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Krüger, Thomas [Hrsg.]; Stephan, Hans-Georg [Hrsg.]; Korbel, Günther [Bearb.]; Korbel, Günther [Bearb.]; Raddatz, Klaus [Bearb.]; Raddatz, Klaus [Gefeierte Pers.]
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Heft 16): Beiträge zur Archäologie Nordwestdeutschlands und Mitteleuropas — Hildesheim: Verlag August Lax, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.65795#0340
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aller Männer der Oberschicht liegt zwischen 1,76 und 1,81 m, die der Männer aus Gräbern
einfacher Bevölkerungsschichten beträgt im Durchschnitt 1,64 m. Die Größe der Frauen be-
wegt sich zwischen 1,49 und 1,64 m. Für das Nordschwarzmeergebiet liegen speziell aus eini-
gen der ,,Fürstengräber” Maßangaben vor, die ein noch stärkeres Auseinanderklaffen erwar-
ten lassen. Einige der Männer maßen über 1,90 m, vereinzelt auch über 2 m. Durchschnitts-
werte zur Körperhöhe der Frauen stehen vorläufig noch aus, auch eine Vorlage der bisher be-
kannten „Amazonen-Skelette” ist m. W. noch nicht in Arbeit. Ein Vergleich mit dem Ske-
lettmaterial der ohne Waffen bestatteten Frauen wäre von großem Interesse, um eventuell
Unterschiede in der Körperbeschaffenheit festzustellen, besonders auf dem Hintergrund der
verschiedenen sozialen Schichten, in die auch die „Amazonen” eingegliedert waren.
Im nordpontisch-kaspischen Gebiet sind nach bisheriger Kenntnis Gräber bewaffneter Frau-
en seit dem 6. vorchristlichen Jahrhundert festzustellen, sie setzen also etwa mit der ausgebil-
deten skythisch-sauromatischen Kultur ein und reichen bis in deren Spätphase, ins 4./3. Jahr-
hundert. Schien es zunächst so, als würde sich eine allmähliche Entwicklung von leichter Be-
waffnung (Pfeil und Bogen, Wurfsteine) in der Frühzeit bis zur schwereren Bewaffnung (mit
zusätzlich Lanzen, Wurfspießen und Schwertern sowie Kampfgürtel) in der Spätzeit abzeich-
nen, so muß diese Auffassung inzwischen relativiert werden. Es könnte durchaus noch eine
chronologisch unterschiedliche Gewichtung eintreten. Schon mehrfach wurde auf die mögli-
che Dunkelziffer hingewiesen und auf die Schwierigkeiten, die der Identifizierung von
„Amazonengräbern” entgegenstehen. Einerseits wurde in der Vergangenheit, von wenigen
Ausnahmen abgesehen, jedes Grab mit Waffen automatisch als Männergrab angesehen, da-
durch wissen wir nicht, ob sich nicht vielleicht auch unter den vielen hundert skythenzeitli-
chen Gräbern mit vielfältigen Formen von Schutzrüstung vereinzelte Frauenbestattungen fin-
den. Andererseits sind leider im allgemeinen die Erhaltungsbedingungen für Tracht, Waffen
oder Rüstungsteile aus organischem Material (etwa Peitschen, Schilde, Lederkoller und
-helme u. a.) ungünstig, so daß sich bisher über die vollständige Ausrüstung der Frauen nur
Vermutungen anstellen lassen. Bei Doppelbestattungen mit gestörtem Inventar wurde, sobald
sich Waffen zeigten, stets angenommen, es handele sich um die Hauptbestattung eines Krie-
gers mit mitgetöteter Frau. Dies war sicher die Regel, muß aber nicht in allen Fällen so gewe-
sen sein. Wir kennen inzwischen auch Frauengräber mit mitgetöteten männlichen oder weib-
lichen Begleitpersonen, darunter auch einige „Amazonen” (s. Tabelle 1).
Bei den bisherigen anthropologischen Untersuchungen fielen nur Befunde auf, die starke
weibliche Merkmale am Skelett erkennen ließen. Es mag jedoch sein, daß starkes sportliches
Training, häufiger Jagd- und Kampfeinsatz auch zu physischen Veränderungen führte, die
sich möglicherweise am Skelettmaterial niedergeschlagen haben könnten (verstärkte Muskel-
ansätze an den Knochen und ähnliches) und heute zu Verunklärungen führen. Ein wohldo-
siertes Training während der Wachstumsperiode könnte auf Längen- und Muskelwachstum
verstärkend gewirkt haben. Wenn wir den Schriftquellen glauben wollen, so kam eventuell
auch eine gewisse Selektion hinzu, die dadurch bedingt wurde, daß zur Verehelichung und
damit wahrscheinlich Fortpflanzung dieser Frauen gewisse schwierige Auflagen erfüllt wer-
den mußten (zumindest im sauromatischen Bereich), die nur den „Erfolgreichen” gelangen
(s. S. 276).
Nach bisheriger Kenntnis liegen die Gräber der Frauen mit Waffen zumeist vereinzelt inner-
halb der Nekropolen. Sie bilden jedoch stets die Hauptbestattung eines Grabhügels, keine
spätere Nachbestattung, wie wir sie unter den sonstigen Frauengräbern häufig finden. Was
das Lebensalter betrifft, so kommen Waffen in den Gräbern junger wie älterer Frauen vor,
zahlenmäßig überwiegen jedoch die jüngeren.
Einen in vieler Hinsicht bisher einmaligen Fall stellt der Kurgan Nr. 13 der Gruppe BOF im
Abbauzentrum Ordfconikidzemarganec, am Rand der ukrainischen Stadt Ord^onikidze dar

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