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Donner ſtag,
den 27. Januar.
ind 4— frei einzuſenden. No 27
Deut ſchland.
2 Mannheiim, 26. Jan. Die „Conſtitut. Staatebürger - Zeitung“
reibt:
ı _3n Mannheim, wie in Baden überbaupt, ſind die Turn - Lereine
großentheils aufgchoben, und einer nach dem audern zeht zu Grabe. Man
ſpricht nun ſchon von der Aufhebung der Saͤnger-Vereine.“
Dieſe Mittheilung iſt untichtig. Allerdings wurde im vorigen Jahre zu
ben Stunke ein neuer Turnverein, wozu das Geſetz ermächtigte und woran
das Auflöſungsreſeript ſelbſt nicht hindern wollte. Diefer Verein beſteht fort,
und ebenſo ſind, ſo viel uns bekannt, alle Rbrigen Turnvercine des Landes
in vollem Beſtande. Die Sängervereine blieben in ihrer Eriſtenz fännntlich
unangefochten, wenn auch einer oder der andere von der Poltzei geneckt wurde.
Das Gefetz will in Baden die Bereine geſchützt wiffen, und wenn wir auch
mehr als genug über Eine und Uebexgriffe der Poitzei zu klagen haben, wenn na-
mentlich das freie Berfammlungesrecht jüngſt erſt in Donaueſchingen
worden iſt, ſo ſind wir doch der Schmach und
Entruͤſtung enthoben, die die neueſten Vorkommniſſe in Frankfurt, Kurheſſen,
König von Preußen, die Gegenadreſſe av dieſe Bauern aus Süddeutſchland,
der Adfall von 33 diefex Bauern durch Uaterzeichnung einer Abbitte, daͤs al-
dorff auf Vietmannsdorf gerichtet. Dieſer Mann kaun recht eigentlich m$ He-
rold der erſten Anfänge politiſchen Lebens in ber Mark belrachtet werden,
denn er war es, der das Dunkel, in welchem ſich Kreis- und Provinzial-
ſtände bewegten, zuerſt erhellte, der das „patriarchaͤliſche Verhältniß der Kreis-
verſammlungen ſtörte“ und in der Preſſe von politiſchen Verſammlungen und
Körperſchaften Kunde gab, die man kaum dem Namen nach kannte. Hr. von
Holtzendorff iſt auch das Opfer ſeiner Beſtrebungen geworden, indem mit der
Kunde von ſeinem maͤnnlichen Thun ſogleich auch die Nachricht ſich verbreitete,
daß er der bürgerlichen Ehrenrechte für verluſtig erklact, und von der ferne-
ren Theilnahme an den ſtändiſchen Verſammlungen ausgeſchloſſen ſei. Viel-
fach fragte man ſich, für welches Verkrechen ihn dieſe harte Strafe getroffen
der Betroffene ſelbſt darüber gegeben hat. Dieß geſchah in einem Schrift-
In Preußen! von v. Holtzendorff⸗Vietmansdorf.
heim 1848.
Holtzendorffs Verbrechen iſt urſprünglich ein Jagdfrevel; er hat in dem Ueber-
4 der Jugend in einem koͤniglichen Forſte unbefugterweiſe einen Hirſch ge-
choſſen.
aber deßhalb, weil er einen Landmann zum Meineide in dieſer Angelegenheit
verfuyr! haben ſoll. Ob das, was Holtzendorff dieſem Landmanne geſagt hat,
eine Verführung zum Meineide war, daͤrüber wird kein Urtheilsfäßiger zwei-
felhaft ſein, wenn er dieſe Schrift geleſen hat. Auch wurde Holtzendorff deß-
halb keineswegs verurtheilt, ſondern nur nicht freigeſprochen, alſo von der
Inſtanz entbunden; dieſes troſtloſe Mittelding von Schuld und Unſchuld, wel-
ches nach ſeiner ſitilichen Rechtmäßigkeit der ſpaniſchen Inquiſition vollkommen
würdig iſt. Folgte indeſſen dieſer Entbindung von der Inſtanz der Verluſt
der bürgerlichen Ehrenrechte, ſo mußte ſich Holtzendorff fügen. Allein das
Merkwürdigſte iſt das, daß er 16 Jahre lang dieſe Ehrenrechte behalten und
ausgeübt hat, daß er in ſeiner militäriſchen Laufbahn nicht nur nicht gehemmt,
ſondern befördert wurde, daß er mit Rangerhoͤhung endlich den erbetenen
Abichied erhielt, daß er zum Staatsdienſte für tuͤchtig erklärt, mit Anerken-
nungen und Auszeichnungen des Königs und ſeiner Regierung beehrt, zu den
ſtaͤndiſchen Verhandlungen zugeleſſen wurde, und ſie lange ausübte.
Erſt als er das „patrtarchaliſche Verhälmiß der Kreistage ſtörte“, d. h.
als er 1843 die Kreisſtaͤnde an ihre Stellung und ar ihre politiſchen Pflich-
vornehme Verachiung der Ariſtokratie zux Schau trug, ſondern ſich an ihr
betheiligte, da fand ſich ſeine Beſcholtenheit., Wie nun gegen ihn verfahren
wurde, muß man aus ſeiner eigenen actenmäßigen Darſtellung leſen, um es
zu glaͤuben. Holtzendorff fühlte das Bedürfniß, von der geheimen Rrchts-
Berufung einzulegen. Er weiß, wie er ſchreibt, daß dieß ihn auf die Feſtung
bringen wird und er ſeinen Haushalt ſo ordnen muß, daß er lange Zeit da-
raus entferni bleibt. Aber die Veröffentlichung iſt ihm ein Berürfmß, er
ſucht in ihr die Geuugthuung, die ihm ſonſt überall verweigert wird. Und
er ſucht nicht vergebens, die öffentliche Meinung kann ihm ſeine ſtaͤndiſche
Steliuzg-utcht wieder geben, aber die Ehre, die im Innern des Menſchen
lebt, älter und heiliger als die bürgerliche, und auch, ohne die Egtere beſte-
hen kann in voͤlliger Reinheit, dieſe Ehre ſpricht die öffentliche Neinung ihm
in reichſtem Weaße zu. Wer die Schrift lieſt, hegt die vollſte Ehrfurcht vor
dem Maͤnne, der ſo muthig und unerſchrocken verfolgt, was ihm recht ſcheint;
der von dein Adel beſeelt iſt, der keiner Ahnen bedarf und den keine Ahnen
geben können, und der Gewalt gegenüber unerſchüttert daſteht. Solche Män-
ner kann die Gewalt zermalmen, aber in ihrem Untergange liegt ein hoher
moraliſcher Sieg, deſſen Frucht der Nachwelt nimmer verloren gehen kaun.
(Conſtitut. Staatsbuͤrger⸗Ztg.)
* Karlsruhe, 25. Januar. Vierzehute öffentliche Sitzung unter dem
Präſidium Mittermaier, s.
Auf der Reſierungsbank: Bekk, Trefurt.
Man bemerkt heute, daß vor Anfang der Sitzung die Mitglieder der rech-
ten Seite, wie auch die Regieruugs-Commiſſäre, bereits aͤußerſt freundlich mit
verſchiedenen Mitgliedern der „Oppoſition“ verkehren, theilweife ſogar traulich
Arm in Arm umhergehen.
Der Präſident theilt das Ergebniß der Wahlen in den Abtheilun-
gen mit. ;
In die Commiſſion zur Berathung des Geſetzentwurfes über Gewerbss
—4— wurden gewählt: Helbing, Speyerer, Blankenhorn, Siegle, Ul-
rich. ; ;
In die Commiſſion über Einführung einer Kapitalſteuer: Baffermann,
Mez, Schmitt, Knittel, Oſter. *
Baſſermann beantragt Verſtärkung beider Commiſſionen durch zwe
Mitglieder. Angenommen. —
Schmitt will unterdeſſen durchaus bereits eine Petition einreichen , wird
aber vom Präſidenten endlich geſchweigt. D
»Der Präſident theilt mit, daß ein Schreiben des Hrn. von Reden aus
Berlin eingelaufen ſei, den Verein zur Foͤtderung der „deutſchen Statts
ſtik“ betreffend. Das Schreiben, welches eine wichtige Sache betrifft, die lei
der von deutſchen Kammern bisher wenig oder gar nicht unterſtuͤtzt wurde, foll
gedruckt, den Abgeordneten zugeſchickt, und an die Petitions Commiſſion geges
ben werden.
v. Soiron zeigt eine Petition von 18 Wahlmännern aus Lahr an, Untere
ſtützung des Regierungs⸗Vorſchlages über die drei Fabriken Ein Sepa-
ratvotum von 2 Wahlmännern, welche bloß Unterſtützung der Mafjchinenfabril
wollen, eine Untexſtützung der zwei übrigen Fabriken aber für „unverantworte
lich“ halten. Dieſe Petitionen gehen ſofort an die Commiſſion. —
Welcker: ‚Petition der Gemeinde Breidenbach, Amts Neudenau, Wegs
herſtellung betreffend. Bitte des Soldaten Furtwängler um Unters
— 4
; Schmitt: Eingabe der Schiffer, Bäder und Mehlhändler zu Wertheim,
Aufhebung des Getreideausfuhr-Bervots in Baiern ı Sie bitten
die Regierung, eine ſolche Aufhebung zu bewirken, da der Laib Brod jetzt zu
Wertheim um 3 Kreuzer theurer ſteht, als dieß naͤch Aufhebung des Ausfuhrs
verbots der Fall fein würde. — —
Rieſterex lieſt eine Petition mit ſolcher Geläufigkeit ab, daß Niemand
| au mur ein Wolt dapon veiſteht
Arnsperger zeigt die Petition eines Bürgers an, Konzeſſion zur Ber-
zapfung von ſelbſterzeugtem Wein.
Hecker: Eingabe der Stadt Ladenburg, Belaſſung eines Gerichis-
ſitzes bei der neuen Organiſation. ;
| * Heimburgert eine Bitte aus dem Oberamt Lahr, Abloͤſung von Jagd-
rechten. \ ; a
Das Sekretariat zeigt an, daß eine Petition des Iſibor Bechtoldb, Soldas. -
ten und Schreinermeiſters, eingelaufen ſei, um Anſtellung bei dem neuen Mäns -
nerzuchthaus. Ferner: Bitte fämmtlicher Offizianten und Stallbedienten beim
Laydesgeſtite, Aufbeſſerung ihres Gehaltes. (Der bekanntlich beffer als det
vieler Volksſchullehrer iſt.) —— —
Die Tagesorbnung führt zum Bericht des Abg. Schmitt, die Verziu-
ſung der Pfarrkompetenz⸗ und Pfarrzehntablöſungs⸗Kapitalien betreffend. Der
Berichterſtatter wird des Vorleſens enıdunden, und der fofortige Drud des
Berichtes beſchloſſen. Ebenſo bei dem Bexichte des Abgeordneten Peter, über
v. Soiron's Motion, die Uebertragung der Polizeiſtraͤfgewalt an die ordentli»
chen Gerichte. —
— ierauf begründet Schmitt ſeine Motion, Vorlage eines Geſetzbuchee
über Polizeidergehen betr. Näheres hierüber folzt. —
Die Diskuſſion wird eröffnet. E
Straub: Ich glaube, daß die Motion, welche wir eben hörten, weſent-
lich gleich iſt mit dem Antrag des Abg. Soiron. Die Nebertragung der
Polizeiſtrafgewalt wied offenbar nur dann vollſtändig erreicht, weun ein Poͤli-
zeiſtraf Geſegzkuch unmittelbar auf dem Fuße folgt. Denn die Wuͤrde dee Niche
ters — und auf die Würde des Richters, auf das Vertrauen zur Juͤſtij müfe
ſen wir doch hinzielen! — kann nicht behauptet werden, wenn er bei Fällung
ſeines Urtheils ſich umſehen muß nach Provinzialbräuchen, nach ſchwankender
Gerichtspraxis. Auf dieſe Weiſe geht dem Richter alle feſte Norm ab; er wird
ſelbſt zum Geſetzgeber. Er lernt nach * nach vergeſſen, die heiligen Grund-
ſätze des Rechtes anzuwenden; er richtet ſich nur noch nach der „Nutzlichkeit.“
Damit iſt die Pflege des Rechtes zur Verwaltungsſache entwürdigt. Ich
unterſtütze die Motion 2ꝛc. —
Weizel: Auch ich unterſtütze die Motion, damit jede Willkuͤr entfernt
und ein geſicherter Rechtsboden hergeſtellt werde. Es muß ein Polizeiſtrafge-
ſetzbuch geſchaffen werden, mit deſſen Hülfe ſtrenge eingeſchritten, aber Feine -
Willkür geübt werden kann. Ich verkenne indeſſen die Schwierigkeiten nicht,
welche der Abſchaffung eines ſolchen Geſetzbuches entgegenſtehen. Die Schwie-
rigkeiten dabei ſind größer, als die Schwierigkeiten beim Kriminalgeſetzbuch. Die
Abgränzung der Gebiete namentlich, die Fraͤge, ob der Polizei Etwaͤs zur Ab-
urtheilung oder bloß zur Anregung übergeben werden ſolle, iſt eine Haupte
ſchwierigkeit. Bin ich nun nicht mit dem unrichtigen Grundſatze einverſtanden,
daß in's Gebiet des Strafrechtes nur das gehöre, was eine foͤrmliche Rechis-
verletzung eines Bürgers enthält; ſo zabe ich umgekehrt jedenfalls die Ueber-
zeugung, daß alle Angriffe auf Perſonen und Eigenthum — mögen ſie auch
uoch ſo unbedeutend ſein — niemals polizeilich beſtraft werden dürfen. Das
Forſtgeſetz ſcheidet allein richtig zwiſchen Forſt poli zeivergehen und förmlis
chen Entwendungs-Freveln. Nach dieſer Analogie muß bei der vorliegenden
Sache verfahren werden.
Knapop meint, daß man dem jetzigen Polizeiweſen n i Ht abhelfen
ſolle. Denn durch fortgeſetzte Schaffung von neuen partikularen Geſetzgebuͤn⸗
gen werde die allgemeine deutſche Geſetzgebung, nur aufgehalten. Aus dieſer
Rückficht „glaubt er net“, daß die Motion zu unterftüßen ſei. Seine übrigen
Worte waren nicht zu verſtehen. Es war nur ſo Viel zu entnehmen, daß er
dießmal nicht vom „Jahr 1819“ ſprach: woruͤber ſich ein gewiſſes Eeſtaunen
in der Kaminer und auf der Gallerie kundgab. — —