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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 238 - No. 267 (1. September - 30. September)
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Samstag

. Juſseratedlegesſpaltens
Zeile in Petitſchrift oder
deren Raum 3 kr. Ins-

rate, wortiber die Redak-

Iannheimer Abendzeitung.

rau rio erbittet man
franco.

1848.



Die religiöle Bewegung.

Unter dieser Aufschrift bringen uns eben die „fliegenden Blätter
vom Bodensee" Nr. 6 einen sehr anziehenden Aufsag, den wir, wenn es
die Umftände und der Raum dieser Zeitung erlaubten, gern ausführlicher
wiedergeben würden, den wir aber j:denfalls der Aufmerksamkeit un-
serer Leſer empfehlen wollen. In äußerſt gemäßigter Weise beginnt
er wie folgt:

vir! ligisſe Bewegung in unserem Vaterlande iſt zu einer neuen
Stufe ihrer Entwicklung herangediehen; aus dem Nebel verdüſternder

BVorurtheile und einseitiger Glaubensbefangenheit erhebt ſich von Tag

zu Tag deutlicher das eigentliche, wahre volksthümliche Ziel dieser
Bewegung. Die Maſſe sowohl als ihre Führer beginnen es klar und
zweifelsfrei einzuſchen, daß es sich nicht um Beseitigung einiger dog-
matiſchen Satzungen, nicht um Abſchaffung einiger kirchlicher Miß-
bräuche handelt, ſondern um die Grün dung eines großartigen um-

faſſenden Baues, welcher dereinst in seinen weiten, heiligen Hallen

aile deutsche Chriften vereinigen soll, um den Beginn der Verwirkli-
<ung einer künftigen, nationalkirchlichen Gemeinſchaft, welche frei
von Gewiſſenszwang und Glaubensbevormundung Jedem ihrer Mit-
glieder das erhebende Bewußtsein gewährt, einer großen kirchlichen
Brudergemeinde anzugehören, ohne dafür als Kaufpreis das Opfer
ſeiner eigenen persönlichen Glaubensmeinung zu fordern. Dahin ftrebt
bie kirchliche Bewegung im Schooße der proteſtantiſchen sowohl als
ver katholischen Kirche: daß die kirchliche Gemeinschaft beſtehe ohne ei-
nen Zwang des Glaubens, ohne ein ungebührliches Eindringen in
bas Heiligthum der persönlichen Ueberzeugungz ~ daß ein Jeder als
Mitglied- der Kirche den Pflichten christlicher Sitte und chrifilicher Liebe
in seiner Weise nachzukommen befugt ſei.-

„Dieß ift der große humane Gedanke, welcher so manche Edle im
Gesammtvaterlande zur lebhaften Theilnahme angeregt hat, obwohl
ihre Gewohnheiten und Ueberzeugungen sie dem engen Gebiete des po-
ſitivkirchlichen Lebens längst entfremdet hatten. Dies ift aber auch
was den Haß und die Furcht der Feinde jener volkthümlichen Bewe-
gung heraufbeſschworen und gegen das Ringen nach Gewiſſensfreiheit
zu kämpfen veranlaßt hat. – Das Streben der Freunde kirchlichen
Fortschrittes mag jetzt auch auf verſchirdenen Wegen sich bekunden;
die n ä ch ſt en Zwecke der Deutſchkatholiken, der Lichtfreunde, der ev-
angeliſchen Rationaliſien mögen für jetzt noch gänzlich getrennt und
gesondert bleiben, sie alle werden sich später in einem einzigen Ziel-
punkt vercinigen und die Siege der einen Heeresablheilung der Kämp-
fer für die heilige Sache werden allezeit auch allen Anderen zu Gute
kommen.- .....

Ja es iſt der Kern des gesammten deutschen Volkes, welcher das
Bedürfniß einer kirchliche Erhchung und Bereinigung fühlt, welcher
jede Maßregel, die nach Glaubens;zwang uud kirchlicher Bevormun-
dung riecht, von sich weist. ....

Der Aufsatz erinnert nun an die neueren sächſiſchen Vorfälle und
fährt dann, soweit wir berichten können, so fort:

Nicht das iſt der Hauptzweck der religiöſen Beweguygen in
unserem Vaterland, daß diese oder jene kirchliche Gemeinſchaft,
ſei ſie deutſchkatholisch oder rationell proteſtantisch, zur ungehinder-
ien Ausübung ihres Gottesdienstes gelange, sondern daß alle und
jede religiöse Ueberzeugung ſich geltend machen, ſich ungestört
äußern könne, ohne daß irgend eine Macht auf Erden im Stande
sei, dieſe freie Bewegung des geistig-religiöſen Lebens zu hemmen
Vder zu stören, möge sich dieselbe im Vereinzelten oder durch gemein-
ſchaftlichen Geſinnungsausdruck ganzer Gemeinden offenbaren. Nicht
" Duldung, sondern Anerkennung gebührt jeder religiösen Ue-
berzeugung, so daß es unmöglich werde, dem Bekenner derselben ir-
ge einen bürgerlichen Rachtheil anzukleben, so lange er keinen
. Eingriff in das Rechtsgebiet Anderer ſich beikommen läßt.

Die Feinde dieser unbedingten Gewissensfreiheit ha-

ben ſich bemüht, das Streben nach derſelben als ein rev olutionä-

x es dem Beſtand der bürgerlichen Ordnung gefährliches darzu-
ellen. Den Widerwillen der proteſtant. Regierungen gegen die un-
gebührlichen Uebergriffe des katholischen Kirchenregiments in die Be-

; 1gniſſe des Staats sucht man dadurch zu bewältigen, daß man

27. September

die kirchliche Macht als einzig ſstark genug darftellt, um das
Ungeheuer der Revolution zu bändigen.

Das Ringen nach Aufhebung jedes kirchlichen Zwanges, nach
Einführung einer vollſtändigen Gewiſſensſsreiheit ſteht mit den bür-
gerlichen und politiſchen Verhältnissen unseres Vaterlandes in keiner
unmittelbaren Berührung. — Keine einzige unter den deutſchen Re-
gierungen ist so weit hinter dem Geiste unseres civiliſirten Zeitalters
zurückgeblieben, daß es in ihrem wahren Interesse gelegen wäre,
ihre Bevölkerung in geiſtiger Befangenheit verdummen zu ſehenz
auch über ſie herrſchet der Genius des Jahrhunderts und ſie kön-
nen ſich seinem Einfluß nicht entschlagenz gedrängt oder freiwillig
huldigen alle mehr oder minder dem Grundsatz, daß es beſser sei,
über ein Volk von geiſtig und ſittlich gebildeten Bürgern als über
eine Maſſe roher, willenloſer Knechte zu herrschen. In den meiſten
Ländern sehen wir ja in diesem Sinne ein poſitives Wirken der
Regierungen selber; mit Eifer wachen die Behörden über den Schul-
unterricht der Jugend, und unter dem Schutze der oberſten Landes-
: “ur quer to ftihtr ts geiſtigen Veredlung

er ärmſten und niedrigsten Klaſſen des Volks.

Mit dieser rctélten Anerkennung des Grundsatzes geiſtigen
Fortschritts ſteht es in grellem Widerſpruche wenn die Regierungen
das Ansehen und die Gewalt ihres weltlichen Armes herleihen, um
einen kirchlichen Zwang aufrecht zu erhalten und die Herſtellung ei-
ner unbetingt religiösen Freiheit zu verhindern. – Wir befürchten
nicht, daß jemals eine äußere Gewalt im Stande sein werde, der
kirchlichen Bewegung in Deutschland Einhalt zu gebieten.

Deutſchland.

.. * Mannheim, 27. Septbr. Die neue Gemeindeordnung, wo-
mit die preußiſche Rheinprovinz beglückt worden iſt, mußte bei uns,
die wir im Besitze eines freiern Gemeindelebens ſind, das größte
Erſtaunen und ſelbſt die Meinung erregen, daß die rheinpreußiſchen
Volkszuſtände, trotz aller freien Rechtsinftitutionen und einer sehr
wackern und einsſichtevollen Ständevertretung, auf einer wenig erfreu-
lichen Stufe sich befinden. Die Kritik indeſſen, welche jenes neue
„Gesetz- nach vielfachen Berichten auch dort in faſt allen Kreiſen der
Gesellſchaft erfährt, widerlegt lettere Meinung und befſtätigt nicht nur,
daß wir daſſelbe mit Recht an iich für unzeitgemäß , alle Selbfiſtän-
digkeit hindernd und jide freie Entwickelung ftörend erklärten, sondern
b:weist auch, daß es den vorhandenen Verhältnissen durchaus nicht
angemessen ift, nicht genügt. Es iſt darum sehr natürlich, daß man
nicht jubelnd solche Gemeindeordnung ins Leben zu führen sucht, daß
man vielmehr sofert auf Beſſeres und die Ausſcheiduna des Schlech-
ten und Schätlichen dringt. Die wackere Kreisſtadt Cr ef el d hat
dies ber:its versucht. In einer Petition an den König, welche der
Magiftrat beſchloſſen bat, wurden klar und entschieden die Mängel
auseinander geſeztt und Abhülfe verlange. Der Bürgermeifter,
fordert man, soll nicht von ter Regierung ernannt, sondern
von den Gemeindebürgern gewählt werden, die Gemeinderaths-
Mitglieder sollen auch nach desſſen Auflösung wieder wählbar sein,
denn die Seclbſtſändigkcit höre auf, wenn die Gemeinde Den nicht
wählen darf, dem se vertraut; man will die Geröährleiſtung, taß
die Gemeindeverhandlungen veröffentlicht werden können, man weill
ein gleiche Berechtigung akler ſtimmfähigen Bürger (roch ſoll die Stimm-
fähigkeit ven einem Cenſus abhängen!), man findet eine Befugniß
des Gemeinderaths, -- Unwürdigen - das Gemeinderecht zu entzieven,
mit den rveiniſchen Rechtszuſtänden unvereinbar, man will nur eine
rheiniſche Gemeindeordnung für die Rheinlande und verzichtet auf eine
Befugriß, die Städteordnung von 1831 und besondere Statuten zu
erhalten; man will keine Beftimmung, welche auf dem Lande das
Gemirinderecht ausschließlich an den Grundbesitz knüpft, man will nicht, daß
der Grundeigenthümer, der nur, weil er für seinen im Gemeindebezirk
gelegenen Grundbefitz jährlich 50 Thlr. Hautgrundfteuer zahlt, aus eig-
nem Recht:, ohne Wahl, Mitglied des Gemeinderaths und des Bür-
germeifter-Verſammlung sein kann, denr diese „Inftitution, welche alle
Elemente der Gemeindevertretung, – Würdigung, Befähigung, Ver-
trauen der Mitbürger —~ entbehrt, möſſe für die Gemeinde und das
Volksleben überhaupt unberechenbaren Nachtheile herbeiführen tc.

Zum Schluſſe der Petition spricht der Magiſtrat von Crefelp




 
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