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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 2 – No. 31 (2. Januar – 31. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0037
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halbjährlich






lag.
Gelder: frei

einzuſenden. D









Einladung.

S Wir bitten die weiteren Beſtellungen auf die
Waunheimer Abendzeitung
und „Kheiniſchen Blätter“ möglichſt zu beſchleunigen, be
ſonders auch damit wir von ihnen und dem gratis beigegebenen
aus führlichen !

Lan dtagsbericht-

über die mit dem 10. San neu beginnenden badiſchen
Stände-Verhandlungen vollſtändige Eremplaͤre liefern
können.

Die im vorigen Abonnement erſchtenenen eilf Nummern des „Landtagsberichts
Fönnen die neuen Abonnenten gegen Einſendung von 24 Kreuzern erhalien.



Deut ich land.

Karlsruhe, 2. Januar. Seit undenklichen Zeiten hat die Zahlungs⸗Un-
faͤhigkeit eines Handlungshauſes keine ſolche Aufregung in unſerm Staate ver-
anlafit, als die Injolvenz- Erflärung, des geachteten hieſigen Banquiers v. H.
und die daraas eniſtandenen Stodungen dreier bedeutenden induſtriellen Etab-
iiffements. Die Baumwollen ⸗Spinnerei zu Ettlingen war eines der großartig-
ſien Geſchäfte, welches Suͤd⸗Deutſchland in dieſek Beziehung aufzuweiſen ver-


ſeine Rentabilität, obwohl ihm als Director der geſckaͤftserfahrene Hr. Vetter-
Koͤchlin vorſtand. Auch die Rüben Zuckerfabrik zu Waßhäuſet, welche den Ae-
tionären keine Dividende abwarf, ſcheint erſt in der neueften Zeit einen beſſeren
zertgang genommen zu haben. Dagegen galt die Maſchinen-Fabrik von Hrn.


Tändifhen. Induſtrie hierauf ſtolz ſein Fonnte und die neu geſchaffeue Filial⸗An-
ſtalt in Eßungen freudig begruͤßie. Die finanziellen VBerhältniffe dieſer drei
Inſtitute wurden von dem Hauſe v. H. geleitet, deſſen Chef als ein ſehr tüch-
tiger. Handelsmann bekannt iſt. Unſere Kegierung iſt geſonnen, die genannten
———— aufrecht zu erhalten, ſofern es nur moͤglich iſt. Vorgeſtern und
heuie wuͤrden bereits hierüber Berathungen im Staals- Minifterium gepflogen,
nnd Hr. Kühlenthal aus dem Finanz-Miniſterium, ſo wie Hr. Weitzel aug heit
Minilkterium des Zunern beaufiragt, die Buͤcher zu dem Ende zu unterſuchen,
ob der verlangte Credit vor 1, Million gewaͤhrt werden koͤnne. Zugleich hegt
man die Abſicht, die Kammern noch vor dem 10. d. M, wahtfcheinlich auf
luͤnftigen Freitag den einzuberufen, um ſie zur Zuſtimmung für jenen Ere-
dit anzugehen, An 3000 Arbeiter würden brodlos, wenn die Fabrifen nicht
fortbeſtehen ſolllen; eine Maſſe von Beſtellungen für die Eiſenbahnen des Sür


Locomotive. Einſtimmig wird hier der Wunſch ausgeſprochen, daß der Fortbe-
ſtand wenigſtens der hieſigen Maſchinen- Faͤbrik durch den Sladt geſichert
werden möge. Köln. 3.)

#[]* Bam Rhein, 9. Jan. Unſere politiſche Preſſe, welde in Zei-


iſt meiſt von einer erſtaunlichen Kraftloſigkeit und Flaͤchheit. Wir haben we-
nige Blaͤtter und Schriften, welche weiter gehen, alg bis zu dem abgedro-
ſchenen 30er Liberaliomus des „aufgeklaͤrlen Mittelſtandes.“ Man kann die-
ienigen, welche den thatkräftigen Fortſchritt predigen und zugleich die In-
Ereſſen der arbeitenden Kiaſſen verfechten, an den Fingern zählen.
Mas wir an politiſcher Literatur beſitzen, ergeht ſich entweder falbadernd in
dem troſtloſen loyalen Freiſinn, oder will emen, wenn auch thatfräftigen,
voch bloß einſeitig politiſchen Fortſchritt, oder gehört zum friedfertigen, marfe
jf Es ſind wirkiich ganz wenige Blaͤtter, welche den So-
lialismus und die praktiſche That auf ihre Fahne ſchreiben. Elnen rühm-
lichen Platz in dieſer Reibe nimmt das „Weſtfäliſche Dampf boot⸗ ein,
welches Oite Lüning redigirt. Es iſt eine Monatsſchrift, mit Sachkenntniß,
‚Kraft. und lebhaftem Eifer für die Intereſſen des Arbeiterflandes geſchrieben.
Luaing iſt ſchon von früher herals gut demokratiſch geſinnt hefannt. Seine
Lonatsſchrift iſt durch wohlfeilen Preis auch den Unbemittelten zugaͤnglich.


*# Breslan, 3. Januar. (Die deutſchegeitung und das Pro-
letariat.! Die Bourgeoiſie leidet nicht ſelten an krampfhaften Zuͤckuuͤgen,
wenn ſie ſich daran erinnert, daß der Abſolutismus nicht ihr einziger Gegner
, daß vielmehr der unteren Volksklaſſe, dem Proletariat eine gaͤhrende
Maſſe zu werden beginnt, die in ihrem lauten durchdringenden Ruf nach ſo-


ſeren, fruchtloſen Proteſtationen der Conſtitutionsſuͤchtigen übertäubt. Wo aber
einen Ausweg ſuchen, wo Mittel finden, um dieſen koloſſalen Feind ſchadlos
zu machen? Wenn endlich die Sparkaſfen, Reform des Steuerweſens, Vor-
zathemagazine, Ausfuhrverbote und in der letzten Inſtanz Arbeitshäuſer und
Polizei ohne Wirkung bleiben, was anders thun alg den Hunger, den man
nicht verbieten kann! einfach zu laͤugnen? Auf dieſem Punkte der Verzweif-
Zung erblicken wir in dieſem Augenblit die „Deutſche Zeitung«s, und es gewaͤhrt
ein faſt Fomildes Schaufpiel, wie fie händeringend der beftchenden Gewalt bes
greiflich machen will, daß doͤch das ruhige, beſitzende, zufriedene Bürgerthum
die beſte Stütze des Thrones fet, daß es mit unerſchuͤtterlicher Treue an ſei-
uem angeſtammten Herrſcherhauſe feſtbäll und ſelbſt, wie Gervinus ſagt, die
Schaͤndlichkeit eines ganzen Lebens vergißt, wenn ung daun und wann -eine
keine Coneeſſion als Brofamen ven des Herren Tifche fällt — Fluch und
Weß ruft dann die fieberkranke Matrone über eine Zeit, wo dieſe Wahrheit








ſollte und eine verblendete Regierung
mit den /Praͤtorianerbanden“ (der deutſchen Prole tarier) liebaͤugelnd
auf ſie geſtützt, wie Oeſterreich in Galizien einen aſtatiſchen Abfolutigmus auf-
pflanzte, denn dann wuͤrde eine allgemeine Revoluiion zum Unglüg der Welt
bald den Lutigen Beweis liefern, daß dieſer Staat und dieſe Zeit durch die‘
ſchreckliche Thatfache der franzöſiſchen Revolution und ihrer Entſtehungsgründe
nicht belehrt worden ſei. Beim Anblick diefer Beängſtigung, dieſer Verzweiflung,
dieſes halb flehenden und weinerlichen, halb warnenden, halb wieder troſtrei-
chen Gemütbs das ſich in einem Heidelberger Artikel der „D, Z Luft wachte,
preiſen, wir gleich dem Phariſider beim Anblick des Zöllners. Jeden glüclich,
deſſen Syſtem es nicht verbietet, die Noth und das Leiden da zu ſehen, wo
ſie mit unverkennbaren Zügen für jedes empfindende Auge auf dem Antlitz ar-
mer, abgehärmter, entbebrender, leidender Maſſen ausgeprägt, uns bei jedem
Schritt unter das Volk begegnet, Jeden, der zwar mit Entrüſtung ein Ents
gegenfommen des Abfolutigmus zuruckweiſt, das den Hinterdalt herrſchſuͤchtiger
Plane verbirgt, aber ruhig dem ſicheren Tage entgegenfieht, wo jene Maſſen
über das treue, nachſichtige, ruhige beſitzende Bürgerthum zu Gericht figen
der nicht in dem Irrſaal ſeiner hohlen Theoͤrien ſich ſo weit
Lerliert, das Recht und die bedeutungsvollſten Intereſſen der Menſchheit der
Ruhe unterzuordnen und auf dem nirchhof eines den Beſitz der treuen Rei.
chen heiligenden Staatsgebäude zu begraben, das ſich ſelbſt Zweck aber um je-

vom Staate einmal verkannt werden




düſtern Gedanken ſo warm um's Herz wird, zu ſeinen ſpeziellen Behauptungen,

dexen Kühuheit, überraſchende Zuſammenſtellung und Haltloſigkeit Har genug
allerdings beweiſen, daß ihr Autor zu warnen war, um die Thatſachen gehörig
zu würdigen und zu kalt, um vinſtinktiv⸗ auf die Anerfennung- der Intereſſen
des /Proletariats hingetrieden zu werden.“ Wenn Georg Mervinus nicht
gexade veiner der ehrlichſten und der Wirklichkeit am meiſten Rechnung tragen-
den Bortampfer⸗ des beſitzenden ruhigen Bürgertdums, ſich Friedr. Engels
Autorität auf den Kontineni herübercilirt, um das Richtbeſtehen des Proletariats
in Deutſchland zu beweiſen, ſo iſt damit immer noch gar zu wenig geſagt. Dem
Friedr. Engels geht es wie Jedem, der aus den Regen in die Traufe fommt,
und fihlebhaft nach oem Rezen zurück gelehnt, ohue zu bebenfen, daß auch ein blofe
er Regen hinrticht um vollſtäudig naß zu maͤchen. Obwohl, meint Gervinus,


(conf. K. Heinzenis Rechenexempel!) noch





feitsfinn.“. Soll man lachen oder weinen über dieſe Troſtloſigkeit, die, well in
neuſter Zeit einige Gulden öffentlich zu barmherzigen 3wecken ſubſeribirt wur-
den, die Armuth, das grenzenlofe ſociale Elend für vernichtet haͤli. Weiß die
Deutſche Zeitung“ wirtlich nicht ſoviel, daß eine Wohlthätigkeit, die ſich in
Privat-Almoſex zeigt, niemals das Steuer, die Abhülfe der Noth, ſondern
ein bloßes Zeichen ihrer Exiſtenz iſt? Glaubt ſie wirküch, daß die Deutſchen
ihrer angebornen Gutmſtthigkeit (?) halber vor der Kriſis bewahrt bleiben wer-
den, der die hartherzigen Englander und Franzoſen unvermeidlich begegnen

werden? Ohne daͤher weiter uͤns auf dieſe fata morgana der vaterländiſchen





des deutſchen Hungeis (wir meinen den wirklichen) zu glauben, wofern uns
die „Deutſche Zeitung durch eine wiſſenſchaftliche Zergliederung jenes Begriffs
nicht eines Beſſern delehrt. — e

Leider verbürgen dieſe Anſicht ſelbſtredeud, um hier auf Die, welche der
Bourgeois ſo leichl vergißt — immer wieder zurückzukommen, die ſchleſiſchen
Weber, die Arbeiter im Erzgebirge, die Bewohner Hinter⸗-Pommerns, die Haue-
ler und Infaßen Oldenburgs, die Höringen in Oberfehlefien , die Winzer und
Fabrikarbeiter des preußiſchen Nheinlands, die Odenwälder. urd Schwarzwaͤl⸗
der und das ganze Proletaxiat unſerer groͤßen Staͤdte ohne Ausnahmen.

Auch ſind die Anſprüche, welche die ſocialiſtiſche Preſſe im Namen der be-
draͤngten Klaſen zu machen nicht mide werden wird, nicht bloß negativer und
ſo maͤßiger Natur, wie es dem Wohlthätigkeits⸗Budgel des konftitutionellen
Staats, für den die deutſche Zeitung in Anſtändiger Weiſe“ ſtreiiet, etwa in
den Kram paßt. Es iß falſch, daß die Socialiſten deßhalb in die Kategorie
der ſchwärmeriſchen Gefühlsmenſchen gehören, weil ſie es nicht abwarten, bis
auf dem Polizeibüreau der juriſtiſch erwieſene Hungertod von Staate Unter-
thanen gemeldet iſt, ſondern die Organiſation der Geſellſchaft zur Vermehruag
und Herallgemeinerung des Wohlſtandes zur Emauzipalion (Befreiung) des
Menſchen vom Eigenthum vorſchlagen. —

Doch bei der einfachen Wegläugung des Proletariats begnügt ſich die
Mammonzeitung nicht; ihr warmes Herz fürchtet wie oben angedeutet, daß
die Abſolutiſten d. h. diejenigen Regierungen, die mit oder ohne Fonftitutionel-
le Formen doch abſolutiſtiſch geſiunt find, gemeinſaue Sache machen mit den
rechts-⸗ und beſitzloſen Klaſſen. Und um ſich in einem und demſelben Artikel
wenigſtens nicht zu widerſprechen, fabelt ſie hier von einein Proletariat, was
die Regierungen erſt ſchaffen könnten, indem ſie die von der Bourgeoiſie vor-
geſchlagenen alliative verſchmähten. Sie exinnert wie gefagt an das Bei-
piel in Galizien, wo die öſterreichiſche Politik die Ungieichheit der Geſellſchaft
benutzte, umgleich dem Advokaten in der Fabel das Volt durch Zerfplitterung zu
entkraͤften und auszuſaugen. Wir ſind berechtigt, an dem Muthe der Kabinette
zu zweifeln, der dazu gehbren würde den Leu des Proletariats zu wecken und-
einen Kampf herauf zu beſchwören, deſſen im eniſcheidenden Augenblicke die
wenigen bereitſtebenden Bajonette nicht Meiſter bleiben koͤnnten. Dieß hiefe
eine Mine unter ſeinem eignen Boden ſprengen, um mit ſich einige beunruhi-
gende Mücken zu verſcheuchen. — Gewiß, der geſammte fade Liberalismus
der Bourgeoiſie iſt nichts als ein Mückenfchwarm, der den Staatekoͤrper um
zieht. Er iſt mit ihm verloren, wenn der Boden, auf dem er ruht, ven


 
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