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eitn 4.
Inſerate
Deutſchland.
— (S) Von der Ald, 11. Jan. Sie haben ſchon mehreremale Mitthei-
lungen über den Geiſt und die Geſinnung der Bürgerſchaͤft Carlsruhe's
gebracht, welche ſich freudig darüber ausſprachen, daß ſeit geraumer Zeit das
dertige Ceben einen Auffhwung‘ nehme, oder wenigſtens die erſten Anfänge
kann es aber auch einer Stadt, die ſo lange geſchlafen, nicht genug zu ihrer
Aufmunterung wiederholen. Daß zu dieſem Erwaͤchen ganz beſonders die ju-
gendlich erſtandenen Männergefangvereine, die Vereine der Zuruer
und der Feuerwehrmaͤnner das ihrige beitragen, und ſchon beihetragen
baben, ſteht außer aller Frage. Es wird durch ſie, wenn aͤlch nicht immer
gerade unmittelbar und mit beſtimmter, klarer Abſicht, ſo doch durch den Ein-
luß des Geſanges, der freien kirchlichen Bewegung / der Uebung in der Selbſt-
Undigkeit und Selbſtthätigkeit, der Freude am muthigen Wagen und fühnen
Trotzen der Gefahr, durch dieſes alles von felber ein neuer, friſcher Geiſtes-
ſtrom in die ſteifen und nervenſchwachen Glieder des Reſidenzkörpers eingelei-
“tet, und ganz beſonders durch das gegenſeitige Aunähern der verſchiedenſten
Stände und Religionen jenem heilloſen Kaſtengeiſt entgegengeardeitet, der das
Krebeubel vorzüglich der Reſidenzen iſt. So unzweideutig nun aber diefe An-
zeichen friſcheren Lebens in ſocialer, und, wie zuletzt die Adreſſe an die
Tagſagzung dewies, auch in politiſcher Beziehung ſind, ſo ſchwer ſcheint es
„3U balten, auch die religioſe Emaͤncipation in den Kreis der geiſtigen Be-
trebungen aufzunehmen. Es ſind wohl Petitionen für die Gieichſtellung der
Zuden und ſpaͤter der Deutfchkatholiten in ſehr großer Zahl unterſchrie-
ben worden, und es wäre unwahr, wenn wir leuͤgnen wollten, daß mit nur
wenig laͤcherlichen Ausnahmen ſchon ſeit längerer Zeit die Toleraͤnz über-
bven, daß man noch nicht einſehen will, wie bloſe Toleranz, bloſe Düldung
auf der einen Seite nicht nur dem kraſſeſten Pietismus und Ultras
montaniemus Thür und Thor öffnet, ſondern auf der andern Seite nur
zu bald in Indifferentismus und Nihilismus — im eigentlicheren
Sinn, d. b. in jene hohle, allex Begeiſterung für die Ideen der Wahrheit
baare, materiell hinvegetixende, mit einem Wort in ſich nichtige (nihil Snichts)
Lebensweile ausartet. In unſerer Zeit iſt es nicht genug, tolerant zu fein,
und die Herren auf der Kaͤnzel predigen zu laſſen, was ſie wollen, oder
übergegangen wenn nicht die Veranlaſſung derſelben der furchtbare Theater-
brand geweſen wäre, Er hatte ganz dieſelben Anſichten in allen ſei-
uen früheren Reden längſt ausgeſprochen! In dieſen Tagen iſt aber — am er-
ſten Weihnachtstag — eine Predigt gehalten worden, die ſo allgemeinen An-
ſeb ja ſolche Entrüſtung erregte, daß man hätte glauben ſollen, wem es
Ernſt iſt, der werde den geſeßzlichen Weg dagegen einſchlagen, und durch
eine Eingabe bei der Kirchenbehoͤrde ſich ſeine proteſtantifche Freiheit zu wah-
ren ſuchen. Es war eine Predigt, welche jedem das Chriſtenthum aͤbſprach,
der nicht in demſelben Sinn an Chriſtus glaube, wie der Verfaffer, ja, die
ihn ſogar verdammte! Es erſchien auch im Tagblatt ein Wunfch, der hoch-
geſtellte Herr Verfaſſer möchte dieſelbe drucken laſſen — offenbar von ſolchen,
die an ihr Anſtoß genommen. Doch bei dieſem Wunſch wird es auch wahr-
ſcheinlich verbleiben! — Wir aber fragen, ob das ſich verantworten laſſe?
Wem es Ernſt iſt mit der Begeiſterung für das friſch erwachte Leben der Ge-
genwart, wem die Freiheit heilig iſt in ſocialer und politiſcher Beziehung, dem,
meinen wir, ſollte ſie es auch in religiöſer ſein! Der ſollte ſich dann aber
auch nicht gleich gültig und leichtſinnig über einen ſolchen Eingriff in
ſeine höchſten Rechte hinweg ſetzen, nicht ſich dieſe hierarchiſche Anmaßung
pflichtvergeſſen gefallen laſſen! Woher anders hat jede Hierarchie, römiſche
wie proteſtantiſche, den Muth genommen, ſich immer anmaßender zu geberden,
woher anders als von der Gleichgültigkeit und Schläfrigkeit derer,
die ſich hätten wehren ſollen? Doch, vielleicht thun wir den freidenkenden
Proteſtanten Carlsruhes Unrecht und ſie erkennen, was ihre heilige Pflicht
iſt? — Wir werden ſehen! —
Aus Württemberg. Eine lebhafte Bewegung durchs ganze Land gebt
dem nahe bevorſtehenden Landtag voraus. Einige Abgeordnete begannen Un-
terredungen mit ihren Wählern zu veranſtalten, jetzt folgen faſt alle Bezirke.
Voraus gingen viele Abgeordnete der ſtändiſchen Oppoſition; Männer aus der
Mitte, wenn eine ſolche in uuſerer Kammer anzunehmen iſt, und bemerkens-
werther Weiſe ſelbſt einige entſchiedene Anhänger der Regierung folgten. Die
ſbereinſtimmend in den verſchiedenen Bezirken geltend gemachten Wuͤnſche bil-
den doch zuſammen eine Ueberſicht über die Anſichten und das Verlangen des
Volke und müſſen nicht blos den einzelnen Abgeordneten, ſondern auch der
Regierung von dohem Werth ſein. Befteiung von Feſſeln des Bodens wie
der Preſfe, Fortſchritt im Regieren und Richten, Verhältniſſe der Induſtrie
u. ſ. w., bilden meiſt die Ausgangspunkte, an welche ſich auch Einzelheiten
reihen. An guten Wünſchen fehlt e& richt. Deuſche 3)
Darmſtadt, 10. Jan. Heute wır zum erſtenmale nach den Feiertagen
unſere zweite Kammer wieder verſammelt. Der erſte Praͤſident gab Nachricht,
daß wegen Unwohlſeins des Großherzogs die Adreſſe auf die Thronrede dem-
o& nicht habe überreicht werden können. Sodann ſtellte offenbax ver-
ir die neulich von der Staatsregierung einſeitig geſchehene Erſtre-
ctung des alten Finanzgeſetzes auf die erſten ſechs Monate der neuen Finanz-
periode, der Abg. Wernher den Antrag: „Die Kammer möge die Frage eis
ner gründlichen Prüfung unterwerfen, ob, wenn eine Kammer ſo ſpät am
Schluß der laufenden Finanzperiode berufen wird, daß es thatſächlich unmög-
— Briefe und Gelder: frei einzuſenden.
dem Wortverſtand und dem Geiſte der Verfaſſung, die Steuern der ſich eu-
Erhaltung der Verfaſſung und ihre eigenen Rechie wahren.“ Ein vom Minis
wurf betraf eine Erläuterung des Art. 59 der Verfaſſungaurkunde. Diefer
Artikel beſagt im Weſentlichen, daß alle Wahlen der Abgeordneten auf 6 Jahrẽ
geſchehen. Ueber den Zeitpunkt, von wann au dieſe ſechs Jahre zu rechuen
ſeien, war man bisher uneinig oder doch im Zweifel, Anſtöße zwiſchen Regie-
rung und Staͤnden gab es Zeßhalb nicht. Nun ſchlaͤgt der Gefetzesentwurf
vor, daß die 6 Jahre vom Tage, wo die Staͤndeverſammlung eröffnet wors -
den, und die Eidesleiſtung der Ständemitglieder Statt gefunden, datiren ſollen.
Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß der Eatwurf auf Widerſtand ſtößt, nament-
lich mit Rückſicht auf den Umſtand, daß das vom Abg. Wernher in ſeinein
Antrag Gerügte dann leicht pexennirend würde. Von den Vielen Wahlen,
allgemeineres. Intereſſe. Es war dies die Wahl des Landgerichtsaſſeffors v.
Löw, welchen der dritte Ausſchuß einſtimmig als „Juſtizbeamteten/ für nicht
gegeben hatte. Es war von den Wahlmännern des Wahlbehirks Höchſt die
vorgenommen worden. Nachſtehend gedrängi das Weſentliche der bier eins
dingte Recht der Urlaubsverweigerung zuſtehe, ja ſelbſt die Mehrheit der libe-
ralen Kammer von 183233 und unter ihr Höpfner, v. Gageru u. A. Saup
nicht) wandten ſich mit der Anſicht der Staatsregierung zu, welche, das Wort
laubs bedürftig erklärte. So wäre alſo Zaup’s, der Staaͤtopenſionaͤr iſt-
beamteten ſagt in Art. 9: der Staatebeamtete kann nach 40jährigem Dienſt-
alter oder nach zurückgelegten 70 Lebensjahren das Amt niederlegen und be-
häft den Titel und neun Zehntheile der Befoldung«, Folge hierbon iſt/ daß
wenn der Sigatsbramiele nicht die Reglerung nach Berlauf nicht
mehr zu ihren Dienſten verwenden und folglich doch auch wohl ihm den Ur-
laub zum Abgeordneten nicht mebx verweigern kann. Denn was iſt Urlaub,
als eine Euthindung von Dienſten? Sind keine Dienſte rechtlich mehr denks
bar, ſo fällt auch die Entbindung davon weg. Zwei gegneriſche Behauptuns
gen waren jedoch immer dabei möglich. Die eine, daß ein Penſionaͤr keine
Dienſte leiſte, und daß alſo Jaup, der ſchen 14 Jahre penſionirt ifk, Fkeine
40 Jahre eigentliche Dienſtzeit übrig hade, und daun, daß der erwähnte Art.
der Berfaſſungsurkunde überhaupt von Staatsdienern und dem ihnen erfordere
lichen Urlaub ſpreche, gleichviel, ob er mehr oder weniger als 40 Jahre ge-
dient habe, So die Sireitfragen, Man war auf den Erfolg fehr gefpannt,
Einigermaßen präjudicirſich und die Stimmung der Kammer verrathend war,
daß Eigenbrodt unbeanſtandet in der Kammer belaffen und in einen Aus ſchuß
gewaͤblt wurde. Doch nahm man gleichzeitig an, daß die Mehrheit des bea
richtenden dritten Ausſchuſſes für Jaup waͤre. ; ' ; }
Der heute erſtattete Bericht hat das Segentheil gelehrt. Vom Ausſchuß
ſind fünf Mitglieder für die Giltigkeit von Eigenbrodte Wahl und nur eines
(Rey) will die Wahl Jaup’s aufrecht erhalten. Uebrigens ſind jene 5 Mite
glieder (Wernher, Lehuͤe, Kloch, Heldmann und Buff) zwar wohl einig im
Konkluſum, ader nicht in den Motiven. Bei Lehne, Kloch und Heldmann,
welche die parteiliberale Seite des fratzlichen Ausſchuſſes bilden, ſcheint die
Erwägung durchgeſchlagen zu haben, daß Jaup von jenem Art. 9 noch keinen
Gebrauch gemacht, ſein Amt nicht niedergelegt habe; daß das „kann? die
Sache rein falultativ mache Unter dieſen Umſtänden wird Jaup einen ſchwe-
ren Stand haben, Auch ſpielt mit jenen Rechtöerwägungen wohl die politiſche
Erwaͤgung mit, daß die Kammer in eine ſehr ſchlimme Lage komme, wenn die
Regierung verweigere, Jaup einzuberufen, und daß dann entweder ein trauri-
ges, ſich ſelbſt heſchäu?ndes Gehenlaſſen oder eine Provokation zu einer Auflda
fung vor der Pforte ſtehe. _ 4 — (Deuͤſche 3.)
Der einzig hierber zuziehende Fall jenes Artikeks wäres wenn
die ſtändiſchen Berathungen ſich verzögern.w 4
. 4® Berlin, 10. Jan. Sogar in dem guten alten Mecklenburg, dem
man ſonſt mit Recht einen herzlichen Widerwillen gegen das Neue nachfagt,
gedeiht die Zeitleidenſchaft des Fortſchritts. Der Geiſt der Verbeſſerung, Ver-
edlung und Verfeinerung bat ſich daſelbſt der Parforcejagden bemaͤchtigt.
Die vornehme, hochadelige Geſellſchaft benimmt ſich mit abſonderlicher Humani-
tät gegen die Edelhirſche; es ſcheint aber trotzdem nicht, als ob die Edelhirſche
an der veredelten Parforcejagd mehr Geſchmack als an der gemeinen fänden.
Hier die Beſchreibung. Man fängt die Edelhirſche mit Netzen ein, wobei na-
türlich ſchon manches Stück umkommt, ſperrt ſie dann in Thierkaſten ein und
fährt ſie Meilenweit bis zum Jagdorte. Dann beginnt die nohelſte aller noh-
ien Paſſionen, die Parforcejagd, oder auf gut deuiſch, die Hegfagde Sobald
das Wild Halali ifl d. h. nicht mehr jappen kann, werden die Hunde abge-
irieben und — der Meuͤſch, der Herr der Schöpfung, das Chenbild Gottes,
tritt in der Strahlenkrone der Humanität hiezu und geruht zu befehlen, daß
dem armen Wilde zur Ader gelaffen werde. Das gerettete Thier ſtrömt von
Dank gegen ſeine thierfreundliche Gönner über, Alsdann padt man es wie-
der auf den Wagen, und zu Hauſe wird es ſo genährt, daß es fpäter vern
neuem zur hehjaͤßdlichen Erholung der Helden von Wald und Feld dienen kann.