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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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— N

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2
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; _ i Deut ſchland.
„*Maunheiin, 31. Jan. Der „Mannheimer Abend-
zeitung“ iſt der Poſtdebit im Königreich Baiern wieder
geftattet, wie wir daraus entnehmen, daß dieſelbe durch das König-
liche Oberpoſtamt in München beſtellt worden iſt und der
Bezug offen und unangefochten durch die übrigen zwiſchenliegenden
Poſtbehörden beſorgt wird. Vor vier Monaten noch war uns durch
die Peſt nicht geſtattet, unter Kreuzband nach Bamberg zu erpediren.
(9 Von der Alb, 29. Jan. Bieſer Tage iſt uns die erſte und zweite


den zugekemmen, und wir halten es für unfıe Pflicht, unfre Lefer mit diefer
neuen Erſcheinung bekannt zu machen. Sie beſtaͤngt nämlich aufs Neue, daß
nicht nur einzelne, mit der Vergangenheit nicht vertraute, Gemeinbeglieder, fon-
dern ſogar viele ihrer wiſſenſchaftlich gebildeten Prediger noch inimer in dem
unſeligen Wahn befangen ſind, als handle es ſich jegt, im neunzehnten
Jahrhundert, darum, ung Kopfüber in das Urchriſtenthum von Anno 100
Ich ſage, in dem unſeligen Wahn, denn was haben wir
benn, und zunächſt wir Deutfche, von unfrer Jukunft zu hoͤffen, wenn wir immer
inſtehea, die Augen rüdwärts gewendel, und fichts eifriger zu thun ha-
jen, als uns zu ſehnen, nach dem, was dahinten, — was dahin if!
Dahin iſt dahin! Es iſt ſehr gut, ſich durch Rückblicke auf die Vergaͤngenheit
zu drientiren für die Gegenwart, aber die Vergangenheit als ſolche eine Er-


Zeit noch ſo wahr und noch ſo fegenbringend geweſen fein! — jetzt wieder-
herſtelley zu wollen, und in die neue Zeit hereinpflanzen, das heißt Todte
aus ibren Grabern wecken und Mumien unter die Lebendigen ſtellen! Laßt
die Todten ruhn! — Sehen wir dieſe „deutſchkatholiſche Kirdenzeitung«
naͤber an, ſo zeigt ſich uns nun aber außer dieſer beſtimmt im Programm auss
geſprochenen urchriſtlichen, alſo reattionären Tendenz andrerſeits doch wieder
namentlich in einem Aufſatz von Rauch in Leipzig ein ſolch — ich möchte
fagen, unbewußtes Ergriffenſein vom Geiſt der Geg.nwart, duß uns dieſe Waͤhr-
nehmung ein unlösbarer Widerſpruch wäre, wenn uns die ganze Thatfache des


derſpruch im Großen, — die neue Zeit, die neuen Ideen, im Gewand der
Vergangenheit, in der Hülle alterthümlicher Formen! Man möchte wohl,


2



um ſeine eigne Bibel zu ſein; er weiß, was er der Bergangenheit zu danken,
weiß, daß in ihr die Keime ſeiner ſelbſt enthalten, — in naiver Täuſchung
aber überſieht er noch, daß auch nur die Keime, nur die erſten Anfänge in
ihr zu ſuchen, daß die Heranbildung dieſer die Arbeit ſpäterer Zeit, ſein eignes
) ‚ Dieſes „Durcheinander,“
dieſes,Chaos,“ aus dem etwas werden will, und über welchem, oder vielmehr
in welchem ſchon die Zukunft webt und ſchafft, das iſt der Deutſchkatholicismus.


wir barum mit ihrer ſo offen ausgeſprochenen Romantik des Urchriſten-
tbums auch ſchlechterdings nicht einverſtanden ſind, ſo berechtigt uns doch


— zu der Hoffnung, daß ſie im Verein mit entſchiedenen, und ganz in der
Gegenwart ſtehenden Blaͤttern?) am ſchweren Werk der Reform ihren
Theil mithelfen werde. ; _

*) Wiskcenus, „Reform.“ E. Baltzer, „die freie Gemeinde (demnaͤchſt
zu erwarten) SO * 4*

*6* Karlsruhe, 30. Jan. Der an den Abgeordneten Hecker gerichtete
„Brief der 63 Arbeiter an die 63 Abgeordneten“, welcher in der
Kammer erwaͤhnt wurde, lautet: Geehrter Herr Abgeordneter! Wir haben
in unſeren Werkſtätten vernommen, daß bis Mittwoch die Verhandlung über
die drei Fabriken ſtattfindet. Es iſt Das eine Sache, welche die arbeitenden
Klaſſen nahe angeht, und über die wir ſeither oft nachgedacht und maͤnchmal
geſprochen haben. Geſtatten Sie, daß wir Ihnen unſere Ueberzeugungen in
dieſer Angelegenheit kundgeben. Wir glauben, es ſind auch die Ihrigen.


ben uns deßwegen an Sie gewandt, damit die Stimme des vierten Stan-


Wir find uns unſerer Lage allerdings bewußt. Viele von


dieſe Weiſe mancherlet Länder und Regierungen kennen gelernt; von der preu!
filden an bis zu der von Genf. Mußten wir in dem Lande fühlen, daß eine
Reglerung/ welche auf den Nutzen der Minderzahl berechnet iſt, die arbeiten-
den Klaffen drüct und ausfaugt, ſo mußten wir in einem audern Laude be-
merfen, daß bis jetzt ſelbſt die freieſte Berfaffung noch nicht in dem gehörigen
Maße für die arbeitenden Klaſſen geforgt hatı
Wir haben Vergleichungen angeſtelit. Dadurch ſind wir zu den Urfachen




Das iſt jetzt unſre feſte Ueberzeugung, daß das Elend der Arbeiter von
nichts Anderem herkommt, als von der Schrankenloſigkeit, mit welcher die gro-


Meiſter erdrücken können. Die „freie Konkurrenz“ iſt für den Unbemittelten


Alle Maßregeln dex Regierung nun, welche darauf hinauslaufen, das
Mißverhäͤltniß zwiſchen Kapital und Abeit zu befeſtigen und noch ſchroffer zu
machen, fönnen unmöglich das Wehl des vierten Standes herbeiführen. Wir



ier Kreuzer. — Briefe und

— — 4

Gelder: frei einzuſenden.










ſelbſt wenn durch ihre Unterlaſſung augenblicklich einer Anzahl von Arbeitern ein
noch größerer Schaden exwachſen ſollte. Deun eine weife Regierung darf die
ausbrechenden Uebel im Staate nicht vertuſchen — ſie muß ſie kuriren.

Wir ſind nun zwar noch keineswegs uͤberzeugt, daß die drei Fabriken un-
tergehen und die Arbeiter brodlos werden müſſen, wenn die Regierung nicht mit
ihrer Hülfe eingreift. Indeſſen, wir wollen darüber nicht ſprechen. Die kun-
digen Männer in der Kammer werden Das ausführen. b


nicht darnach trachten darf, den großen Beſitzern unter die Arme zu greifen,
und von Neuem die Schwindelei zu befördern. Nein, eine Volksfreund= -
liche Regierung müßte Arbeitervereinigungengründen! Denen
waͤre dann mit, Staatsmitteln zu helfen — Die müßten unterſtützt werden,
damit die uebermact der großen Kapitalifen gebroden werde
durch die Afſoziation der Arbeiter. Das waͤre ein Anfang, der (höne .
Früchte tragen würde. * — E
Aber heutiges Tages wird nur Bedacht genommen auf die hohen Beſitzer
Wir müffen unſern Unwillen darüber ausdrüden, daß hier, wo es ſich um
Millionen handelt, von Staatswegen eingegriffen werden foll,' während ein
armer Familienvater, dem mit ein paar Guͤlden unt
betteln kann, und am Ende doch Nichts erhält. ; \ 4
Sagen Sie Das, Herr Abgeordneter ‚. zu den verſammelten Deputirten
und Regierungskommiſſären. Leſen Sie Ihnen unſern Brief, damit ſie febens
„wir kennen unſere Lage. Und ſo weiter. Und ſo Wweiter,
2 ** , 21, Januar 1848 (Folgen die Unterfchriften von 63 Ara
eitern. — e
. 3& Die Kölnifhe Zeitung ſchreibt vom Maix, daß vorzüglih die Han ,
növeriſche und württembergiſche Regierung beim Bunde darauf angetragen has
ben, daß firenge Maßregeln gegen die Schweiz ergriffen, und nöthigenfalle
e Ba 8 ( zangeorduet werde,
weil insbeſondere die nach der Schweiz waͤndernden Handwerker foͤrmlich alg
Kommuniſten enrollirt Ceingeſchriehen?) werden, und die dortigen Zeitungen
es ſich zur Aufgabe machen, „Europa zuͤ befhimpfen“. Wir halten dieſe Naͤch-
richt für eine jener Täuſchungen, womit die naͤch beſonderen Nluigkeiten haͤ⸗
ſchenden Blätter oft heimgeſucht werden; denn die württembergiſche Negierung
iſt am allerwenigſten im Fall, an eine ſolche Sperre denken zu koͤnnen Ein
halbes Jabr ſolcher Sperre würde ihr Land eroruͤcken, iudein der ſtarke Ab-
ſatz der vielnamigen wurtembergiſchen Fabrikate, iusbeſondere jener aus Woll-
und der Gerbereien, dann die Erzeugniſſe des Bodeus, Geirtide, gar feine
andern Auswege ſich eröffnen Fönnte, und eine ploͤtzliche Stodung durch alle
%erf;btégmigc ſich in den erſten vier Wochen der Sperre gellend machen
wür e ; i H} \ * j 8 ; © }
. Berlin, 25. Jan. Die lange und
ten aus geführte Debatte über gaͤnzliche Abſchaffung der Todes ſtrafe
giebt ein erfreulidhes Bild über Geift und Gefinnuug des Ausfhufles. Es if
ein ſchönes Zeichen der fortſchreitenden Kultur, daß nicht aUein 34 Abgeord-
nete fidh gegen die Todesſtrafe erheben konnten, ſondern auch daß faſt die
ganze Verſammlung einmüthig anerkannte, es ſei die Todesſtrafe ein beklagens-
werthes Uebel, welches alein xur durch die Nothwendigkeii gerechtfertigt wer-
den koͤnnte. Daß bei ſolcher Stimmung die Schärfung der Todesſtrafe, wie
dex Entwurf ſie enthält, nicht angenommen wuͤrde, war ſo erſichtlich daß
keiner der anweſenden Miniſter ſie vertheidigte, ſondern Hr, v. Saviguy nur
ſie durch das Beifpiel anderer Gefegbücher zu eutſchuldigen fuchte. So viel _
man weiß, war im geſetzgebenden Miniſterium die Schärfung der Todesſtrafe
Gegenſtand lebhafter Bekaͤmpfung geweſen, und nur in dolge außerhalb deſ-
ſelben geltend gemachter Anſichten hinein gekommen; man weiß ſich jedoch
ſicher, daß die Verwerfung durch den ſtändifchen Ausſchuß über ihr Verſch win-
den entſchieden hat. Der Landtagskommiſſar Hr. %. Bodelſchwingh gab nach
einer Berathung mit ſeinen Kollegen allen Widerſtand auf und fuchte als
Schaͤrfung und Unterſchied zwiſchen einem infamirenden und nicht infamirenden
Tod, den Verluſt der Ehrenrechte aufrecht zu halten. ORa
Die Unterſchiede des rheiniſchen Gefetzbuchs zwiſchen Ver brechen, Ber-
gehen und Polizeiübertretungen, werden in Folge der Verſtändigung
zwiſchen der Abtheilung und dem Geſetzminiſterium arertannt werden, und
dies iſt ein großer Sieg, den die rheiniſchen Abgeordneten gewonnen haben,
2— (Br 3)
— Neuerdings ſind wieder zwei Geiſtliche in der Mark aus der Laͤu—
deskirche ausgeſchieden und zu den ſeparirten Lutheranern Übergetreten. Das
Konſiſtorium der Provinz Brandenburg entſendete eine Spezialfommiffion an

von den verſchiedenſten Standpunt-

die leptgenannten Oeiſtlichen. Der Erfolg war fruchtlog,
Kölu, 28. Jan. (Deutſchlands Intereſſe an dem belgiſchen
Wehrfiande,) Es iſt unlängft in Englaud und Belgien faſt gleichzeitig die


Meer wit dem mächtigen Bollwerke feiner Wellen und Stürme umgibt, in


Ob Lord Wellington die Briten aus der Sicherheit aufſchreckt in welcher
ſie in zuverſichtlichem Stolze auf ihre „hoͤlzernen Mauern“ die Zulunft abwars
teten; ob das koſtſpielige Vertheidigungoͤ-Syſtem des „Helden von Waterloow
in Erfüllung geht/ verdient weniger unfere Aufmerkſamkeit. Denn wir duͤrf-
ten kaum noch je veraulaßt werden in England eiuen Alliixten zu ſuchen. Die
Umſtände werden es wohl wit ſich bringen, daß wir Fünftig auf eigenen Fu-
ßen ſtehen, für deutſche Rechnung unfere Angelegenheiten regeln werden.
Und daͤnn thun wir wohl daraͤn, unfere Alliirten in mehr oder weniger bes
freundeten Nachbarn oder Stammverwandten zu erblicken. Unter lehteren aber
gebührt Belgien, zumal ſeit die internationale Eiſenbahn unfere Beziehungen
zu dieſem Laͤnde durch einen höchſt freundſchaftlichen Verkeyr vertaujendfacht,



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