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Mannheimer Abendzeitung — 1847

DOI Kapitel:
No. 58 - No. 88 (1. März - 31. März)
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1847.
b .; V , n mung n F

. Inserate die

. 11 _ Deeutfſchlansd.

Aus dem Badiſchen, 11. März. (Oberrh. Ztg.) Die Veränderungen
in den höchſten Beamtenkreiſen, welche in jüngſter Zeit zu München vorge-
nommen wurden, scheinen eine totale Umwälzung in dem bisher befolgten po-
litiſchen Syſteme garantiren zu können. Der Einfluß des Clerus, der ſich ſeit-
her auf alle Sphären nicht nur der Kirche und Schule , sondern auch des

Staates erſtrectte, wird dadurch paralyſirt und in seine natürlichen Grenzen |

zurückgewiesen, so daß wir hoffen dürfen, es werde auch die Universität in
u welche vorzugsweise die hierarchiſche Richtung vertreten iſt,
einer geiſtigen Wiedergeburt entgegen reifen, wenn die Lehrſtühle mit tüchti-
gen, vorurtheilsfreien, nicht im Dienste der welſchen Partei ſtehenden oder die Wissen-
ſchaft mißhandelnden Männern besetzt werden. Mag das Unkengeschrei / auch
noch so oft ertönen, daß die Wiſſenſchaft entweder katholisch oder proteſtantiſch
vorgetragen werden müſſe: solche Stimmen können nur noch etwa Denjenigen
bethören, der ſich niemals zu dem Begriffe der Wissenschaft erhoben, der noch

Abonnement in Mannheim halbjährlich 2 fl. 48 kr., durch die Poft bezogen im ganzen Großherzogthum Baden
halbjährlich 5 fl., im Ausland erhöht ſich vas Abonnement um den Poftaufſchlag. ,
gespaltene Zeile in Peiitschrift oder deren Raum vier Kreuzer. Briefe und Gelder: fret einzusenden. )

nie ihr Wesen erfaßt hat. Die Wiſſenſchaft iſt erhaben über alle kirchlichen

Parteien; ihre wahren Verkündiger und Apoſtel kümmern sich im Bewußtfein
ihres hehren Berufes nicht um das widerliche Gezänke einer Faction, die ſtets
nur ihr Interesse verfolgt und die Wiſſenſchaft, ſobald sie ſich nicht zur Magd
erniedriget und ihre Selbſtſtändigkeit und Würde behauptet, mit Koth bewirft,
verläumdet und läſtert; ſtrenge Wahrheitsliebe, Unparteilichkeit, ernſtes For-
schen auf dem Gebiete der Natur und der Geſschichte, „Männerſtolz vor Kö-
nigsthronen-. characteriſiren den echten Jünger der Wissenſchaft; Vorurtheile,

Parteilichkeit, Scheu vor der ungeſchminkten Wahrheit, kriechender Servilis-

mus bilden die hervorſtechenden Eigenschaften jener Coalition, welche die Wiſ-
senschaft zum verächtlichen Inſtrument einer geiſtverknechtenden Propaganda
herabwürdigen will. Ueberall da, wo dieſe ihren Sitz sich erkoren hat, iſt
die Wiſsenſchaft in Fesseln geſchlagen. Natürlich! die Reſultate unbefangener
Forſchung sprechen denjenigen Doctrinen Hohn, welche ein Verräther oder

Caglioſtro der Wiſſenſchaft seinen Zuhörern vorzutragen beliebt. Leider ſind |

die deutschen Hochschulen theilweise in einem Zuſtande, welcher die freie Wiſ-
senschaft geradezu bannt und ächtet; leider sehen wir noch eine große Anzahl
vön Männern die Lehrcanzeln betreten, welche, ihrer eitlen Selbſtſucht fröh-

nend , oft einen Hochverrath an der Majeſtät der Wiſſenſchaft begangen ha-

ben. Namentlich haben die baierischen Hochſchulen ſeit mehreren Jahren den
r j tttewtysvettet Ruhm erlangt, daß faſt alle Repräsentanten der Wiſ-





tion oder einem todten Stabilismus huldigen. Das Lebenselement der Wis-

senschaft it die Freiheitz wo Freiheit herrſcht, da iſt Bewegung und ein eif- 4

riges Streben vorwärts; Ruhe oder ein Drängen rückwärts sind die der
Wiſſenschaft todbringenden Parzen. Werfen wir aber einen Blick auf die
baieriſchen Hochschulen, so werden gewiß unsere Behauptungen über den Bil-

dungsstand derselben gerechtfertigt werden. In welch’ trauriger Lage sſchmach-
tet die Erkenntnißwissenſchaft, die Philosophie! Weder in München, noch in
Würzburg, noch in Erlangen iſt gegenwärtig ein Gelehrter, der den Anfor-
derungen, welche heut zu Tage an einen Docenten der Philosophie geſtellt
werden, genügen könnte. In Isar-Athen lehrt zwar Schubert; allein sein
Myſticismus wird doch wahrlich nicht mehr als Wissenschaft betrachtet werden
dürfen. Ebenso wenig vermag Deutinger auf den Namen eines Philosophen
Anspruch zu machen, dessen Beſtrebungen wesentlich auf das Conſtruiren einer

„hriſtlichen Philosophie“ gerichtet ſind. Oh ,chriſtliche“ Logik! In Erlangen,

dem Stamnssitte des rechtgläubigen, ſtarren, proteſtantiſchen Orthodoxismus
iſt die Philosophie nichts Anderes, als ancilla theologiae. Ebenso bemüht
man ſich, die andern Fachwiſſenſchaften zu chriſtianiſiren. Ich erinnere nur an
die „chriſtliche" Medizin von Ringseis in München, der irgendwo gesagt hat,
er habe das Maniùſcript seines „Syſtems der Medizin“ seinem jetzt verſtorbe-
nen Freunde Klee, Profeſſor der Theologie in München zum Durchlesen über-
geben, und dieser habe ihn versichert, daß kein Verſtoß gegen die katholiſche
Dogmatik in demselben ſich finde. Welch’ erhebender Gedanke, ein ,chriſtlicher“

tit.

werden



Mediziner zu sein! welch hoher Gewinn für die Academiker, wenn sie den

Jünger Aesculap's im Mantel chriſtlicher Demuth den Katheder besteigen sehen.
Bekannter noch, als Hr. u. Ringseis ſind die Versuche von Philipps, den
hierarchischen Absolutismus zu verfechten; allgemein bekannt iſt die ,chriſtliche-
Rechts- und Staatslehre des ehemals in Erlang en, nunmehr in Berlin ſein
Licht ausbreitenden proteſtantiſch-pietiſtischen Profeſſors Fr. Jul. Stahl. Soll
ich noch mehr Beweise beibringen? J< glaube, daß das Geſsagte hinreicht,
um meine Behauptungen übex den traurigen Zuſtand der baieriſchen Universi-

täten zu rechtfertigen. Der jetzige Cultüsminiſter würde sich unvergeßliche

Verdienſte um Baiern erwerben, wenn er an die Hochſchulen Männer beriefe,
welche die jüngere Generation zu tüchtigen conſtitutionell en Staats-

dbürgern heranbilden würden. Möchten wir hoffen dürfen, daß die Reſtaura-

tion der baieriſchen Hochſchulen recht bald vorgenommen wird, damit ein

Staat, wie Baiern, auch in Beziehung auf die Wiſſenſchaft diejenige Stellung

einnimmt, welche ihm’ in andern Gebieten ſcine politiſche Macht verleiht. -

[):

Stockach, 10. März. Dem Vorstand der hieſigen Deutſchkatholiken iſt

in' dieſen Tagen Rachfiéhendes mitgetheilt worden;

y„Beſchluß. Die Regierung des Seekreiſes wird beauftragt, dem Vor-
. ſtande des Vereins der Anhänger des Leipziger Glaubensbekenntniſſes in.

[ Stockach auf seine Vorſtellung vom 22. Nov. v. J. unter Rückgabe der
damit vorgelegten Zeugniſſe zu eröffnen, daß man nichts dagegen zu
erinnern finde, wann der Prediger der katholischen Diſſidenten in Ulm,

_ Johr Friedrich Albrecht, dazu beſtellt wird, den Stockacher Verein –~

zur Vornahine ver geiſtlichen Verrichtungen bei demſelben ~ zeitweise zu
ybeſechetny n ! uu ( Géz.) A. .. d. P.. Byunner-,“
Frankfurt a. M., s. März. (Verlägsverbot.) Abermals iſt vom
deutschen Bunde dié Maßregel des Verbots eins ganzen Verlags er-
riffen worden. Ju der Sitzung am 18. Febr. hat nämlich der Bundestag den
Beſh(uß gefaßt, daß im Bereiche der Bundesſtaaten der Eingang sſämmllicher



U No. 74. ..



m .

Verlagsartikel des literariſchen Inſtituts zu Heriſant, Chnlsis. Appenzell in der
Schweiz, auf welchem Wege die dahin gehörigen Schriften auch eingebracht

hieten sei. Wir ersehen dies aus dem preuß. Regierungsblatte, wo dieses Ver-
bot zuerſt gesetzlich publicirt wird. | (D: A. 3.5
Vom Rhein, 9. März. Die niederländische Regierung ſteht in dieſem Au-
genblicke sowohl mit den Zollvereins-Staaten als auch mit dem franzöſiſchen
Gouvernement in Unterhandlung, um mehrfache Verkehrs - Erleichterungen zu
erwirken. Daß es Holland hauptsächlich darum zu thun iſt, seinen Seehandel
und zugleich in folgerichtiger Reihe den rheiniſchen Verkehr gegenüber dem bel-
giſchen Mitbewerbe zu erhalten und zu heben, unterliegt keinem Zweifel. Es
wird seinen Vortheil eben so im Auge behalten, als es von Seiten der mit ihm
unterhandelnden Regierungen geschieht. Die Berichterſtatter mehrerer öffentlichen
Blätter sind indeſſen im Irrthume, wenn ſie als Thatſache hinstellen, daß das
Cabinet im Haag für die von deutscher Seite beanspruchten Zugeſtändniſſe bloß
untergeordnete Gegenbewilligungen angeboten habe. Sind wir gut unterrichtet,
ſo handelt es sich darum, den deutschen Zollvereins-Staaten in den hollän-
diſchen Häfen dieselben überwiegenden Vortheile zu bieten, welche denselben
in Antwerpen ermöglicht wurden. Daß Holland auf Abschaffung, beziehungs-
weiſe bedeutender Ermäßigung der Rheinzölle, als erſter Grundlage eines
Vertrages, beſteht, iſt gewiß, und wir können aus guter Quelle versichern,
daß mehrere Regierungen der Rheinufer-Staaten mit Bereitwilligkeit dem An-
ſinuen desselben beipflichten. Unserer Ansicht gemäß kann Deutschlands Han-
delspolitik nur dann eine gesegnete sein, wenn es sich nach wehrfacher Settt.
Absatwege zu erschließen sucht, und aus eben dieſem Grunde ‘ann und darf
es in seinem wohlverſtandenen Intereſſe das Anerbieten Hollands um so wéni-
ger schnöde abweisen, als dadurch gerade unsere weſtlichen Nachbarn Nutzen
daraus ziehen könnten. Steht uns ja ohnedies ein Anſchluß der Hanſeſtädte
an den Zollverein abermals in weiter Ferne. - (Köln. 4,93).

Speyer, 13. März. Die ,, Geldklemme “ auf den großen europäiſchen .

Handelsplätzen hat ſich leider noch keineswegs vermindert, sondern ſie iſt viele

mehr in den legten Tagen noch ſtärker geworden. Vergeblich hatte man gehofft,

da jegt die Termine für die Zinszahlungen der amerikanifchen Staatsschulden
eingetreten, ſo werde der Geldabfluß über den Ocean aufhören: die letzte Wo-

chenüberſicht des Standes der Londoner Bank beweist indeß eine neue, sehr aun
| ſehnliche Verminderung der Geldvorräthe derselbe... j :
i baieriſchen Univerſitäten entweder der entſchiedenen Reac-

_ Was aber im Augenblicke neben den auswärtigen Getreidekäufen unver-
kennbar am Meiſten einwirkt auf die Geldmärkte, ſind die neuen Staatsan-

T eh en. Das engliſche hat niederdrückend auf den Markt von Londvon, das

öſterreichiſche aber noch ungleich niederdrückender auf jenen von Wien und von

Frankfurt eingewirkt. Es iſt bemerkenswerth, daß dies jegt ſchon der Fall iſ
wo auch noch nicht eine wirkliche Einzahlung erfolgte; und es mag dies an-

deuten, daß sich die Dinge noch minder günſtig geſtalten werden, sobald die

sehr raſch auf einander zu leiſtenden wirklichen Einzahlungen stattfinden müſſen.

Vor einigen Jahrzehnten hat bekanntlich G eng die Ansicht ausgesprochen:
Die Regierung einer Großmacht dürfe ſich nur des vorhandenen Geldes verse
lyer!. y ts ſie alle Bewegungen von Innen und Außen von vorn herein
unmöglich machen. + | ML M . üihs

î Hür gewöhnliche Zeiten enthält diese Anſicht etwas Ungereimtes. Jeder
Staat, ja selbſt zwei oder drei Großmächte vereinigt, würden in einem solchen
Falle weit früher ihren Credit, als den Geldmarkt erſchöpfen. Anders iſt
es aber in Zeiten wie die gegenwärtigen. Selbſt ohne baß irgend Jemand
die Gentsche Absicht hegt, ſtellt sich da die erwähnte Wirkung von selbſt

ein. Das große öſterreichiſche Anlehen übt ohne Zweifel, (wie ſich zum Theile.

ſchon jetzt zeigt,) einen ſo bedeutenden Einfluß auf die Geldmarktsverhältniſse
aus, daß z. V. Preußen, oder noch mehr Rußland, schwerlich im Falle
sein werden, irgend ein größeres Anlehen in der nächſten Zukunft zu Stande
zu bringen, wenigstens nicht ohne die ungünſtigſten Bedingungen. Die Ueber-
einkunft der Wiener Finanzverwalrung mit den erſten Bankhäuſern des Conti-
nents iſt daher auch für die Finanzverwaltungen in Petersburg und Berlin,
und wenigstens zum Theile auch für jene in Paris, ein ps Ereigriß:
München, 10. März. (Oberrh. Ztg.) Wie sehr die öſterreichiſche

Regierung stets darnach strebte, auf die kleineren deutschen Cabinette einn.

überwiegenden Einfluß zu bekommen, iſt allgemein bekannt, ebenso, daß ihr
dieß nirgends in so hohem Grade gelang, als bei uns, wo der Hr. v. Abel
der Haupthebel dieser Politik war und in den engsten Beziehungen mit dem
öſterreichiſchen Gesandten, Grafen von Senfft-Pilſach, stand. Dieſer Legtere
war es auch, welcher den Rücktritt des Fürſten Ludwig v. Oettingen-
Wallerſtein vor zehn Jahren veranlaßte. Von dein Sturze des Miniſte-
riums Abel wurde natürlich auch die ſeitherige auswärtige Politik berührt,
und in dieser Beziehung wollen wohlunterrichtete Perſonen um Aeußerungen

des Königs wiſſen, welche darauf hindeuten, wie er gesonnen sei, diejenige.
„| selbſiſtändige Stellung einzunehmen, zu welcher Baiern in jeder Beziehung die

volle Anwartschaft hat. Wie man jetzt erfährt, wird Graf Senfft : Pilſach, '
der auch während des letztvergangenen stürmischen Landtags eine bedeutende
Rolle bei uns ſpielte und sein Haus zum Versammlungs- und Berathungsort
der ultramontanen Partei mathte, nächſten Sonntag unsere Stadt für längere
Zeit verlaſſen und vielleicht nicht mehr zurückkehren. Es heißt nämlich, er
sei an des Grafen von Münch-Bellinghauſen Stelle zum Gesandten Oeſter-
reichs beim deutſchen Bunde beſtimmt, da letzterer Staatsmann als geh. Con-
ferenz- und Staatsminister den Fürſten Metternich, dem bei seinem vorgerück-
ten Alter das Gewicht der Geschäfte zu bedeutend wird, zur Seite gegeben
werden soll, um ſich so auf die Nachfolge in dem Amte des Staatscanzlers
vollends vorzubereiten. Vor einigen Tagen iſt der Adjutant unseres Königs,
Baron Hunoldſtein, nach Palermo an den Kronprinzen abgesendet worden.
Man will diese Misſion theils mit unsern neueſten Minifterveränderungen,
theils mit den Vorgängen in Griechenland in Verbindung bringen.

möchten, ſowie deren Annahme, Verbreitung und Versendung zu ver.
 
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