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Malkowsky, Georg [Compiler]
Die Pariser Weltausstellung in Wort und Bild — Berlin, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.1250#0230
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216

Die Pariser Weltausstellung in Wort und Bild.

lande zu einer Karrikatur gemacht, die täglich um so gehässiger
wird, als der Neid auf die stetig wachsende politische und wirt-
schaftliche Superiorität des jungen Reiches wächst. Einen
leichten durch den Gebrauch formlosen Lodenhut auf den
Kopf gedrückt, das Jackett mit Rücksicht auf die Julihitze
zurückgeschlagen, so dass man bequem die auf dem Bauche
schaukelnden Schnüre des bunten Wollhemdes beobachten
kann, einen möglichst ungefügen Spazierstock in der Hand,
so dringt unser Landsmann unbekümmert in die geheiligten

heiten, die dem reisenden Briten mit Recht nachgerühmt
werden, ist keine geringe. Er hat auch nach Paris mitgebracht,
was uns seine Anwesenheit an den klassischen Stätten Italiens
unerträglich macht. Korrekt und elegant gekleidet allerdings,
schiebt er sich mit herrischem Selbstbewnsstsein durch die
Menge, unterhält er sich laut in der Tramway mit einem am
anderen Ende des Wagens sitzenden Gefährten, unbekümmert
darum, ob die übrigen Gäste ihn hören wollen oder nicht.

Am sichersten bewegt sich der Russe. Diese Moskowiter,
in der Einbildung vieler Leute noch halbasiatische Barbaren,
bewegen sich mit einer Weltgewaiidtheit, einer Gefälligkeit, sie
verraten überall eine so vollendete gesellschaftliche Bildung,
man könnte glauben, das heilige Russland sei nur von Gross-
fürsten bewohnt. Sie sprechen das eleganteste Französisch,
sie kleiden sich tadellos und korrekt, ohne je auffallend zu
werden. Ihr Auftreten ist diskret und ruhig, keine Hast, keine
Schwerfälligkeit, stets taktvoll sich überall den Gewohnheiten
der Umgebung fügend. Lebhaft aber- nicht unliebenswürdig
benimmt sich der „Rasta", der Südamerikaner, ein Typ, den
wir in Deutschland kaum kennen. Ein wenig dandymässig
gekleidet, eine riesige Perle in der phantastischen Kravatte,
Brillanten an den wohlgepflegten Händen, das dunkle Gesicht,
aus dem die lebhaften Augen hervorblitzen, von einem schwarz-
glänzenden weichen Bart umsäumt, ist er der Liebling der
Frauen innerhalb und ausserhalb des Ausstellungsterrains.

Es giebt der Typen noch mehrere auf der Ausstellung,
so mancher Gast, der seine Heimat getreuer repräsentiert, als
es die schönmalerischen Arrangements seines Regierungs-
kommissars thun, aber es würde, zu weit führen sie alle zu
schildern. Und in diesem Welttheater, in dem sich das Publi-
kum mehr zur Schau stellt, als es selber sieht, fehlt es auch
an den Kritikern nicht. Die Kellner sind es, diese besten
Menschenkenner unserer Tage, die, ruhende Punkte in der
Erscheinungen Flucht, dieses Völkerpanorama an sich vorbei-
ziehen lassen und durch die Höhe keiner Trinkgelder in ihrem
Urteil getrübt werden, das sie sich unter einander zuraunen.

M, Rpt

. Münzen-Pokal.

Entworfen von Prof. A. Linnemann; ausgeführt von E. Schiirmanil, Frankfurt s

M.

Räume der elegantesten Pariser Restaurants, die der Franzose
nur im Frack zu betreten wagt.

Noch schlimmer fast ist es, wenn diese Leute elegant
nach ihren Begriffen zu werden bestrebt sind. Man sieht ja
in Deutschland so ziemlich das Unmöglichste an Cylinder-
hüten, aber diese Ausgeburten einer krankhaften Hutmacher-
phantasie noch nach Paris zu schleppen, das ist beinahe fluch-
würdig. Dazu der fürchterliche deutsche Tuchrock, das alles
muss den Spott der anderen herausfordern. Man begreift das
garnicht in Frankreich, man fragt sich: „Sind das die Leute,
deren ungeheure Leistungen in den Ausstellungspalästen alles
Konkurrierende so weit hinter sich lassen?" Und man kann
das Aeussere mit den technischen und industriellen Erfolgen
gar nicht in Einklang bringen.

Nicht viel besser präsentiert sich der Engländer als Per-
sönlichkeit auf der Ausstellung. Die Reihe der Ungezogen-

Siiberarbeiten auf der Ausstellung.

^sj Nachdruck ohne Quellenangabe verboten.

«jftlrnsere kunstgewerbliche Vertretung in Paris hat gezeigt,
i^j5 dass Deutschland mit Frankreich weniger auf dem Gebiet
des Modegeschmacks, als auf dem einer gewissen soliden
Formengebung konkurrieren kann. Die Blüte unserer die
Renaissance selbständig umbildenden Kunstübung liegt ein
wenig früher, als die entsprechende französische Epoche und
arbeitet demgemäss mit stilstrengeren Mustern, während die
Zeit der allmählichen Entartung an dem durch den dreissig-1
jährigen Krieg wirtschaftlich ruinierten Deutschland ziemlich
spurlos vorübergezogen ist.

Prächtige Muster dieser strengen Stilüberlieferung hat die
Firma E. Schürmann & Co. in Frankfurt a. M. in Paris aus-
gestellt. Eine getriebene Jardiniere, entworfen von J. Ko-
warzik, zeigt im Aufbau die üppigen Formen der italieni-
schen Spätrenaissance. Putten umziehen Wappenschilde hal-
tend, den Fuss des Gerätes an der Vorderseite, und Festons
umziehen die in schöner Profilierung ausladenden Schmal-
seiten, an die sich sitzend die allegorischen Figuren des Rhein
und des Main anlehnen.

Der ebenfalls von uns abgebildete Trinkpokal ist in vor-
wiegend gotischen Formen gehalten. Freistehendes Blatt-
werk, Drachen und Figuren umgeben den reich emaillierten,
und mit Edelsteinen verzierten Kelchkörper, in dem 67 Münzen
deutscher Kaiser und 26 Wappen eingelassen sind. Die Be-
krönung bilden die Zinnen einer Burg, auf deren Turm ein
Heiliger Michael den Satan niederkämpft.
 
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