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Lungershausen, Axel
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 34): Buntmetallfunde und Handwerksrelikte des Mittelalters und der frühen Neuzeit aus archäologischen Untersuchungen in Braunschweig — Rahden/​Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2004

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.68707#0082
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Abb. 29 Winkelhahn (oben) und Durchgangshahn aus
Braunschweig, beide um 1500 (M. ca. 1:3)

Wie oben erwähnt wurden die Objekte gegossen
und überarbeitet, durch Feilen ließen sich Schlüs-
sel und Hülse exakt ineinander einpassen. Die
dünnwandigen Zuleitungsrohre wurden getrieben
und angelötet. In die Hülse des Hahnes 318 wurde
zudem eine Marke eingeschlagen oder eingraviert,
die möglicherweise ein Schwert oder aber, um 90°
verdreht, einen Zapfhahn in einem vereinfacht dar-
gestellten Faß zeigt. Weitere Marken sind mir sonst
nur von Schlüsseln bekannt, wo sie etwa in Form
von Vögeln oder Hähnen, Lilien, Echsen , Reichs-
apfel oder Köpfen, teilweise mit Initialen kombi-
niert, auftreten 382. Die Interpretation der Zeichen
ist uneinheitlich, in der Regel werden sie als Her-
steller- bzw. Meistermarken gedeutet, darüber hin-
aus aber noch Funktionen als Beschauzeichen, Eig-
nermarke oder Bierbrauermarke diskutiert.

Der Durchgangshahn fällt mit einer Länge von 160
mm fast doppelt so groß aus wie der Fund 153
(L 78 mm). Der Ausguß ist weniger stark kontu-
riert. Die dreipaßförmige Handhabe entspricht
den gängigen Formen zeitgleicher Funde. Beide
Stücke werden gemeinsam mit einem zweiarmi-
gen Standleuchter als Meisterstücke bezeichnet,
die der Apengießergeselle für die Meisterprüfung
herstellen mußte 379 - eine Anforderung, die noch
1751 fast unverändert Bestand hatte. Laut archi-
valischer Überlieferungen wurden die technisch
anspruchsvollen Hohlgüsse im Rot- oder Gelbguß
ohne Verwendung eines Bleizusatzes gefertigt 380.
Eine Vorgabe, die die beprobte Handhabe 270 aus
dem 16./17. Jh. als potentielles Herstellungsob-
jekt Braunschweiger Rotgießer nur begrenzt
erfüllt. Die als Mischbronze zu klassifizierende
Legierung weist mit 5,4 % doch einen erhöhten
Bleigehalt auf, der nicht mehr als natürliche Bei-
mengung im Ausgangsmaterial aufzufassen ist 381.
Möglicherweise liegt hier ein importiertes Stück
aus einer Stadt mit weniger gestrengen Limitie-
rungsauflagen vor oder eben die Mißachtung von
Gießvorschriften.

Da die Markierung bleifreier Legierungen, wie sie
von den Braunschweiger Apengießern gefordert
wurden, unüblich war, liegt auch hier die Vermutung
nahe, daß es sich um einen Importfund handelt.
5.6. Waschgarnituren (Taf. 13, 52.21)
Als Bestandteile des mittelalterlichen Tafelge-
schirrs sind Gießgefäß und Auffangschale zu wer-
ten. Das Händewaschen vor dem Essen oder nach
der Aufnahme fester Speisen mit den Händen, gilt
als Ausdruck einer verfeinerten Tischkultur 383. In
der mittelalterlichen Stadt sind die metallenen
Gefäße aufgrund ihres Materialwertes sicher einer
wirtschaftlich-sozial gehobeneren Schicht zuzu-
sprechen. Billigeres Tongeschirr konnte bei einer
breiteren Masse den gleichen Zweck erfüllen 384.
Aus dem Zerstörungshorizont eines Hauses konn-
te das rechte Hinterbein eines Reiter- oder Ken-
taurenaquamanilies geborgen werden (280), zu
dem sich als Gegenstück aus demselben Befund
eine unvollständig erhaltene Auffangschale fand
(274) 385. Sie stammen aus dem 13. Jh. und gelang-

379 Ab 1571 in Braunschweig als Rotgießer und nochmals fast hundert Jahre später auch als Rot-, Stück- und Glockengießer
bezeichnet, Fuhse 1935, 3.

380 Fuhse 1935, 2f.

381 Probe 2646-44 in Kap. D 2.1.

382 Seibt, Gleba 1990, Kat.-Nr. 196, Hejna 1974, Taf. 16i, Baart 1977, Kat.- Nr. 657, 659, 661-663, 667, 668.

383 Eine Verwendung als liturgisches Gerät, wie es verschiedentlich für Kirchen- und Klosterfunde postuliert wird, ist bei den
Braunschweiger Objekten durch die Fundumstände wohl ausgeschlossen, vgl. Weitzmann-Fiedler 1981, 10-12, Eckerle
1986, 207-222, Felgenhauer- Schmiedt 1993, 136f., am ausführlichsten Hütt 1993.

384 Denkbar ist auch eine kombinierte Verwendung verschiedener Materialien, wie es der gemeinsame Fund einer metalle-
nen Schale und einer keramischen Bügelkanne mit Ausguß aus Reinsberg, nördlich von Freiberg aus der Zeit um 1200
nahelegen, Richter, U. 1995, 208-216.

385 Sehr viel seltener nachgewiesene Leuchtertypen mit ähnlichen Beinformen finden daher in den weiteren Überlegungen
keine Berücksichtigung, Beispiele in Puhle 1992, Abb. 10-13, 16.

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