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seits nur ein geringer Prozentsatz von Gräbern Schalensteine aufweist und andererseits
nur ein Teil von Schalensteinen bei Gräbern gefunden wurde. Daraus gewinnt man eher
den Eindruck, daß ein vom Totenkult unabhängiges Brauchtum sich gelegentlich mit die-
sem verbunden hat.
Bei allen weitergehenden Deutungen der Schalensteine müssen religionswissenschaft-
liche, volkskundliche und ethnologische Vergleiche herangezogen werden. An Deutungs-
versuchen hat es nicht gefehlt.
S. Müller wurde durch die reihenweise Anordnung der Vertiefungen auf manchen Scha-
lensteinen angeregt, Parallelen zwischen dem Schälchenbohren und dem Feuerbohren bei
Naturvölkern zu sehen, die zur Feuererzeugung einen Holzstab auf einer hölzernen Unter-
lage drehten, in der sich eine kleine Vertiefung befand62. Durch ständigen Gebrauch
wurde die schalenartige Grube zu tief und man begann an anderer Stelle zu bohren. Um
Ansatzpunkte für den Feuerbohrer zu erhalten, wurde in die Unterlage eine Rille geritzt,
in die man den Bohrstab einsetzte, wenn man ein neues Schälchen begann. Auf diese Weise
entstand eine Reihe von Bohrgrübchen, die Müller mit denen auf den Schalensteinen ver-
glich. Er erblickte in den Schälchen demnach Sinnbilder der Feuererzeugung, des Feuers
und im übertragenen Sinne der Sonne.
G. Schwantes sah die Schalensteine im Zusammenhang mit den angefangenen Bohrun-
gen an Steinbeilen und -äxten, für die eine praktische Erklärung nicht möglich ist63. Das
kultische Bohren gehe von den Bohrungen an Äxten aus, den Symbolen eines blitzschwin-
genden Himmels- und Sonnengottes. Daneben könnten Schalensteine auch Opfersteine
gewesen sein.
Die Deutung als Opfersteine ist wiederholt vorgetragen worden, besonders von schwe-
dischen Forschern, denn in Schweden bestand in einigen Gegenden noch der Volksbrauch,
auf den Elfenmühlen, wie die Schalensteine genannt wurden, den Elfen kleine Opfer zu
bringen. Während O. Almgren für die Vorzeit an Opfer für die Mutter Erde oder niedrige
Naturwesen dachte und besonders indische Vergleiche der Fruchtbarkeitssymbolik heran-
zog64, meinte N. E. Hammarstedt, von den Schalensteinen an Gräbern ausgehend, daß die
Opfer ursprünglich für die Toten bestimmt gewesen seien. Er deutete den Elfenkult dem-
zufolge als einen zum Naturkult ausgearteten Ahnenkult65. Norden schrieb den Schalen-
steinen in Ostergotland wegen ihrer Lage inmitten bebauter Fluren eine das Wachstum
und die Fruchtbarkeit fördernde Bedeutung zu66.
Als Fruchtbarkeitssymbole hatte die Schälchen bereits Worsaae gedeutet und sie mit
dem indischen Lingam-Symbol in Verbindung gebracht67. Diese Deutung wird durch die
skandinavischen Felsbilder insofern gestützt, als einige Darstellungen zeigen, daß Schäl-
chen als weibliche Geschlechtssymbole aufgefaßt wurden68.
Eine völlig andere Erklärung bietet Th. Ramskou auf Grund von Parallelen aus der
Volksmedizin für die Schalensteine69. Danach wurden die Vertiefungen in erster Linie
wegen des beim Bohren entstehenden Steinmehls hergestellt, dem man eine heilende Wir-

62 S. Müller, Aarboger 1917, 86 ff.
63 G. Schwantes, Altschlesien 5, 1934, 351 ff. - Ders., Die Vorgeschichte von Schleswig-Holstein, Stein- und
Bronzezeit (1939) 225ff. - Ders. in: Geschichte Schleswig-Holsteins Bd. 1 (1958) 350ff.
64 O. Almgren, Nordische Felszeichnungen als religiöse Urkunden (1934) 237 ff.
65 N. E. Hammarstedt, Schwedische Opfersteine (Älfkvarnar), Beitr. z. Religionswissenschaft II, 1, Stockholm
1914.
66 A. Norden, östergötlands Bronsalder (1925) 147 ff.
67 J. J. A. Worsaae, The Industrial Arts of Denmark (1882) 114.
P. V. Glob a.a.O. 170.
69 Th. Ramskou, Skalk 1966, Nr. 1, 8 ff.

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