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Mannheimer Abendzeitung — 1848

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No. 209 - No. 234 (1. September - 30. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44565#0969

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1848.























— —— — — — —

Deutfhlan B

* heim, 25. September.

; ggggnßiingt einen Erlaß des Großherzogs, welcher nacdh einem Ein-
4 Schmerzes und Bedauerns und Schilderung aller exdenklichen übeln
7* einer republikaniſchen Schilderhebung, „wegen hoher Eile und da die
@?ä‘?‚bg gegenwärtig nicht verſammelt ſind,“ aus höchſteigener Machtvollkommen-
eit getroffene Beſtimmungen über die Anordnung des Standrechts für die in


Aufruͤhr, Hofrath und Landesverrath“ durch die Regierung oder
** * 24 4 der im Lande befindlichen badiſchen Truppen ver-
fündet werden, und hat die Wirkung, daß die ihn Verfallenen ihrem ordent-
lichen Richter entzogen und innerhalh 24 Stunden ohne Vorbehalt eines Rechts-
mittelg oder Gnadengeſuches gerichtet werden, Das Standrecht muß mit drei
rechtsgelehrten und drei militäriſchen Richtern und einem Aktuar beſetzt ſein und
fann ein verurtheilendes oder freiſprechendes Erkenntniß abgeben oder die Sache
vor den ordentlichen Richter verweiſen. Ein ſtandrechtlich auogeſprochenes Todes-
urtheil wird binnen 3 Stunden mit der Kugel vohzogen. Dieh ſind die weſent-
lichen Beſtimmungen des erſten Erlaffes; ein zweiter lautet wörtlich, wie folgt:
Leopold, ꝛc. Großherzog von Baden 26. In Erwägung der Gefahren,
welche der im Oberland ausgebrochene hochverrätheriſche Aufruhr der Sicherheit
des Staates bringt, und in Anbetracht, daß in Verbindung damit an mehreren
Orten vom Schauplatze des Aufruhrs abwärts bis Achern und bei Ettlingen
die Eiſenbahn zerſtört würde, um die Bewegung der Tcuppen und amtliche Mit-
theilungen zu erſchweren, verordnen Wir nach Maßgabe des Geſetzes vom 7.
Juni d. J. wie folgt:





erklärt.
Gegeben zu Carlsruhe in unſerem Staatsminiſterium, den 23. Sept. 1848.
Leopold.
Bekk. C. Hoffmann.
Auf allerhöchſten Befehl Sr. Hoh. Kön. des Großherzogs: Büchler.
— Außer dem unten im Artikel Schliengen (durch die Karlsruher Zeitung)
mitgetheilten Erlaß der proviſoriſchen Regierung in Lörrach theileg wir noch
folgende Aktenſtücke aus dem republikaniſchen Regierungs⸗Blatt mit:
„Aufruf an das deutſche Volk!“


in den Straßen der Stadt Frankfurt a. M., am Sitze der ohuͤmächtigen Cen-
tralgewalt und der geſchwätzigen konſtituirenden Verſammlung iſt auf das Volk
mit Kartätſchen geſchoſſen worden. Nur das Schwert fann das deutſche Volk
noch retten! Siegt die Reaction in Frankfurt, ſo wird Deutſchland auf dem
ſogenannten geſetzlichen Wege furchtbarer ausgeſogen und geknechtet werden, als
dieſes in den blutigſten Kriegen geſchehen kann.“
„Zu den Waffen deutſches Volk! Nur die Republik führt uns zum Ziele
nach dem wir ſtrehen.“
„Hoch lebe die deutſche Republik!“
Lörrach, den 21. September 1848.
Im Namen der proviſoriſchen Regierung.
Guſtav Struve.“
Der Kommandant des Hauptquartiers: M, W, Löwenfels.
Der Schriftführer: Karl Blind.

„Deutſche Republik!
Mohlſtand, Bildung, Creiheit für Alle.


lands wie folgt:

Art. 1. Sämmtliche auf dem Grund und Boden haftende mittelalterliche Laſten,
ſo wie ſämmtliche mittelalterliche perfönliche Dienfte, Zehnten, SGülten, Frohn«
den, und welchen Namen ſie ſonſt tragen, ſind ohne alle Entſchädigung ſo-
fort abgeſchafft. Alle Ablöſungsſchuldigkeiten für ſolche Laſten werden eben-
falls getilgt.

Art. 2. Sämmtliche bisher an den Staat, die Kirche und die adeligen Grund-
herren bezahlten Abgaben hören von dieſem Tage auf; eine das Einkommen
des Unbemittelten nicht berührende progreſſive Einkommenſteuer tritt an die
Stellen ſämmtlicher bishexigen Abgaben; nur die an den Grenzen Deutſch-


Seite der Fürſten kämpfenden Staatsbürger geht proviſoriſch, unter Vorbehalt
ſpäterer Ausgleichungen, an die Gemeinden über, in deren Gemarkung es
liegt.


ſichern, wird cine allgemeine Erhebung des Volkẽs angeordnet.
Alle waffenfähigen Männer von voͤllendetem 18. bis zum vollendeten 40.


Von heute an herrſcht das Kriegsgeſetz, bis das deutſche Volk ſeine Frei-
heit errungen haben wird.
Im Namen der proviſoriſchen Regierung Deutſchlands.
G. Struve. Der Schriftführer K. Blind.
Hauptquartier Lörrach am 1, Tag der deutſchen Republik, am 21. Sept.

1818.“
„Deutſche Nepublik!
Mohlſtand, Bildung, Freiheit für Alle.
Bauptquartier Lorrach, 22. Sept, 1848. Die nach dem badiſchen Regie-
rungsblatt vom 15. Sept. 1848, Ne. 62, verfügte Erhöhung der Zollfätze wird
hiedurch um 10 Prozent herabgeſetzt.








Der Verwalter des Zolles Chriſtian Müller wird hiedurch angewieſen,

Im Namen der prvviſoriſchen Negierung. 8

S, Struve. Der Schriftführer K. Blind.

* Eine beglaubigte Abſchrift geht an Bürger Zollverwalter Ch. Muͤller zum
ollzug.

* Mannheim, 25. Sept. Ein ſo eben unterm heutigen Datum er-


dex Eiſenbahn bei Großſachſen in Kriegszuſtand. Die Zerſtörung der Eifenbahn
wird für Hochverrath erklärt und die Gemeinden werden fuͤr möglichſte Ver-
hütung derſelben unter Hinweiſung auf mögliche für ſie nachtheilige Maßregeln
verantwortlich gemacht. — In demſelben Blatt wird eine Bekauntmachung des
Reichsminiſters v. Schmerling publizirt, welche einen preuß. Grafen G.v. Keller
als Reichskommiffär für den ganzen Umfang aller füdweſtlichen deutſchen Bun-
desſtaaten he zeichnet, dem Behufs der „Herſtellung der Ruhe und Ordnung


55 Karlsruhe, 24. Sept. Alſo Kriegszuſtand haben wir wieder! —
Das heutige Negierungsblatt erklärt von Etilingen aufwärts (mit Ausnahme
der Aemter Raſtatt und Baden) kis an die Schweizergrenze alles in Kriẽgs-
zuſtand, mit welchem die ſofortige Verkündigung des Standrechts verbunden
werden kann. 2

Nach Privatmittheilungen hat Struve's Schaar unterhalb Müllheim (bei
Struve ſoll 10 Kanonen

mit ſich führen und mit Munition gut verſehen fein.
Geſtern Abend zwiſchen 6 —7 Uhr gingen mehrere Züge mit Truppen
(Preußen, Heſſen und Naſſauer) ins Oberland; man ſart es ſeien 2 — 3000
Mann geweſen. — Heute Nacht 1 Uhr ſind hier 800 Heſſen eingerückt.
55 Karlsruhe, 24. Sept., Abends 7 Uhr! Nach dem Berichte eines


mit dem 12 Uhr Zuge von Freiburg abging, haben die Republikaner im Ober-
rheinkreiſe folgende Orte beſetzt: Loͤrrach, Kandern, Schopfheim, Schlingen,
Schallbach, Müllheim, Ebringen und Staufen. In letztern Ort ſoll heute das
Hauptquartier von Lörrach verlegt worden ſein! Die Ihnen heute gemeldete
Nachricht von einer Schanze bei Kleinhüningen beſtätigt ſich

Die republikaniſchen Truppen ſollen ſich am geſtrigen Tage ſchon auf 5 —
6000 Mann belaufen haben, die alle gut bewaffnet und mit Munition verſehen
Ein Zuſammenſtoß zwiſchen den
fürſtlichen Truppen und den Republikanern hat, ſo weit die Nachrichten reichen,
noch nicht ſtattgefunden. Die heute Nacht um Uhr hier eingerückten Heſſen-
Darmſtädter waren nicht 800, ſondern nur 550 Mann. Diefelben haben im
Laufe des heutigen Tages eine Geſinnung an den Tag gelegt, die uns die
Ueberzeugung verſchaffen, daß ſie ſich nicht als blindẽ Werkzenge gebrauchen
laffen. Schon heute Nachmittag verſammelten ſich im grünen Hof etwa 30 —


beitsliedern auch das Heckerlied. Mehrere anweſende Spießbürger und Staͤats-
diener ſchüttelten bedenklich die Köpfe ob des „Freiheitsſchwindels“, der auf ein-
mal in die Heſſen gefahren ſei. Um 5 Uhr heute Abend ſollte auf dem Kaſer-


Kamaſchendienſt nicht läuger gefallen, und da man noch einen ihrer Kameraden,
der etwas hetrunken war, arretiren wollte, ſo entſtand eine Aufregung unter
denſelhen, ſie ſchaarten ſich, unbekümmert um ihre Offtziere, zufammen und wie
aus einem Munde erſchallte mehrmals der Ruf: „Hecker lebe hoch! Die Repu-
blik hoch!“ Die Spießbürger ſind dadurch in eine große Angſt verſetzt, denn man
betrachtet biefe Auftritte als eine ſchlimme Vorbedeuͤtung desjenigen, das uns in
den nächſten Tagen oder Woch en bevorſteht.

Schließlich muß ich auch noch erwähnen, daß der Umſtand, daß man die
Heſſen nicht bei den Bürgern einquartirt, ſondern ſte in die Kaferne legte, ſehr
viel zu den erwähnten Demonftrationen beigetragen hat. 0

Karlsruhe, 23. Sept. In der vergangenen Nacht wurde an mehreren
Orten die Eiſenbahn durch Aushebung der Schienen 20, unterbrochen , um den
Transport der entſendeten Truppen zu hindern, Diefelbe wurde jedoch alsbalb
wiederhergeſtellt, und die geſtern Abend abgeoraneten Truppen beſinden ſich nun
im Oberland. ;

Heute Abend treffen drei Bataillone „Reichstruppenu ein. Das eine wird
in Offenburg und Appenweier, das andere in Achern, das dritte hier in Karls-
ruhe Halt machen. Morgen rücken weitere Reichstruppen nach, welche divelt
in das Oberland ziehen werden. Auch ſind vom Reichsminiſterium die Truy-
pen von Lindau und Bregenz angewieſen, in den Seekreis zu marfchiren.
Dieſen Abend zwiſchen 6 und 7 Uhr ſind mehrere Batail-
lone Reichstruppen“ (Preußen) auf der Eiſenbahn hier vorbeipaſſirt.

Wie man vernimmt, iſt geſtern ein Offiziek von hier abgegangen, um den
aus Schleswig-Holſtein zurückkehrenden badiſchen?Bataillonen welche er theils
in Hannover, theils in Hamburg treffen wird, den Befehl zu bringen daß ſie
den Rückmarſch nicht, wie früher angeordnet war, zu Fuße, ſondern per Eifen-
bahn bewerkſtelligen ſollen.

Schliengen, 22. Sept, Morgens 6 Uhr. Unſer Oberland iſt ſeit ge-
ſtern wieder ein Schauplatz eines Aufſtandes. Geſtern war Jahrmakt in Loͤr—
rach, Abends zog, von der ohne ihre Hauptleute verſammelten Lörracher Bür-
In einer Anrede

lands, und forderte das Volk auf, ſich ihm anzuſchließen mit ausdauerndem


vor und ſchloßmit einem Lebehoch auf Deutſchland.

Alsbald wurden die Beamten in ihren Häuſern, der praktiſche Arzt Kaiſer
auf der Straße verhaftet (päter ſoll er gegen Bürgſchaft in ſein Haus entlaſ-
ſen worden ſeyn), die Kaſſe der Obereinnehmerei in Beſchlag genommen, und


 
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