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Mannheimer Abendzeitung — 1846

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No. 147 - No. 175 (2. Juni - 30. Juni)
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Baden 2 fl. 8 kr.,



Dienstag, den 2. Juni

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ver: frel elnzuſenven.

E





Veryandlung über Welcker's Verwahrungs-Antreng
| . in Petreff der Adreſſe. | Ê
[(12. Sitzung der badischen 2. Kammer.)
d (Fortsetzung.) q! i
Junghanns I.: Mit dem Antrag des Abg. Welcker bin ich zwar nicht
einverſtandenz allein ich erkenne doch an, daß er ihn mit einer Mäßigung ftellte,
die weit verschieden iſi von jener Rede, die auf dem vorigen Landtage über den-
selben Gegenstand geha lten wurde. Wenn es in dieser Mäßigung fort geht, wenn
so die Verhandlungen des Landtags geleitet. werden, so iſt Hoffnung vorhanden,
daß das Syſtem der Regierung, das Sie ſelbſt zu billigen scheinen, eine Stütze
erhält und die Geschäſte des Landes zum Segen deſſelben befördert werden. Der
Herr Antragsteller schildert ein Land, dem man Rechte genommen und keine ge-
geben habe, in dem jeder Foriſchritt zurück gehalten werde und das Gute nicht
gedeihe. Ich erkenne in diesem Lande unser Vaterland nicht. Wohl aber wiſſen
wir Alle, daß in den konſtitutionellen Staaten Deutschlands das Beſtreben vor-
waltet, die Rechte der Stände maßlos zu erweitern, und die der Regierung zu
vermindern und aus rein monarchiſchen Staaten solche zu machen, in denen eine

Ständeversammlung vorherrscht. Ein Versuch solcher Art wäre es auch, eine

Avresse wie die in Frage ſtehende einseitig von dieser Kammer vor den Thron
des Fürſten zu bringen ; denn unsere Verfaſſung kennt ein solches Recht nicht,
ja es widerspricht im Gegentheil der g. 68 ausdrücklich einem solchen Recht,
welches er nur den verein 'gten beiden Kammern einräumt. Nux in einem Falle
iſt es, nicht durch das Gesetz, sordern durch das H .rkommen eingeführt, daß
eine Kammer ſich einseitig an den Thron wende; dieß iſt der Fall der Dank-
adreſſe auf eine von dem Fünften selbt gehaltene Thronrede. Der Antrag also,
der heute geſtellt wird, iſt eine Ausdehnung des Rechts der Stände, und zwar
der zweiten Kammer im Gegensatz zu der erſt-n. Auch diese könnte das frag-
liche Recht üben, und wenn Sie auch eine solche Uebung nicht fürchten, so müſ-

sen Sie doch fürchten, daß überhaupt der Erfolg eines solchen Antrags nicht | , da ben S l trau f
! den Sie wiederum Vertrauen erlangen. Das iſt der Friede, den ich von gane

von der Wichtigkeit wäre, als wenn beide Kammern vereint ihre Beschwerden
und Anklagen an den Thron bringen, und daß unsere Beſchlüſſe nicht mehr mit
Ruhe und mit der reifen od:r gründlichen U berlegung gefaßt würden, wenn wir

befugt wären, ſie einseitig geltend zu machen, als wenn wir genöthigt ſind, fie

so einzurichten, daß auch die andere Kammer ihre Zuſtimmurg dazu geben kann.

Aus diesen Gründen halte ich die beantragte Verwahrung ſür ungegründet un é ) in | e einer
. i | kräftigen Entwickelung und Fortbildung des konſtitutionellen Lebens mit einer

ſchlage deßhalb vor, zur Tagesordnung überzugeten.
jhzittel: Der Herr Redner vor mir geht bei seinem Antrag auf Tages-

§§

ordnung davon aus, daß in dem Antrag des Abg. Welcker eine Ausdehnung
der Rechte der Kammer liege. Das iſt seine besondere Anficht, die ohne Zweifel |

daraus hervorging, daß er, wie er sich ausdrückte, im Allgemeinen glaubt, es
gehe gegenwärtig das Streben dahin, die Rechte der Regierungen zu schmälern
und jene der Völker zu erweitern. Diese Aeußerung fällt mit einer andern
Aeußerung der Regierungsbank zusammen, daß man mit Uerbergehung desje-

nigen, was in einer Reihe von Jahren Gutes geschehen, immer nur auf
das hinweiſe, was nicht geschehen sei. Dies sind jedoch nicht Rechte

und Forderungen, die man willkürlich geltend macht, sondern es liegt überhaupt
in der foriſchreitenden Bildung des Volks, vaß auch mit jedem Jahre neue For-
derungen hervortreten müssen, und es wäre gut, wenn bie Regierung, ſtatt zu
warten bis dieſelben gleichſam durch die Zeit erzwungen werden, ihnen zuvor
tzt!!; den alsdann würde ihr gewiß für das, was ſie thut, sehr gedankt wer-



Vas das Recht, eine Adreſse zu erlaſſen , betrifft, ſo hat ſchon der Abg. Peter
überzeugend dargethan, daß die Kammer davon nicht abgehen könne. Es gibt
Rechte, die, wenn sie nicht auf dem Papiere ftehen, in der Natur der Sache
liegen. Hat einmal die Kammer die Einsicht gewonnen, daß die Umstände for-
dern, ſich unmittelbar an den Thron zu wenden, so wird sie dies auch thun

und die Folgen davon auf ihre Verantwortung nehmen.. Die Regierung kann

jedenfalls auch thun, was sie verantworten zu können glaubt, und sie wird dies
auch thun. Ich beſcheide mich deßhalb, weiter davon zu reden, was wir thun
könnten, wenn wir wollten, und erlaube mir nur einige Worte darüber, in
lun Sinne zer Antrag des Abg. Welcker von der Kammer angenommen
. j | '.
_ Er ſselbſt hat gesagt, und Mehrere nach ihm haben wiederholt, daß es in
dem Sinne geſchehe, um irgendwie eine Verftändigung zwischen Regierung und
Kammer herbeizuführen. Den Frieden liebe ich auch, aber ich will einen ehr-
lichen, wirklichén und wahren Frieden, nicht einen leeren Scheinfrieden, den
wir damit erkauften, daß wir mit einem pflichtvergeſſenen Schweigen über Das
weggehen, was wir beſprechen müssen. Nicht dadurch wollen wir ihn erkau-
fen, daß wir ängstlich diejenigen Fragen umgehen, worüber eben gerade der
Zwiespalt herrscht. Die Wunden des Landes wollen wir nicht verdecken, son-
| dern Alles, was an uns liegt, dazu beitragen, daß sie gebeilt werden. Wollte
mandas nicht, ſo müßte man uns eben abermals fortſchicken. Wenn wir aver



eine Verſtändigung darüber suchen, was geschehen solle, ſo müſſen wir auch die |

îêÑ Orunvſätze feſiſtellen, auf welche hin eine Verständigung möglich iſt. Wir kön-
î nen uns nicht verhehlen, daß wir mit diesem Landtag in ein neues Stadium
des öffentlichen Lebens getreten find. Seit 1843 bis j:1t war es haupisſächlich

W ;;! um die Mehrheit in der Kammer, der das öffentliche L-ben bewegt

Dieſer Kampf iſt entſchieden, und wahrscheinlich sür immer entſchieden ;
denn man muß ſich darüber keine Jlusion machen; die Mehrheit wird aus die-
ſer Kammer nicht mehr verdrängt, es müßte denn durch Gewalt geschehen
und dieß iſt in Baden ſchon darum nicht möglich, weil der badische Thron auf

Vertrauen und Liebe gebaut iſt, unv der größte Feind von Fürſt und Volk
wäre der, der dieſe Grundiagen wegnehmen wollte. (Viele Stimmen: Sehr
qut!) Jett, nachve:n dieſer Kampf beendigt iſt, tritt die andere Frage ein:
was unter solchen Umständen zu thun ſei? und hier scheint mir Eines ganz
einfach zu sein. Die Regierung muß eben jetzt erkennen, daß fie mit dieſer
Mehrheit regieren muß. Wir von unſerer Seite erkennen dagegen auch gerne



während sie für das, was fie geben mußte, keinen Dank metr ärndtet.



an, daß wir nicht Alles allein machen können ~ also von beiden Seiten eiue
Verſtändigung über Das, was Noth thut und was unter den gegebenen Ver-
häliniſſen möglich iſt, zu Stande kommen muß. Der erſte Schritt iſt in ſol-
<en Fällen immer der ſchwerſte; er iſt heute von dieser Seite geschehen.
. Meine Herren, es iſt ein böſes Geſpenſt, vas ſich so oft in die öſfentlichen



Verhältnisse einzudrängen pflegtz es iſt die Furcht vor dem Anſchein der Schwächen.

Wir haben diese Furcht überwunden und mag man dazu sagen was man will,

es gehört Muth dazu, den Verhältniſſen, wie ste ſind, Rechnung zu tragen.
mehr Muth, als unbedingt den Wünschen und Eingebungen des eigenen Willens

zu folgen. Wir dürfen aber mit Recht erwarten, daÿ auch von Seiten der

Regierung diese Furcht beseitigt wird; daß nicht die Scheu vor Conceſſionen ſie
abhalte, vertrauensvoll der Kammer entgegenzukommen. Es iſt ein trauriger

Kreis, in dem man ſich seit ſo vielen Jahren herumgedreht hat, wenn man iG

bewegten Zeiten sagt: nur jetzt keine Conceſſionen, und wenn es ruhig geworn
den iſt: nun iſt ja Alles wieder ruhig, warum also Concesſionen machen? Nein,
Conceſssionen soll die Regierung an ihr e Feinde nicht machen, denn das wäre
ſchwach;z wohl aber an die Wahrheit, das Recht und die Vernunft, an die ge-

rechten und billigen Wünſche des Volkes. (Vielſtimmiges Bravo.) Das iſtt
keine Schwäche, sondern Kraft; das iſt es, was die Regierung ſtärkkt und ihre .
das Vertrauen des Volkes, das Vertrauen von ganz Deutschland erwerben mie.
Man wird dagegen einwenden, ob denn das immer Recht uud Wahrheit fen

was man von dieser Seite fordert? Das behaupte ich selbſt nien.
Ich glaube an keine Unfehlbarkeit der Meinungen, weder auf dieser Seite

des Hauſes noch sonst wo. Allein das kann und muß man fordern, daß die !

Regierung vorurtheilslos auf vas eingehe, was von dieser Seite des Hauſes

gefordert wird, daß sie es erwäge, prüfe und nicht darum zurückweiſe, weil
es von dieser Seite gefordert worden iſtz daß sie das, worüber wir klagen, neten.

zum Voraus für unwahr halte dder. entschuldige, nur weil wir es ſind, die
Klage führen. Sie wünschen Vertrauen; ja, es beruht das Wohl des Landes
darauf, daß Vertrauen hergeftellt werde. Geben Sie nur Vertrauen, so wer-

zer Seele wünſche. Nicht als ob wir keine Klage mehr hätten; Manches, was
bei dem letzten Landtag beklagt wurde, steht noch, manches Neue iſt hinzuge-

kommen. Nicht, weil wir glaubten, dadurch unsere volle Zufriedenheit mit da

öffentlichen Verhältniſſen auszusprechen. Nein, wir wissen und fühlen es, das
ganze Land fühlt es, wie ſehr einflußreiche Elemente in unserem Lande einer

ungeheuern Zäbigkeit entgegenſtehen. Allein wir blicken auf die Männer auf je-
u L UL C EN L FLER CE §E
ben, wenn ſie nicht ſelbſt die Hoffaung und die Zuversicht hätt-n, daß für die

Zukunft das Ruder des Staates in einem ächt konſtitutionellen Sinne gefünt.

und alle die Hinderniſsſe, welche der Wiederherſtellung des vollen Vertrauens
zwischen Regierung und Volk entgegenftehen, allmählig beseitigt werden können.
Das ift es, was wir bier aussprechen, und dies iſt der Sinn, in dem wir dem
Antrag des Abg. Welcker zuſtimmen. Das iſt der Friede, den das Land wünſcht,
nicht wir, sondern die Bürger des Landes, von einem Ende des Landes bis

zum andern, wie mir Diejenigen, die aus der Mitte der Bürger hervorgggeaen.

gen sind, gewiß alle bezeugen werden. (Vielseitige Zuftimmung.) Möge die
Regierung mit gleicher Gesinnung uns entgegenkommen, möge ſie in dieſem
Sinne mit der Kammer verhandeln, so wird eine neue ſchöne Zeit in unſer

Vaterland wiederkehren und das Verdienſt dieſes Landtags wird es sein, dieenn (

Zeit den Weg gebahnt zu haben. , "
Kapp: Auch ich unterſtüßse den Antrag des Abg. Welcker und ſpreche

meinen Dank aus, sowohl für die Mäßigung, für den schonungsvollen um '

versſöhnenden Geiſt seiner Worte, als auch für die Energie, die darin athmet
und die besonders an die alte Kraft deutscher Verhältniſſe erinnert. Die Ener-
tt zyt ee toten: tu st Grit Url ue Meere f El
iſt nicht die Mäßigung eines schwachen und sc, wankenden blos in Mittel-

mäßigkeit verſchwebenden Gemüths. Der Dank für diese Energie iſt zugleich

ein Dank für seine Schonung und Mildez sie iſt der Ausdruck aller Stimmen

und der ganzen Oppoſition in dieser Kammer gewesen, weßhalb ich mir nur

noch wentge Worte über diese Frage erlaube. Mit Bedauern muß ich aber be-
sonders hervorheben, daß man von verſchiedenen Richtungen mißfällig aufnahm,

wenn die Kammer gewiſſe Beſchwerden in ihrem allgemeinen Zuſammenhang
vor den Thron bringen will. Der Thron iſt das Centrum des Staats. In
dem Throne einer konſtitutionellen Monarchie liegt die ſelbſtheilende Kraft der
hervortretenden Uebel, die organisirende Centralkraft seiner Gesundheit. Wenn
Beschwerden vorhanden ſind, so müſsſen sie ausgeſprochen werden, und wenn
dieſe nicht in ihrem Zuſammenhang, sondern nur so einzeln aufgezählt werden
sollen, jo wird der öffenilichen Stimme des Volks das große Recht genommen,
welches sie hat, zu dem Throne zu sprechen über Alles, was ſie drückt.

_ Wer dieſes Recht der Kammer abſpricht, beleidigt selbſt die Würde des
Thrones und verletzt das Vertrauen, welches die Kammer in Anſpruch zu neh-
men hat, gefährdet die Liebe des Volkes gegenüber von dem Souverän des Lan-
des, der die innerſten und tiefsen Wünſche und Klagen der Nation in ihrem
Zusammenhange anhören wird und nach seiner Stellung anhören muß. Es hat
ſich durch die neueren Verhältniſſe an den Tag gegeben, daß die Oppofition
ſelbſt nicht etwas Vereinzeltes iſt, daß ihr nicht blos einzelne Uebel entgegen
ftehen, sondern daß ſie sich einem ganzen politiſchen S y ſtem gegenüber befindet

und ſo muß auch die Kammer das Recht haben, die Schattenseiten der Staats-
verhältniſſe in ihrem innern Zuſammenhang dem Throne nahe zu legee. OGH

die Kammer berechtigt sei, eine Adreſſe in diesem Sinne abzugeben, ift keine

' Frage, so wenig es am Ende eine blos rechtliche Frage sein kann, ob und in



welchem Sinne der Fürſt des Landes eine solche Adreſſe annehmen will. Es iſt_

sodann vielfach von Concessio nen die Rede gewesen. Eine Conceſſon da

Kammer gegenüber scheint mir aber eigentlich ein ungeſegliches Wort zu sein,
 
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