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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 121 - No. 125 (27. Mai - 31. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0503
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O Deutſche Nationalverſammlung
\ / * Stebente Sihung rom 26. Mat,











So iſt denn der Wurfel gefallen. Lange hat die National-Verſammlung
temporiſirt, hat Alles auf die lange Bank geſchoben und gar keine Beſchliſſe
efaßt. Heute kam die erſte Prinzipienfrage zur Berhandlung; es zeigte ſich-


finnungen nicht mehr, wie vor einigen Wochen, zu verbergen für nöthig hält,
fondern daß ſie entſchloſſen iſt, von ihrer Majorität den ungenirteſten Gebrauch
zu machen. Die Folgen werden nicht ausbleiben; von der National⸗Verſamm-
lung haben wir nichts mehr zu erwarten.

Auf der Tagesordnung ſtand die Mainzer Angelegenheit. Sie wiſſen, wie
das bei ſolchen Raufereien geht; jeder Theil ſchiebt die Schuld auf den andern
und ſie liegt in etwas immer auf beiden Seiten. Die Einen fagen, die preuß
Garniſon wäre lange ſchwer gereizt — beſonders durch Verſpottung und Be-
ſchimpfung des Königs von Preußen in Karrikaturen und Zeitungsartikeln.
&i nun, ich meine, dann hätten die Offieiere ihnen einmal ſtatt des Exereitiums
das Weſen der Preßfreiheit expliciren ſollen, — falls ſie es ſelber kannten
Die Anderen dagegen behaupten, die Preußen wären von jeher hochfahrend auf-
getreten, und hätten die Bürger ſeit langer Zeit maltraitirt, während dieſe mit
den Oeſterreichern ſtets im beſten Einvernehmen gelebt hätten. Ja, ſie behaupten
ſogar, die ganze Geſchichte wäre verabredet geweſen, die Offieiere haͤtten die
Soldacen aufgereizt, die Gelegenheit zum Streite wäre geſucht, um die Bür-
gerwehr ertwaffnen zu können. Denn das Gerücht vom Belagerungszuſtande
von der Entwaffnung der Bürgerwehr habe ſchon Wochen lang vorher kourſirt,
es ſei ſogar der Sonntag beſtimmt als der Zeitpunkt angegeben, an welchem ſie
vor ſich gehen ſollte.
rer Officiere ausgegangen ſein!

Hr. Hergenhahn, der vom Volksmann zum Miniſter avancirte, erſtattete
den Bericht der Commiſſion — und keineswegs unparteiiſch. Alle Ausſagen
der Militärbehörden ſtellt er als erwieſene Thaͤtſachen hin; die Ausſagen vieler
Bürger dagegen, ſelbſt wenn dieſe ſie beeiden wollen, empfiehlt er: nur mit
Vorſicht aufzunehmen, oder nennt ſie gradezu unwahrſcheinlich. Er muß aber
doch zugeben, daß die erſten Verwundungen vom Militär ausgegangen ſind.
Der einzige erſchoſſene preußiſche Soldat trägt ſeine Wunde mitten auf der


drohung der Beſchießung ſehr wenfehlich, weil dadurch einem Straßenkampf
vorgebeugt ſei! Der Form nach ſei das Feſtungskommando unzweifelhaft
zu den Ausnahmsmaaßregeln (Wiedereinführung der Cenſur, Aufhebung des
Verſammlungsrechtes, der perſönlichen Freiheit) berechtigt geweſen!! Indeſſen
ſei es doch wünſchenswerth, daß die Bürger von Mainz ihre bürgerlichen und
politiſchen Freiheiten wieder bekämen. Die Majorität beantragt daher: „Die
National⸗Verſammlung möge beim Bundestage die Erſetzung der preuß.
Garniſon durch eine hẽſſiſche nachſuchen und den Wunſch ausſprechen, daß die


Bürgerbewaffnung vereinbart fet.“
Gewiß ein fehr beſcheidener Antrag! Die Majorität der Commiſſion ordnet
alſo die hohe ſouveraine National⸗Verſamml. ſchon wieder dem abgeſtandenen Bun-
destage unter; wir werden davon noch ſchönere Proben finden.
unter ihnen, wenn ich nicht ſehr irre, Hr. Baſſermann und der Staatsrath
von Polizei wegen, Herr Mathy, will einfach zur Tagesordnung übergehen;
die Sache iſt ihnen nicht wichtig genug. 4
Die Verſammlung hätte nun gar nicht auf die kriminalrechtliche
Seite der Frage eingehen ſollen. Den am Straßenkampf ſchuldigen Theil konn-
ten die Gerichte ermitteln. Die Verſammlung mußte, wie Heckſcher auch ſpäter
beantragte, nur die politiſche Seite beachten und ſich fragen: „Kann dieſer
Wirthshauskampf en gros den Gouverneur irgendwie berechtigen, einer Staͤdt
mit Beſchießung zu drohen und alle politiſche und bürgerliche Freiheit aufzuhe-
ben?“ Nun und nimmermehr! —
Ich will nun Einiges aus den Verhandlungen hervorheben. Sie waren
ſtürmiſch, trafen aber mur ſelten den Punkt, um den es ſich handelte.
Nachem Hr. Zitz den Bericht der Kommiſſion Punkt für Punkt wider-


ſchen Handlung energiſch bekämpft, und Zeugniſſe von 3—400 Bürgern bei-


Uhren des Gouverneurs ſehr ſchonend!! (Die Oeſterreicher ſind in ſolchen
Kiwgen von Metternich freilich nicht verwöhnt) Er weist das Lob, welches
Herr Zitz der öſterr. Beſatzung ſpende, zurück; dadurch ſolle das Bruderbaͤnd
zwiſchen den Oeſterreichern und Preußen geloͤckert werden. Die Oeſterreicher
Naren Aur wühſam von den Offizieren abgehalten, den Preußeu beizuſpringen.
Er hoffe zu ihrer Ehre, daß ſie gerade ſo, wie die Preußen verfahren würden,
wenn ſie ebenſo gereizt würden!! (Pfui, links, die Rechte fMatfcht.) Robert


Ae Verdächtigungen des Hrn. %. Schmerling. Das Bruderband zwiſchen
Deſterreicher und Preußen müſſe doch ſo gar feſt nicht ſein, denn es fet thnen
verboten; dieſelben Wirthshäuſer zu beſuchen, aͤuch ſeien öſterreichifche Solda-
ten mehrfach gegen preußiſche, welche Exceſſe begingen, eingeſchritten. Der
in ſeinex Eitadelle mit 16,000 Mann ſicher genug gewe-
ſen gegen den Angriff der 1000 Mann Bürgergarde und hätte immer eiwas
‚guwarten fönnen, Die Humanität der angedroͤhten Beſchießung wolle nnn ein-
mal Manchem nicht einleuchten. Sonſt warte man doch erft den Erfolg einer
Drohuns ab; hier aber habe man gleich angefangen mit Exekutionsmaßregeln,
mit glühenden Kugeln Die Streitenden mußten natürlich getrennt werden und da
man doch die Bürger nicht wegſchicken konite, ſo mußtẽ die Garniſon abztehen.












Vexwegen blickend beſchreitet jetzt Fuͤrſt Lychnowsky die Bühne: Gott, in


vertretern ſitzen! deßhalb vergaß Fürſt Lichnowekh auch alle pie ariſtehatiſche *
Geſchliffenheit, die Formenſpielerei, welche er im weißen Saale zu Berlin zur
Schaͤu getragen hatte; er geberdete ſich wie ein tobender Hekpenfpieler an einer


ellende, dünne Stimme machte den Eindruck noch fataker, Er ereiferte ſich
59 darüber, daß man die preußiſche Armee ächten wolle, daß man ſie
der öſtelr. gegenüber eine „rohe Horbe“ nenne; man hatte aber cben nur die
Thaten der Mainzer Garniſon energiſch hervorgehoben. Er fordert heis Die
anweſenden Schleswiger auf, Zeugniß abzulegen für die Tapferkeit und Mauns-
zucht der Preußen in Schleswiz, welche Niemand bezweifelt hakte, Als fein
gebildeter Mann kennt der Fürſt wahrſcheinlich auch die Geſchichte und den Roman
„die Clubbiſten von Mainzu; er kam daher auch auf die Heſetzung ven Mainz
durch die Franzoſen in der erſten Revolutionz nur iſt die Uebergahe der Stadt
nichi, wie er Flaubt, durch Bürger, ſondern durch Olfiziere erfolgt⸗ wie. ſich
das bald nachher ſo oft und ſchmählich wiederholte! Die Berwundungen 90n
hinten nannte der tapfere Partiſan des Don Carlos kurzweg Meuch word
Ein furchtbarer Sturm erhob ſich zweimal; trohig kreuzte Der tapfere Fürſt die
Arme und warf vernichtende Blicke in das Getümmel. Freilich, hatte er an
dem „edlen“ Gagern einen ſtarken Schirm. Er mag ſich auch tröften. ‘ Hinfew
mir ſaß eine Dame — und wenn dieſelben Regeln, welche für den
Umfang der Offtziere gelten, auch für ihre Frauen gültig find, ſe war ſte
wenigſtens eine Majorsfrau, welche Alles „fehr ſcheen“fand und waidlich klatſchte
Ihm folgt Welcker, der gefeierte beutſche Mann. Kaum traue ich metz
nen Shren; iſt diefer Maͤnn, der von, Vertrauen“ überfließt, Derfelbe, Der fri
her ſteis ſo ſchwarz ſah, deſſen drittes Wort zum Aerger und Schrecken der'
Miniſter immer die Revolution war? Welcker mahnt, dem deutſchen Bunde
zu vertrauen? Ach, ich vergaß, er iſt jetzt Bundestagsgeſandter; die letzten
protokolle zeigen zwar den alten Geiſt, aber es ſind voch nene Perfonen
da; das iſt denn freilich etwas Anderes! Welker hat früher die Fürſten vor
der Revolution gewarnt, die kommen müßte. Jetzt iſt ſte Da und nun warnt
er das Volk. Er gleicht jenem zänkiſchen Manne, den man nicht mehr erbit-
tern kann, als wenn man ſagt: — —— —
„Sie haben Recht“, worauf er ſofort hitzig das Gegentheil behauptet.
Welcker ſagte: „Wenn wir ein Urtheil fällen woͤllten, ſo muͤßten wir Uuns- e
noch weiter unterrichten. Wir brauchen aher keines Au fällen Da - D ON
nen den Regierungen verkrauen c?; Stellen wir uns ja nicht auf den
Boden der Revolution! caber wo ſtehen wir denn, Herr Hoͤftath? Kön-
nen Sie auch aufbauen?“ (Eine Stimme: Aber dazu ſind wir ja hier.) Dr
Welcker wird etwas verdutzt; das hatte er vergeſſen, daß hier das lLange
beſprochene „Verfaſſungswerk“ „aufgebaut“ wird; aber er etmannt ſich! „Nein, .
Sie können 38 Regierungen ſtuͤrzen, aber keine einzige aufhauen; Sie werden
mitgeſtürzt.“ Einen Falltorb für Hrn. Welcker, damit er ſich nicht wehe thueh
Er beſchwört noch die „Männer, denen Einheit, Ordnung am Herzen liegt,
die nicht leichtſinnig eingreifen wollen“ d. h. die konſervative Partei, mit dnr
für die Tagesordnung zu ſtimmen und vertraut ſchließlich der Verſammlung
noch an, Sachkundige hätten ihn verſichert, daß es um einen Straßenkampf
eine gefährliche Geſchichte ſei, namentlich wenn Barrikaden im Spiele wären.
Ich kann es leider nicht verſchweigen, daß der „gekeierte deutſche Mann/“ ziem-
lich erheblich — ausgeziſcht wurde. — Heckſcher waͤrnt vor Welckers UWeberiret .
bungen, es ſei durchaus keine Gefahr zu ſehen, wenn die Verſammlung ſich
für kompetent erklärte. Hr. v. Beckerath rechtfertigte ſeinen Ruf als großer


ſchlechten Sache liegen, die er vertheidigte. Er ſtimmt für Zagesorbnung.
Nauwerk begreift nicht, wie Männer, welche die deutſche Geſchichte durch-
gemacht haben, die Competenz der Verſammlung bezweifeln können. Man
möge dem Bundestag die Exekuͤtion übertragen; weigere er ſich aber, ſo müſſe
die Verſammlung einſchreiten, die das Volk ſei! Wenn ſie zur Tagesordnung
überginge, ſo waͤre ſie kein Haar beſſer, als der alte Bundestag, der auch ſtets
inkompetent war, wenn es ſich um die Wahrung der Rechte des Volkes han-
delte. Die Urſache des ganzen Unglückes ſei das alte Militärſyſtem, welches
den Soldaten zum Bürgerfeinde herabwürdige. „Es iſt ſkandalös, ſchließt
er, daß einer deutſchen Stadt von einem deutſchen Gouverneur im Jahre 1848
mit Beſchießen gedroht wird.“ ; . ) 2

Die Verſammlung erklärt
ſchließt die Verhandlung. * —
Gegen allen parlamentariſchen Brauch gibt der Präfivent, der „e5le“
Sagern, dem Berichterſtatter und Antragſteller (3ZIB) nicht wehr das Wort,
ſondern befragt die Verſammlung darüber. Dieſe will nichts mehr hören!
Die konſervativ⸗reaktionäre Partei hat ſchon zu viel gehört. 2
Präfident: Ich werde nun ohne alle Motivirung Ddarüber ab-
ſtimmen laſſen, ob die Verſammlung zur Tagesordnung übergehen will?
Darauf ſtellt er die Frage: Will die Berfammlung“ zut Tagesordnung
übergehen, im Vertrauen, daß die Regierungen thun— was ihres
Amtes? ——
Heißt das eine unmotivirte Frage ſtellen? Iſt dieſe Frage Lielleicht ** *
Folge eines Konflikts zwiſchen dem Präſidenten Gagern und dem heſſiſch en Ni
niſter Gagern? In der That ſind beide. Leinter iertraic
Die Verſammlung geht zur Tagesordnung —4— *
hörte gefchieht. Es iſt gut, daß der „ed Le“ Ongern 2 Zage vorber erflärt
ließen möge, es kann nie eine Schande
Mit wenigen 4 — geben 5
5 je Tagesordrung geſtimmt haben, ihre Ramen z3u Drofokole.
g;@_—äigg?fi&e% * Namen 4* 44 Nation gegen dieſe Abfeimmung.
„Sie koͤnnen proteſtiren, wie Sie wollen, fagt der edle“ Gaͤgern; Sie hlei-

ben doch Minorität“

ſich hierauf für hiulänglich unterrichtet und

Schön gefagt! —




 
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