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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 91 - No. 118 (1. April - 29. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0413

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— ꝛ











— —





*







*

Mouarchie oder Nepublit᷑?

Für Fürſtenmacht, für Volkesrecht?
Für Geiſtlichkeit, für Pfaffendunkel?
Republikaner oder Knechl?

Ja oder nein! nur kein Gemunkel!
Entweder, oder! 4—

Mannheim, 7. April. Während die Forderungen des Bolks in allen Theis
len Deutſchlands ſolche ſind, welche entweder unaufhaltſam zur Republik führen,
oder die Republik gar ſchon vorausſetzen, — während das vorkerathende
Parlament iu Frankfurt, indem es der künftigen conſtituirenden Nationalver-
fammlung alle Rechts⸗ und Machtvollks menheit zugeſprochen und dieſe aus dem
Willen des Volks abgelectet, ſchon thatſächlich die deutſche Republik einge-
leitel hat: gibtnes Wenſchen, die zoch vor dem bloßen Worte der Repudlik
erſcreden. Männer, welche vorgeben, die Sache zu wollen, verlangen, daß
man der Sache nicht ihren rechten Namen gebe. Das Voik, ſagen ſie, ſchreckt
vor dem Namen zurück, weil es ihn nicht verſteht. Nun wohl, antwor-
ten wir, ſo wollen wir ihm den Namen erklären, indem wir ihn zeigen, daß
er gerabe die Sache bezeichnet, die von ihm verlangt wird. Aber auch
gegen dieſe offene, ehrliche Belehrung des Volks thut man uns von gewiſſer
Seite Einſprache. — Dieſelben Maͤnner, welche das Volk für reif halten,
ſeinen Willen durch unmittelbare Wahlen geltend zu machen, halten es für un!
reif über die entſcheidenden Grundſäge des Staatsrechts belehrt zu werden. —

Geſtehen wir es offen! wir mißtrauen allen Volksfreunden, welche uns
Vorſicht in den Erörterungen über die Republik empfehlen, waͤhrend ſie ſich
ſelbſt für Republikaner erklären, wir mißtrauen dieſen politiſchen Stil-
dieſen Privat; Republikanern. Wir weiſen die Zumuthung
einer neuen Bevormundung des Volkes zurück, und halten es fuͤr Pflicht, of-
fen und ehrlich mit der Sprache herauszugehen. So verſtehen wir die Ach-
tung vor dem Volke.

Die Widexſprüche in welche ſich diefe Menſchen verwickeln, ſind nicht
ſchwer zu erklären. Wäre in dem allgemeinen Aufſchwunge des deutſchen
Volksgeiſtes die unterſte Volksklaſſe, das Proletariat, der vierte Stand —
oder wie man dieſen bisher vergeſſenen Theil der Nation nennen will —
nicht mit betheiligt, ſo würde eın ſo großer Aufwand von Thorenweisheit
überflüſſig ſein. Die deuiſche Bourgeoiſie würde ſich faſt einſtimmig für die
Republik erflären, d. h. für die Republik der Bourgediſie, von der die un-
terſte Volfskiaffe aus geſchloſſen bleiben würde. Was bisher die Fuͤrſten al-
lein geihan baben ; das wuͤrden dann die wohlhabenden Bürger des Mittel-
ſtandes, zu dentn dex Adel herabſteigen müßte, in Compagnie thun. Die
Fürſten haiten ihre Unt erthanen, unſere republitanifchen Beourgois wuͤrden
dann ihre Heloten haben. Aber die Ausſichten in die Zukunft find nicht ſo
günſtig für das aus ſchließliche Emporkommen der Bourgeoiſie. Sind mir


gen, daß wir nicht den Geldadel zur Herrſchaft kommen laſſen, — den Geld-


dieſe indeſſen haben ihre heimlichen Rcpublikaner. Eine Adelsrepublit —


publit — wie bequem für die Kaſte unſerer Bureaukraten; — eine Repu-


kiers! — Aber eine Republik des ganzen Volls, — ein wahrer Freiſtagt
— in welchem es ſich nicht um einzelne Freiheiten, ſondern um die
ganze, volle, einzige Freiheit handelt, eine Republit, die das aus
den ſittlichen Forderungen der, Menſchenrechte berporgegangene Gebaͤude der


erwaͤhnten Klaſſen in gleichem Grade ein Graͤuel.


ſorm ſei, daß das deutſche Volk aber noch langer Zeit bedürfe, um für dieſe


ür einen Sgoiften zu halien, der nur darum die Nepudlik {e BL uicht will,


terſten Schichten der Geſellſchaft jene Ruhe der Stumpfheit und des ſittlichen
Todes zurückgekehrt iſt, auf welche die hoͤheren Stände bisher ihr Wohlerge-
hen gegründet baben. — Wie gerne moͤchte man die Rehublik, denn man
weiß, daß man ſich in ihr wohl befinden würde, man weiß, daß ſie die höchſte
Ehre iſt, die ein Volk erwerben kann, aber man möchte dieſe Voͤriheile in aus-
gewaͤyner Geſellſchaft genießen. Man erklärt ſich iaut für Demokratie ohne
Repuͤblik, weil man damit die Demokratie unmöglich macht, — und man er-
llaͤrt ſich heimlich für die Republik ohne Demokratie aͤus dem nämlichen Grunde.
* Wer alfo lein offener Repuͤdlikaner iſt, der iſt auch kein Demoͤkraͤt,
ein
Oehringen und viele andere
Vollswahlen ſein ſollte.
Die drage: „odb Republik oder Monarchie?“ iſt zunächſt eine allgemeine
Frage der grundſaͤtzlichen Politit.
eines Gimpels haben, der mit der Dummheit durch die Welt zu kommen hofft,

Herren vom hohen Adel, für die unmitielbaren


die conftitutionelle Monarchie für die vollkommenſte Staatsform er


als dieſer Herr, ſo daß es gegen allen guten Geſchmack fein würde, wenn wir
auf die Einzeluheiten ſeiner trivialen Weisheit eingehen wollten. Wer fih noch
mit den Gemeinheiten herumtreibt, daß „die unumſchränkte erbliche Monarchie


weiſen und tugendhaften Raͤthen umgeben wäre“ — der hat einen andern Be-









zuf als in folden Dingen ſich zum Lehrer aufzuwerfen. Auch dem Weiſe,
en und Befien wollen wir nicht gehordhen, fondern wir wollene
daß ieder Bürger feinen eignen Willen habe, aus dem ſich, durch Dis-
kuſſion und Abftimmung, ein Geſa mmtwilte entwickele. Wie ein Sohn,
wenn er zur Mündigkeit gelangt iſt, feinen eignen Berftand braucht und
ſeinen etgnen Willen geliend madt, auͤch wenn der Bater ihn an Einſtcht
hundertfaͤch übertreffen mag, ſo gehen dit Bürger eines mündig. gewordenen
olkes den Weg ihrer eigenen Einfichl. Ein tüchtiger Menſch macht lie-
der nach feinem eignen Kopfe einige unangenehme Erfahrungen, als daß
er fiQ unter fremder VBormundfchaft ein unfreiwilliges Gluͤck zumuthen
läßt. Die Frage ift alfo nicht, os das Velt in der Republif glücliher if,
als unter einem weiſen und tugendheften Monardın, fondern ob es glüclich
ſein will nach fremdem oder eigenem Kopf. .

Die Republik iſt die Staatsfo.m, me'dhe ſich auf die Nehts und Racht-
vollfommenheit des Volkes gründet. Sie kann alſo recht wohl die


der Rechts- und Machtvollkommenheit aller Glieder feiner Geſellſchaͤft hervor-
gebt. Sie iſt aber auch — und vor allem — die Staatsform der vollendeten
ſittlichen Reife, des männlichen Alters der Vörfer. Hiernach hat ſie in ſich
felbft einen großen Entwicelungsgang zu durchlaufen, und wenn fie, fo lange
höhere Bildung unter den Menſchen befteht, die kiaſfiſche Staalsform geweſen
iſt, zu der ſich jede andere nur alg politiſche Stümpereit, ſo wolien wir
doch für unſere Zeit nicht die Repuͤblik einer früheren. Periode. Ein jedes
Volk, welches ſpaͤter die edle Bahn des republikaniſchen Lebens betritt, hat die
Pflicht, von Aufang an ſeine politiſche Aufgabe höher zu faſſen alg die voͤr⸗
hergehenden. Die großen politiſchen Entdeckungen oder Erfindungen der Nord-
amerifaner, durch welche die Eechnit der Freibeit ſeweit vervollkoͤmmnet wurde,
daß dex Freiſtaat jetzt in Voͤlkern von jeder Größe durchseführt werden kann,
während bei dem unvollkommenern Oxgauismus früherer Rpuͤbliken dei eigent-
lihe freie Gemeinde nur ſehr klein fein, Fonnte, ſollen uns zu Guͤte fommen.
Aber wir wollen weiter gehen, alg die Nordamerifaner bei Grundung ihrer
Gemeinweſen gegangen ſind. Wir wolley dieſe Technik der Freiheit zum Mit-
tel für die Verwirklichung höherer ſittlicher Forderungen benutzen, die den
Nordamexikanern zum Theil nur vollfommen, zum Theil gar niht klar
geworden waren, und deren Berfennung nun eine Erbfünde ihter Staats-
zuſtaͤnde geworden. Wir wollen die foztal! Repubttt, d d. den


Einzelnen alg gemeinfamer Zweck Aller anerfannt iſt, und die
Recdht$- und die Madtvollfommenfyeit der Gefellfhaft aus der


ſpringt.

Wer ſich in einer Zeit, wie die unſerer Tage, an einem ſolchen edlen
Ziele nicht betheiligen mag, iſt en Fetgiing und ein unwürdiger Sohn des
Jyhrhunderts; wer es beffer zu wiſſen glaubt, iſt ein armſeliger Thor mit
aller ſeiner Weisheit; — wer c& weiß und gegen feine beſſere Erkenntniß fpricht
und handelt, begeht eine Sünde gegen den veiligen Geiſt der Menfchbeit.

Dies vom Standpunkte grundfatzlicher Polilil. Aber wenden wir uns zu
den wirklichen Berhältniffen Deutfc auds. Kein Volt iſt in dem Grade fuͤr
die R.publit greignet, wie des deutfche und dieſer Vorzug entſpringt uns aug
giſchichtlichen Berbältniffen, die mir disber für unfir Unglüc zu halten pffeg-
ten — aug der politiſchen Zerütelung, Die, demofratifche Nepublik berubt
auf dem Grundſatze der Btkaäͤndung





A0deraldu), ıbre‘ Form iſt der Bundes-



ju gliedern, mir ſind ſchen gegliedert, nur noch nich guf matibrilche 3mertmäfe
ſize Weiſe.! Dieſer Geiſt der brtlichen Gelbſtaldigleit, der A@ in Der yoliela
ſchen Zerßückelung ausſpricht, macht ſich auch in den fchon vieifach Rg biidea
len Gemeindeverfaſſungen geftend, welche die wahre Pftaniſchule bes Nepubiılak
nismus ſinb. Diefer Geift durchdringt das ganze beuiſchẽ Voit, bis herab in
die beſondere Lebensweiſe der einzelnen Menſchen. Aber dieſer Geiſt braucht
ſeiner nur bewußt zu werden, um ſſich als dın Geiſt der Nepublik zu erfennen:
Und indem ſich derſelbe jetzt im gemeinſamen Bewaßtſein der gauzen Nation
zur Llarheit entwickelt, draͤngt er unaufhaltſam auch zur Form der Repuͤlik
Die Mehrheit des verderathenden Parlamentes in Frankfurt deſtand aus Menz
ſchen von zu mangelhafter Bildung, als daß ſie ſich dies haͤtten kiar machen
können. Daher iſt es gefommen, daß die geraden Gegner der Republik
auf allen Umwegen für dieſelbe geſtimmt haben. }
Das deutſche Voll verlangt einſtimmig eine Staatsform, welche die
Freiheit nach innen und außen ſichert und nicht die ökonomiſchen Kräfie des
Volkes an die Eitelkeiten einer kindiſchen Repraͤſentation verſchwendet. Das
deutſche Volk verlangt cine Staattform, welche die Freiheit mit Wohlfeilheit
verbindet. Dieſe Forderung fübrt aber unausweichlich zur Republik, und das
mit hat die Republik für Deutſchland ſchon aufgehört freie Wahl zu ſein, und
iſt zu einer unvermeidlichen Nothwendigkeit geworden. Hierin zeigt
ſich auch die Reife des duiſchen Volkes für dieſe Staatsform. Im Voltoleben
wie im Leben der einzelnen Menſchen iſt das reif, was aug den Bedingun-
gen der ganzen Entwickelung mit Nothwendigkeit hervorgeht *—
Jedermann erwartet von einem zukünftigen deutſchen Parlament, dem Au-
ker unſerer Hoffnungen in den letzten Wochen, die Erfüllung der erwähnten
Forderungen. Das Parlament, ſagt man, ſoll Deutſchland im Junern frei
und einig, nach außen ſtark, geehrt nnd greß machen. Neberlegen wir, was
mit dieſen Worten geſagt iſt. Um der Forderung zu genügen, die auch von
den Gegnern der Republik aufgeſtellt wird, müßte das Parlament neben ſeinen
geſetzgebenden Befugniſſen zugleich die der ausühenden Gewalt haben. Dann
aber hätten wir ja ſchon die Republik, — nur die Republik mit dem Fehler
der Vermiſchung der Staatsgewalten. Dieſe indeſſen iſt der Tod der Freiheit
und wir müſſen ſie vermeiden. Treiben uns aber ſelbſt die Forderungen der






 
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