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Marcinkowski, Wojciech [Hrsg.]; Zaucha, Tomasz [Hrsg.]; Museum Narodowe w Krakowie [Hrsg.]
Plaster casts of the works of art: history of collections, conservation, exhibition practice ; materials from the conference in the National Museum in Krakow, May 25, 2010 — Krakau, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.21832#0066
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Steffi Roettgen

Abbild und Urbild im Dialog: zur Abformung von Ghibertis
"Porta di mezzo"

Das Werk, um dessen Abgüsse es in diesem Beitrag geht, gehört zu den weltweit
berühmten Hauptwerken der italienischen Skulptur der Renaissance. Ghibertis
Bronzetür mit den Szenen aus dem Alten Testament verdankt ihren Ruhm auch dem
Ort, an dem sie sich befindet und der seit langem als „Gesamtdenkmal" der Floren-
tiner Kunst gilt1. Das Baptisterium - Wahrzeichen der Stadt Florenz und Inbegriff
des Selbstverständnisses ihrer Bürgerschaft - verfügt über drei monumentale, mit
vergoldeten Bronzereliefs geschmückte Türen, von denen die südliche mit 28 Szenen
aus dem Leben des Täufers und Stadtpatrons Johannes des Täufers von Andrea
Pisano (1328 -1338) geschaffen wurde, während die nördliche und östliche Tür von
Lorenzo Ghiberti stammen2. Sind auf der nördlichen Tür (1403 -1424) Ereignisse
des Neuen Testaments in 28 Vierpaßrahmungen dargestellt, so zeigt die zweite Tür,
die Ghiberti und seine Werkstatt 28 Jahre Arbeit gekostet hat (1424 -1452), in zehn
einheitlich konzipierten Relieffeldern 37 Ereignisse des Alten Testaments, die sich
in unterschiedlicher Anzahl auf die Kompositionen verteilen (Abb. 1)3. Der Ruhm
dieser Tür, auch als „Porta del Paradiso" bezeichnet, hat sich in Florenz über die Jahr-
hunderte gehalten4. Selbst in der Epoche des Barock, in der die künstlerische Wert-
schätzung von Werken des 15. Jahrhunderts eher die Ausnahme war, änderte sich
daran nichtss. Abgesehen von ihrer prominenten Position gegenüber der Domfassade
war ein Grund dafür das von Vasari überlieferte Urteil Michelangelos, der gesagt
haben soll, die Tür sei so schön, daß sie sich als Eingang zum Paradies eignen würde6.
Obwohl sich Charles de Brosses, einer der scharfsichtigsten Beobachter Italiens im
18. Jahrhundert, über diese von den Ciceroni kolportierte Anekdote mokierte7, belegt
seine Bemerkung vor allem, daß noch zwei Jahrhunderte nach Vasari in Florenz
die Uberlieferung lebendig war, mit der die Wertschätzung des Werks durch den
größten Bildhauer der Nachantike fortgeschrieben wurde8. Tatsächlich aber scheint
sich die Resonanz von Ghibertis Hauptwerk während des 17. und 18. Jahrhunderts
auf Florentiner Autoren - vor allem sind hier Baldinucci9 und Richa10 zu nennen
- beschränkt zu haben. Die Vertrautheit der Florentiner mit ihrem als „Bei San Gio-
vanni" apostrophierten Baptisterium, in dem sie alle getauft worden waren, war
vermutlich der Grund dafür, daß man Ghibertis Tür zwar kannte und lobte, aber
nicht entfernt daran dachte, ihre Reliefs, Nischenfiguren oder ihren ornamentalen
Dekor abzuformen. Als in Rom lebender „Exilflorentiner" rechnete es der gelehrte

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