- stilisierten Flügeln.'

Diesen modernen kirchlichen Geräten fügen wir einen
interessanten -Bibel ein band bei, der ein Hauptschaustück
des ungarischen Pavillons bildet. In Kolozsvär (Kiausenburg)
wurde im Jahre 1661 eine Bibel gedruckt, die sich noch jetzt
im Besitze der Kirchengemeinde helvetischer Konfession be-
findet. Die Bibel weist reiche Verzierung in Hand Vergoldung
auf, deren Motive meist der Pflanzenvegetation und zwar vor-
wiegend dem Farnkraut entnommen sind. Die Beschläge
aus getriebenem, vergoldetem Silber gehören einem Mischstil
an, der gotische und Renaissancemotive vereinigt. Die Eck-
stücke werden durch geflügelte Engelsköpfe gebildet, während
die Schliessen mit Ranken verschlingungen geschmückt sind,
die sich in dem von einem Schriftband umgebenen Mittelstück
wiederholen. * *

Das Prunkgerät erhält, losgelöst von dein einfachen
Nutzzweck, einen dekorativen Charakter, der das Ornament
zu einem redenden umgestaltet; Der bei festlichen Gelegen-
heiten verwendete Pokal kann in seinen Formen nicht mehr
allgemein vorbildlich wirken, er gewinnt eine Specialbedeutung,
die in seinem Schmuck zum Ausdruck gelangt. Der von
Professor Rudolf Mayer entworfene und in Silber ausge-
führte Kaiserpokal der Stadt Dortmund erhebt sich auf
einem achteckigen Untersatz, zwischen dessen vier, durch
Türme und Zinnen markierten Füssen Engelsgestalten mit
Wappenschildern knieen. Den Gefässkörper bildet zwischen

Nachdruck ohne Quellenangabe verboten.

dem gebuckelten Fuss und dem ebenso verzierten Becherrand
ein in der Mitte ■ durch ein Ornamentband gegliederter nach
oben ausladender Cylinder, der mit getriebenen Reliefs ge-
schmückt ist. Aus dem Blattwerk des Deckels wächst eine
Halbfigur mit gezücktem Schwert empor.

Der von demselben Künstler entworfene und ebenfalls in
Silber getriebene Jagdbecher giebt sich in den Formen der
Spätrenaissance. Den Körper bildet ein Rundreiief mit der
Darstellung einer Eberjagd. Eine Disharmonie dürfte in der
Gestaltung des Fusses im Verhältnis zu der des Deckels
liegen. Während an dem unteren Teil des Prunkgeräts die
naturalistischen Formen des Tannenzapfens vorherrschen und
sich in dem Wulst pinienartig veredelt wiederholen, erscheint

Jagdbecher, . .

Entworfen und in Silber getrieben von Prof. Rudolf Mayer.
 
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