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2. Das Loblied auf den heiligen Anno.
(1183.)
überblickt man das s. g. Annolied in Bezug auf seine eigent-
liche Absicht, ein Loblied auf den von ihm Gefeierten zu sein, ge-
genüber den ungebürlichen Abschweifungen desselben z. B. über
Urbegründung der Städte von Ninive an, um auf Köln
am Bheine zu kommen, Abschweifungen, welche fast die Hälfte
des ganzen Gedichtes einnehmen (426 gegen 450 Reimzeilen!); ent-
kleiden wir einmal hienach dasselbe sowohl von denjenigen Ab-
schnitten, welche vielleicht einer älteren wibel alter e angehörten
(im Allgemeinen Z. 19 — 56 von der Schöpfung, Z. 117 — 174 von
Ninive und Babylon) als auch von denen, welche der niuwen 6
(oder der Kaiserreihe von Julius Cäsar an) heimfallen und hievon
der Kaiserchronik gemein sind, nämlich Z. 175 — 260 (Daniels
Traum), Z. 261—468 (Rom’s Erbauung, Cäsar und des-
sen Kämpfe mit den Deutschen), Z. 474 — 492 (.Augustus,
Agrippa und Köln’s Erbauung), endlich Z. 499—516 (Er-
bauung der rheinischen Städte durch Cäsar: Mainz, Metz;
auch Trier usw.); so bildet sich nach ihrer Ausscheidung vor un-
sern Augen ein ganz ebenmäßiger Verlauf und der sonst nicht un-
dichterische Zusammensetzer des Liedes, der vielleicht jene alles
Maß überschreitenden Einschiebungen gar nicht verschuldete, kommt
wieder zu Ehren. Man lese nur in solchem Sinne einmal Z. 1 —
18. (57 — 70.) 71 — 116. 578 — 876. und das Gedicht erhält na-
türliche Abrundung, gesunden Kern, raschen Fortschritt und einen
vergeistigten Eingang (Z. 1 — 18. 75), einen vergeistigten Schluß
(Z. 851 — 876).
Wie sich’s aber auch um die ursprüngliche Gestalt des Ge-
dichtes verhalte, selbst die breite Umbrämung seines stark versteck-
ten Grundgewebes zugegeben, so wird nähere Vergleichung wenig-
stens die Entnehmung oder Entleihung der fraglichen Abschnitte so
wie die Zerstörung ihres natürlichen Zusammenhanges in oder aus
einem Werke unwiderleglich beweisen, in welchem (sei es nun unsre
Kaiserchronik oder das wackernagelische ältere Weltbuch) ein sol-
cher richtiger Zusammenhang und Fortschritt der Theile stattfand,
um den es sich hier handelt und wie er in der Kaiserchronik sicht-
bar vorliegt. —
Es hat gewiß etwas durchaus Natürliches, daß die Kaiser-
chronik, die über die römischen Kaiser von Julius Cäsar an bis
2. Das Loblied auf den heiligen Anno.
(1183.)
überblickt man das s. g. Annolied in Bezug auf seine eigent-
liche Absicht, ein Loblied auf den von ihm Gefeierten zu sein, ge-
genüber den ungebürlichen Abschweifungen desselben z. B. über
Urbegründung der Städte von Ninive an, um auf Köln
am Bheine zu kommen, Abschweifungen, welche fast die Hälfte
des ganzen Gedichtes einnehmen (426 gegen 450 Reimzeilen!); ent-
kleiden wir einmal hienach dasselbe sowohl von denjenigen Ab-
schnitten, welche vielleicht einer älteren wibel alter e angehörten
(im Allgemeinen Z. 19 — 56 von der Schöpfung, Z. 117 — 174 von
Ninive und Babylon) als auch von denen, welche der niuwen 6
(oder der Kaiserreihe von Julius Cäsar an) heimfallen und hievon
der Kaiserchronik gemein sind, nämlich Z. 175 — 260 (Daniels
Traum), Z. 261—468 (Rom’s Erbauung, Cäsar und des-
sen Kämpfe mit den Deutschen), Z. 474 — 492 (.Augustus,
Agrippa und Köln’s Erbauung), endlich Z. 499—516 (Er-
bauung der rheinischen Städte durch Cäsar: Mainz, Metz;
auch Trier usw.); so bildet sich nach ihrer Ausscheidung vor un-
sern Augen ein ganz ebenmäßiger Verlauf und der sonst nicht un-
dichterische Zusammensetzer des Liedes, der vielleicht jene alles
Maß überschreitenden Einschiebungen gar nicht verschuldete, kommt
wieder zu Ehren. Man lese nur in solchem Sinne einmal Z. 1 —
18. (57 — 70.) 71 — 116. 578 — 876. und das Gedicht erhält na-
türliche Abrundung, gesunden Kern, raschen Fortschritt und einen
vergeistigten Eingang (Z. 1 — 18. 75), einen vergeistigten Schluß
(Z. 851 — 876).
Wie sich’s aber auch um die ursprüngliche Gestalt des Ge-
dichtes verhalte, selbst die breite Umbrämung seines stark versteck-
ten Grundgewebes zugegeben, so wird nähere Vergleichung wenig-
stens die Entnehmung oder Entleihung der fraglichen Abschnitte so
wie die Zerstörung ihres natürlichen Zusammenhanges in oder aus
einem Werke unwiderleglich beweisen, in welchem (sei es nun unsre
Kaiserchronik oder das wackernagelische ältere Weltbuch) ein sol-
cher richtiger Zusammenhang und Fortschritt der Theile stattfand,
um den es sich hier handelt und wie er in der Kaiserchronik sicht-
bar vorliegt. —
Es hat gewiß etwas durchaus Natürliches, daß die Kaiser-
chronik, die über die römischen Kaiser von Julius Cäsar an bis