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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 91 - No. 118 (1. April - 29. April)
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55 Mündliche oder ſchriftliche Abſtiumung?

Stuttgart. Am 10. April, Abends '„8 Uhr war große Verſammlung
im Bürgermuſeum Der Saal konnte die Menge nicht faͤffen: die Nebenzim-
mer, Zwiſchengänge, Treppen, Straßen waren beſetzt. Die Reden vor der
Haupiverhandlung ziemlich unbedeutend. Von deutſchem Genius, deutſchen Ad-


nug gehört. Ein Redner, der fruͤher inmüten einer Unmaſſe von Weingärt-
nern den König von Preußen im Bilde verbrannte, verſichert abermals, daß
man die nachtheiligſten Gerüchte über ihn verbreite, daß er die Repudhk, den
Communismus auf den Sirumpf bringen und die Arbeiter aufregen wolle, er
ſei in keiner Arbeiterverſammlung geweſen, ſein Wahlſpruch ſei:“ durch Ord-
nung zur Freiheit!“ — Nun ader handelt es ſich über die Art der Abſtim-
mung wie ın den leitenden Ausſchuß für den Stuttgarter politiſchen Haupt-


Lärm und Getös fortdauert. Einige wollen mündliche Auſtimmung an Ort


ſtimmung. Hiergegen (für diesmal war auch der vierte Stand repraͤſentirt.)
erhebt ſich ein Sturm für Mündlichkeit und Oeffentlichkeit! Ein Redner macht


ſondern Nun ein Gewog gegen die Waͤnde des Burgermuſeums. Einige


wandeln. Endlich kriegt man Luft durch die Apellation an's Freie, man will
ſich morgen zwiſchen 12 und 1 auf dem Wilheumsplatze verfammeln und über
mundliche oder ſchriftliche Abſtimmung berathen. — Der Stadtdir ektor Seeger
will die Verſammlung in Betreff des Unteroffiziers beruhigen, der auf den Aas-
berg geſetzt wurde, aͤngeblich, weil er von dem jedem Burger zuſtändigen Aſ-
ſociationsrechte Gebrauch machend, eine Soldaten-Petition zum Zwecke der Wahl
der Offiziere aus der Mitte der Commilitonen beantragt haͤbe. Hr Seeger ent-
fernt ſich, um von der Hauptwache Erkundigung einzuholen. Aber wenigſtens
zwei Drittheile der Verſamnlung begaben ſich gllich hinterdrein auf die Straße
mit dem Rufe: der Obermann mug gleich hıraus! Inzwiſchen erſcheint ein
ver Offigier im Saat, veſteigt einen Tiſch und beſchwört die Auweſenden, indem


in Bewegung: die Soldaten rückten zuſammen, Tavallerie zeigt ſich, Kano-


Lebexall ein Bravorufen zu Gunſten des Militärs. Miniſter Römer erſcheint,
Lraf Wilyelm durchreitet die Menge. Er befiehlt, daß das Militar abziehe,
(unausgeſegies Bravoruſen) er giebt ſein Ehlenwort (ſo behaupten viele,
ich kann's nicht verbürgen) daß der Obermann morgen Mittag frei fein folle.
Die Menge geht friedlich auscinander. — Andern Tags vom Bürgermufeum
aus große Wallfahrt nach dem Wilhelmsplatz unter Voriragung zweier ſchwarz-
rothgodnen Fahnen, von denen die eine mit großen Lettern Seffentrichkelt
und Mundlichteit, die andere ſchriftliche Abſtimmung' zeigt. Den
Sieg der letzteren ſucht ihre Partei durch wüthendes und ‚überholendes Rufen
herbeizufüßren und an den Tag zu legen. Jene aber ſchaart ſich um ihre
Fayne und durchzicht in Reib und Glied die Stadt — eine impofante Waͤſſe
welche Unparteiiſche für die Majorität erklaͤren. Vor dem Wirthshaus erfcheint
wieder Miniſter Roͤmer, welcher den Umſtehenden ſein Ehrenwoͤrt giebt! der
Dbermann, ſolle falls er im Recht ſei, fchieuͤnigft freigelaffen werden. YNitroe
GEn Iteße man ſich iedoch nichts. In Wirthshaus eröffnet ein Mann: Graf
Wilhelm erfläre jein angeblich zur Befreiung des Ddermanns gegebenes Eh-


ten bezogen. *—
. Sofort treten Mehre in ein Nebenkabinet und geben ihr Ehrenwort zu
Protokoll, daß das Ehkenwort des Grafen W, auf Befreiung des Ob ermanus


tung im liberalen Lager iſt da: Hie Bourgeoiſie, dort Bolk! Erſtere, meiſt
wohlhabende Leute und daher ſchon lange im Beſitz der Waffen, benutzen die-
ſen Umſiand aufs Btſte. Einer ihrer Hauptleute foll erklärt haben: ich werde
auf eine barbariſche Weiſe erfahren! Ein Barbarismus grandibſer Arl ereig-
nete ſich ſchon auf dem Wilheimsplatz. Zwei Bourgeois ftürzen brüllend auf


ſolle ihn binauswerfen — weil er vor längerer Zeit polizeilich verwieſen wor-
den ſei (II). Der Mann mit weißem Hut war der Maler Simon, deffen Be-


digung außer Zweifel ſtehen möchten, heifen Bauer Kaufmann) und Uebelen (Wein-


Perfönlichfeit tinige Aufmerkſamkeit fchenten wollen. Männer, die auf dieſe
Veiſe ein Attentat guf die perfonliche Freiheit machen, die von der deutfchen


auf der Stelle vom Volk arretirt werden. Aber die Barbarismen find noch
nicht zu Ende. I0O gehe über die Königsfiraße, und hHöre ein verworrenes
Gebrüll. Eine Schaar in kurzen Jaden, mit vorgefiredtem Syieß, ftürzt her«


Zuſtand — es ſind die Weingärtner, die Leibgarde der Bourgeoifie, man-hat


die Croaten Stuttgarts — unzurehnungsfähige Menfchen, ohne alle yolitifde
Bildung, die man denn leicht zu blinden Werkzeugen für felbfifüchtige Zwede


m vermeintliche Anarchieen zu bezwingen, ſie erhebt ein Angſtgebrüll über den







bloßen Gedanken, daß ihrem Geldſacke etwas abgezwackt werden Fönnte. Und
doch hat Niemand hier zu dieſem Zwede die geringſte Demonſtration gemacht.
Aber man ſucht die Arbeiter zu verdächtigen, wie ohne Grund in Berlin, ſo
hier: mündliches Stimmrecht, Demokratie, direkte Wahl, Republik, Alles
wird von der Baurgeoiſie in e in en Topf gethan und die Devife LCommunis-

mus“ daran geklebt. Wer war in den Verſammlungen der pieſigen Arbeiter
und iſt nicht uͤberraſcht geweſen, von dem ſittlichen Ernſte ihrer Beſprechun-
gen, von der energiſchen und doch ruhigen Haltung aller Berfammelten , von


gab? Und dort unter den Bourgeois — welch ein erflufives markiſchreicrifches
Benehmen! Es heißt: der vierie Stand will alles Geld zuſammenſparen, um
Waffen zu kaufen, damit er zuerſt mit den Eroaten und hernach mit den fa-
moſen Scharfſchützen conkurriren könne, die we Ty vler ausſehen und bein
Patrouilliren ſo ſtark auftreten, daß man's im Monde hoͤren fkaun. Wir be-
ſchließen dieſen Bericht mit den Worten des Fankzigerausſchuſſes zu Frankfurt:
„es muß dem Spießbürgerthum entgegengetreca werden, welches meint, e$
müßten die Intereſſen des beſonderen Standes bei der konſtituirenden Verfamm-
lung vertreten ſein. Die Wahl iſt daher überall auf Männer zu lenken, die
ein großes und warmes Herz für das Geſammtvaterland und ſeine Frei-
heit haben.“
Deutſchland. 7
*. Manuheim, 14. April. Die geſtern erwähnte k. baier. Verordnung
ſagt laut dem Regierungsblatte vom 10, April in ihrem erſten 5 Folgendes:

Unſere ſämmtlichen Poſtanſtalten haden die Annahme der Pränummeration
auf die im Inlande ſowohl als die im Auslande erſcheinenden Zeitungen und
Journale, ſowie deren Verſendung und Beſtllung an die Pränummeranten: -
zu deſorgen. Die vorgängige Erholung einer beſondern Spedi-
tionsbewilligung iſt nichterforderlich, und es baben nur die allge-
gemeinen poſtdienſtlichen Normen Anwendung zu finden.

» x Maunheim, 11. April. Es muß jeden echten Völker- und Frei-
heitsſreuud ſchmerzlich berühren, zu ſeben wie die A. 3. — das Organ des
berühmten Yjüßgen- Admirals Kolb — die gegenwaͤrligen Beſtrebungen der
talieniſchen Nation bei jeder Gelegenheit zu begeifern fucht. Was in dieſem


Verrath angerechnet werden. Dabei fcheut ſie ſich nicht, die Pol:tik eines feiz
nem Volke zu Hülfe eilenden Furſten eine „treuloſe? zu nennen. Ohne uns
die Mühe zu geben, dieſen Uaſtan zu widerlegen, fragen wir ganz einfach:


an Territorium gewonnen, die aber dennoch unverbofft ihten Allirten dei Leip-
zig im Stiche lietzen, ja fogar ihre Waffen gegen {bn kehrten — ſind jene
Fürſten nan auch als vıreulos“ zu bezeichnen? .. , Wir wenigſtens ſprechen
dazu ein lautes Nein. —
Wer daher den Grundſatz aufwirft, als ſei die Zwangs⸗Allianz einer ſeiner
Vationalität feindlichen Macht heitig zu halten, der iſt in den Augen eines jeden
Patrioten entweder ein Narr oder ein Schurke. Aber da einmal die A, Neaka
Lons Zeitung auf Pelitik zu ſprechen fömmt, ſo deliede ſie zuvor auf jene
Oeſtreicher zu ſchauen: Soͤbiesti und Andreas Hofer!!! — Die Geſchichie iſt
das Weltgericht. - — —
_ ** Bom Nhein, 12. April. Auf die erſte Nachricht von den Pariſer
Sreignuffen ift Rarl Heinzen glei@ aus Am rifa zurüdgeiit, um feinen
voſten mieber einzunebmen. Er {ft in Lenden angeldmmen un? gebt von Bln
na Darıs, wo er Aufträge unferer amerttaulſchen Yandsleute ‚GuSiufübren Daf,
on Da gebt er zu feiner Familie und dann fommt er wobrfdetniidr aleig
na Deutfhland. Die v Schnellpoft n redigirt er von Europa auß foch -wäbe
rend Tyſſewsli ſie in Amerila rebigirt. _ 2C
Die Partei der Halben, der politiſchen Philiſter unb legitimiſtiſchen Bolfda
verraͤther ſcheint ja Alles verpfuſchen zu wollen, wozu in Frankfurt der Gruͤnd
gelegt werden! — Freiligrath fommt in einigen Wodhen, —4—
*+* Zörrach, 13. April. Was die bezahlte Karlsruber und die Ober-


waffneten Deutſchen Arbeitern bei Hüningen berichtete, iſt rein erlogen-
— Ich wohne nur eine Stunde davon, habe beſonders nachgefragt und hätte c&
ohne dieß erfahren müfſen. Keine Silbe iſt wabr davon. Die Reaktion,
die ſchlechten Beamten und Pfaffen ſind es, die dieſe ſchäudlichen Lügen ver-
breiten, um dadurch Gründe zu bekommen, uns Maffen von Soldaten auf
den Hals zu laden.

** Die kaiſerliche Familie in Wien hat beſchloſſen, die alten deutſch-
kaiſerlichen Würde-Zeichen an das Parlament in Frankfurt auszuliefern. Man
will den mittelalterlichen kaiſerlichen Tand in populärer Weiſe berausgeben, am
dafür kaiſerliches Anſehen und kaiſerliche Macht einzutauſchen, — wo möglich!


Reichsapfel und Scepter, es will vereinigte freie Staaten mit einem Volfga
parlament und einem Präſidenten als Vollziehungsgewalt; den naltehrwürdigen-
Plunder mögt ihr behalten.
{17 Karlsruhe, 12 April. Man ſollte faſt glauben, daß bei uns die
Reaktion ſchon wieder anfängt, ibr Haupt zu erheben. Heute Abend nach 5


v. M. alg einer der Amneſtirten, ſeiner früheren 3wöchentlichen Haft entlaſſen
wurde. Ein Grund ſeiner neuen Verhaftung iſt im Publikum noch nicht be«


der Noth und im Gedränge ertheilte Amneſtie dadurch wieder aufheben, daß
man mehrere mißliebige Literaten, darunter ſich eben auch Steinmetz befindet,
durch eine neue Vexhaftung wieder unſchädlich wacht. Warum ſoll ſich jetzt







 
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