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Mannheimer Abendzeitung — 1847

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No. 89 - No. 116 (1. April - 30. April)
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Donnerstag, den 1. April. / . (j “ su



1847.

Abonnement in Mannheim halbjährlich 2 fl. 48 kr., durch vie Poſt bezogen im ganzen Großherzogthum Ba ven.
halbjährlich 5 fl., im Ausland erhöht fich das Abonnement um den Poſtauffehllaen. .
Inserate die gespaltene Zeile in Petlitſchrift oder deren Raum vier Kreuzer. Briefe unv Gelder: frei einzuſenden.



U..

Deutschland.

. 50]* Heidelberg, 28. März. Heute wurden die Herren Graf von
_ Worms und Heribert Rau durch Dr. Brugger als Prediger der deutſch-

îatholiſchen Kirche eingeführt. Heribert Rau wird, wie bekannt, zur ſtuttgar-

ter Gemeinde abgehen. Herr Graf tritt an die Stelle des Herrn Scholl in
_ HMannheim. Die beiden Prediger sprachen sich vor unserer Gemeinde aus. He-
ribert Rau, welchen Dr. Brugger auf die Beschlüſse der leipziger Kirchenvkr-
sammlung verpflichtet hatte, „so lange diese in Kraft beſtünden“, ant-
wortete, er werde diesen Grundsätzen „bis zum le z ten H auch “’ treu blei-
. ben. Die Mißbräuche der alten Kirche wollte er nicht ausgerottet wiſſen, um
den „Ung l auben “ an die Stelle zu setzen; vielmehr ſprach er sich entschie-
den gegen die „unfruchtbaren Philosoph eme“ aus. Herr Graf redete
Ut hm lp! peur. véen.er barstshtis ver Eprite
der Versammlung war gedrängt vollz außen waren noch Gerüſte angebracht,
auf denen eine Menge zu den Fenstern hereinsſchaute. p 1
_ Es hat uns ſehr befremdet, daß Herr Brugger auf die Beſchlüſſe der

leipziger Kirchenverſammlung verpflichtete. Ein deutſchkatholiſcher Prediger

ſollte nach unserer Ansicht in der Richtung seiner Gemeinde predigen. . 1;
_ Carlsruhe, 20. März. Das neueste Reg. Blatt enthält einelandesherrl.

f Verordnung vom 12., durch welche die durch Verordnung vom 28. Dez. 1838
dbeſtimmten Anzeig egebühren in Steuerſtrafsach en vom 1. April an

aufgehoben werden. Die bisher in solcher Eigenschaft den Anzeigern zu-

î gefallenen Antheile an Srafen und Konfiskats - Erlösen fließen in die Steuer-
kaſſe, werden jedoch alljährlich zu Belohnungen für solche Steuer-Aufseher und

sonstige Angestellte der Steuerverwaltung verwendet , die ſich einer Anerkennng

durch Dienſileiſtungen und gutes Betragen würdig machen. ~~ Eine Ver-

fügung des Finanzminiſteriums vom 26. März bestimmt: Der Ausgang s-
z oll für Mehl und andere Mühlenfabrikate wird von A fl. auf 3 fl. 20
| kr. vom Centner und für Brod von 4 fl. auf 2 fl. 30 kr. vom Centner er-
rst §.irube, :20. März. Der 28. März, auf welchen nach einer Prophe-
. zeihung abermals ein Brand ſtatt finden ſollte, dessen Annäherung so manches

Herz mit Beſorgniß erfüllte, iſt glücklich vorübergegangen, zwei Nächte hindurch
Jdpatrouillirten Bürger und Soldaten fleißig durch alle Straßen, erhielten die

dbeſte Ordnung, und es wagte keine ruchloſe Hand, neues Unglück einer Stadt
zu bereiten, die sich von dem Schmerz über die vielen Opfer noch nicht erholt
hat, welche der 28. Febr. sie koſtete. Von dem Resultate der Untersuchung,

welche zuerſt der. Juſtizreferent des Hofverwaltungsrathes führte, und die
_ dann an das Stadtamt abgegeben wurde, verlautet noch nichts, wohl aber |
_ von dem Wunſche, daß solche jedenfalls dem Großh. Hofgericht vorgelegt wer-

den ſolle. ' 1:4 1
rt z! Vom Rhein, im März. Die „Bremer Zeitung“! hat es neulich
ſehr gelobt, daß die großherzoglich badische Regierung so „stark “ sei, die
Flugblätter revolutionären Inhalts z. B. das : „zur Vorbereitung“ durch die
Zensur zu laſſen. Wir freuten uns dieses Urtheiles der „Bremer Zeitung“
und hofften mit ihr, daß die großherzoglich badische Regierung auch in Zu-

êunft eine ſolche Stärke zeigen werde. Nun kömmt plötzlich die nämliche
uHBremer Zeitung“’, und zwar gleich den Tag darauf, und lobt die preußiſche

Regierung , daß sie den „radikalen Umtrieben“ so kräftig ſteuere und nach al-
len revolutionären Flugblättern und Broſchüren, hauptsächlich nach den ,hirn-
. verbrannten Machwerken“ Heinzens ~ fahnde.
. der bremer Kaufleute findet dieß Verfahren „sehr anerkennensw erth “ und
bedauert höchſtens, daß durch solche Polizeimaßregeln den Revolutionsſchriften

eine unverdiente Wichtigkeit beigelegt werde. ,„Anerkennenswerth“ iſt ihr das
Verfahren jedenfalls, um so mehr, als ſie nicht verhindern kann, daß das

gute Geld der preußiſchen Unterthanen, die schönen Thaler zur Unterſtügung
des braven Republikaners Heinzen an „Vater Itſtein- und die „Mannhei-

mer Abendzeitung“ abgehen.

Es iſt was Merkwürdiges mit so einer bremiſchrepublikanischen Zeitung!
-~ Neulich entſchlüpfte der „Allg. Preußiſchen Zeitung“ einmal die Aeußerung,

. über die neue Verfassung s frage würden alle Meinungen sich aussprechen |

dürfen, ohne die Zensur fürchten zu müssen. Die liberalen Blätter, u. A.
auch die „Bremer Ztg.“, faßten dieß Wort freudig auf. Da erschein
eine neue Flugschrift von Heinzen. Flugs vergißt die „Bremer Ztg.“
ihre Preßfreiheitsgelüſtez die Regierungen sollen nicht mehr ,,stark“" sein
nein! sie ſollen fahnden, Untersuchungen einleiten, Hochverräther vor Gericht
ſchleppen, Zuchthausſtrafen erkennenl Alles zur größern Sicherheit der libera-
len Geldariſtokratie! - Welch’ eine Furcht vor einem rhirnverbrannten Mach-
werk! Oh, man weiß es recht wohl, was es im Nachsatze heißt: das Ver-
fahren der preußiſchen Regierung lege den Revolutionsschriften zu viel Wich-
gkeit bet, während der Vordersat sagt, das Verfahren sei „sehr aner-
sennenswerth".

î Bremer Zeitung! denkſt Du noch an Deine Ausweisung aus Preußen? i

~ Ja, Du derfkſt recht wohl an den großen Schaden, der Dir daraus ent-
fs" U)) Ucrgte. Geldariſtokraten schneiden zwar manchmal ein recht saures
Oppositionsgesiche. Im enrſcheidenden Fall machen sie aber mit der Polizei
gemeinsame Sache, nur um ſich die verfluchten Jakobiner vom Halſe zu ſchaf-
fen. ~ Die „Bremer Zeitung“ hat den Grundsatz der Polizeimaßregelung
anerkannt. Sts. soll sich darum über ihre Ausweisung nicht mehr beklagen.
u 19:1. reo! pfchts ich der „Bremer Zeitung!, einen Geſegzesvorschlag zu

_ entwerfen, nach welchem es verboten werden soll, dem „Vater Igſtein“ Geld

u senden. Es thäre ein Seitenſtück zur Ausweisung JItſtein's und Hecker's,
auf Ür'Etit: se hr}. qissrru'wäj1 Ui is'ntutsct Jutsu Stile rauf

Die freiſinnige Zeitung





No. 89.

vativer Journale gemachten Versuche, den Angriffen des unzenſirten Radika-
lismus durch Appellation an die öffentliche Meinung zu begegnen. So die vor
einiger Zeit in der „Preußiſchen“ und Augsburger „„Allgemeinen Zeitung“ ver-
öffentlichte Blumenleſe aus den Schriften von Heinzen und Marr, ſo die vor
Kurzem in der „Freiburger Zeitung“ abgedruckte Flugschrift „Zur Verbreitung".



Das Verfahren der beiden „Allgemeinen“ war bereits Gegenstand öffentlicher

Beſprechung, das der „Freiburger Zeitung“’ verdient wohl eben so gut, oder
noch weit mehr eine nähere Beleuchtung. .. rue u. .

. Abgesehen von dem Inhalte der fraglichen Schriften und Flugschriften
wird der unbefangene Beobachter unserer politischen Entwicklung den unge-
heuren Fortschritt nicht verkennen, der in jenen Appellationen an die öffentliche
Meinung — und als solche müssen die fraglichen Publikationen betrachtet
werden — enthalten iſte Man fühlt sich doch nachgerade etwas einſam und
verlaſſen in den hoch über den sonſt so en has behandelten bürgerlichen Kreiſen

und Meinungen ſchwebenden Regionen impoſanter Majestät und unerforschlicher

Bureaukraten-Weisheit, von welchen aus man die Geſchicke der schwachen
Sterblichen, ohne ſich durch „liberales Geschrei“ irre machen zu laſsen, zu
lenken gewohnt war. Man fühlt nachgerade die Nothwendigkeit, sich einen festen
Haltpunkt in der Meinung Derjenigen zu ſchaffen, welche die Kraft und den
Kern des ganzen Staatslebens bilden. Man hat eingesehen, daß eine Regierung

auf thönernen Füßen ruht, die nur durch die Polizei, nicht aber durch das Ver-

trauen und die Liebe des Volkes getragen iſt. Deßhalb sucht man den herben
und bitteren Angriffen auf den status quo gegenüber an die öffentliche Mei-

nung zu appelliren und sie dadurch indirekt zur Desavouirung derselben aufzu-

fordern. - Zweierlei Bemerkungen drängen ſich uns unwillkührlich dabei auf.

Wenn man Angriffe, wie sie in der von der „Freiburger Zeitung“ mitge-
theilten Flugschrift enthalten sind, vor das Tribunal der öffentlichen Meinung
ladet, so scheint der status quo, dem ſie gelten, doch irgendwie Veranlassung
dazu gegeben zu haben, so scheint das Bestehende, das angegriffen wird, nicht
so erhaben über sie zu sein, daß man sie ihrer eigenen Grundlosigkeit überlassen

und ignoriren könnte. Die Möglichkeit solcher Flugschriften muß in irgend einer

Beschaffenheit des Bestehenden ihren Grund haben, oder glaubt wohl Jemand,
daß in England oder Nordamerika, in Norwegen oder in der Schweiz Jemand

nur auf den Gedanken verfallen könnte, derartige Proclamationen unter das

Publikum zu wers\n? Sehen wir übrigens davon ab, überlassen wir einstweilen
jedem Unparteiiſa,. e; Beurtheilung dieſes Beſtehenden, und fragen wir da-
gegen nach der Ber. c4.gurg jener Appellation an die öffentliche Meinung. Wer
ein Urtheil, ein selbſtjkäadiges Urtheil abgeben soll, der muß frei, der muß in
der Lage sein, eine eigene Meinung zu haben und sie aussprechen zu können.

Hat unsere öffentliche Meinung dieſe Freiheit, ſind wir im Stande, die poliine.
chen Zuſtände und Ereignisse nach unserem eigenen Dafürhalten zu beurtheilen?

Oder müssen wir nicht vielmehr für jeden Gedanken, für jedes Urtheil, für -

jede Meinung das zensirende Placet einholen? Sind wir im Stande, frank

und frei, friſch von der Leber weg, so wie es uns zu Muthe iſt, uns auszu-
sprechen über die Fragen, die man uns vorlegt und unſer Urtheil abzugeben
über einen politischen Criminalfall ? Leider enthalten unsere Zuſtände ein Nein
als Antwort auf dieſe Frage. Nun denn, wenn man uns überhaupt das Recht
versagt, eine freie Meinung zu haben, wenn unser Urtheil überhaupt die hohe
obrigkeitliche Bewilligung erhalten muß vor seiner Geburt, warum wendet man
ſich an uns, oder warum sollen wir nur dann unsere Stimme abgeben, wenn
ſie bejahen soll, und warum unterdrückt man ſie in den Fällen, wo man een
Nein erwartet? Kann überhaupt die Stimme einer zenſirten Preſſe Gewicht
haben? Können nicht jene Angeklagten gegen jedes Urtheil einer unfreien, ge-
bundenen Meinung proteſtiren, ihre Appellation an den Caſſationshof der Frei-
heit bringen und befangene abhängige Richter recuſiren? Man seße uns daher
vorerſt in den Stand, einen unparteiiſchen Urtheilsſpruch abzugeben , dann
wollen wir sprechen, dann wollen wir sagen, was wir von jenen Angriffe
halten. So lange aber dieß nicht geschehen iſt, werden wir thun, was die.Ehre
gebietet, wir werden ſchweigen und die Angegriffenen sich ſelbſt vertheidigen
laſſen. Mögen sie sehen, wie ſie zurecht kommen, mögen sie einem unzensirten
Angriff gegenüber die Macht ihrer Präventiv- Maaßregeln und polizeilichen
Palliativmittel erproben. |û 1 a14lzt H) | 15d(s
Was übrigens den Inhalt der fraglichen Schrift betrifft, so glauben wir,
daß er von diesem Standpunkt aus aufgefaßt werden muß. Denn an das

wirkliche Dasein eines ,„Rheiniſchen Comite's zur Gründung einer deutſchen

Republik“ wird wohl Niemand. glauben, auch würden die Anhänger der Repub-
lik schwerlich durch ein Comite sie ins Werk setzen wollen. Republiken werden
nicht durch Comite's gemacht, sondern durch die Zeit und die Umſtände. Die
fragliche Flugschrift scheint daher viel eher einen kleinen Aerger bereiten,
Revanche für manche andern Unbilden nehmen, als irgend eiue ernsthafte Ab-
ſicht verwirklichen zu wollen. Das beſte Mittel gegen solche Vexationen und
Schreckschüſſe wäre daher nach unserer Meinung Entfernung der allem Ver-
muthen nach ihnen zu Grund liegenden Veranlaſſungen. Wo Prefßfreiheit herrſcht,
da hören alle heimlichen Flugschriften auf. . lu u;
Was übrigens die Gräuel der Anarchie betrifft, welche die „Freiburger
Zeitung“ in jener Flugschrift gepredigt finden will, so geben wir ihr zu er-

kennen, daß es nicht blos anarchiſche Gräuel, sondern auch gesetzliche Gräuel

gibt, ... I I. v /
ß! > Aus dem Herzogthum Naſau, 30. März. Unsere Land-
stände sind seit dem 20. 1. Mts. verſammelt, werden aber wegen der bevor-
ſtehenden Oſterfeiertage wieder auf einige Tage auseinander gehen. |

î Die Gegenstände, welche auf dem dießjährigen Landtage zur Vorlage
und Berathung kommen, sind namentlich ein Gesetzentwurf über die Sicherung

der Eigenthumsrechte und anderer dinglichen Rechte an Immobilien, ein Ene.

wurf zu einer Wechseloronung, ein Geseßentwurf über die Einführung glei-

chen Maßes und Gewichtes im Herzogthum und ein Geſetzentwurf über die

Errichtung eines Landjägercorps als Sicherheitspolizei-Mannſchaft an der Stelle
der Reserve 11. Klaſſe. ql u u SI
 
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