34 l. Vie Erbschaft der Antike und die Laukunst der Karolinger
Materie erleichtert hat. Darin, dies nachzuempfinden, beruht heute
der Genuß beim Betrachten des Kunstwerkes und dann wohl auch bei
der Lektüre über Dinge, die man geschaut hat.
Oie literarischen chuellen sind ausreichend, uni uns eine Vorstellung
von der Grundstimmung zu verschaffen, die die antiken Christen, die
Erbauer der konstantinischen Basilika, beseelt hat. Sie standen der Re-
ligion anders gegenüber wie wir Modernen, anders auch wie das
spätere Mittelalter. Sie war der Angelpunkt, um den sich das Leben
drehte. In jenen wüsten Zeiten der Zerstörung der alten Kultur durch
eine Menschheit, die sich die Phantasie nur mit den abschreckendsten
Zügen wilden Barbarentums auszumalen vermochte, in jenen Zeiten,
wo man noch an jeden auffallenden Moment die Hoffnung auf das
Wiedererscheinen des Erlösers anknüpfte, mutz die Seelen der Gläu-
bigen eine heiße, ganz persönliche Sehnsucht nach jener Stätte erfüllt
haben, wo Frieden, Vergebung der Schuld und Hoffnung auf die Zu-
kunft geboten wurde, nach dem Altar. Ls ist sehr schwer, sich heute
eine zureichende Vorstellung zu verschaffen*) von der Rolle, die dieser
einfache Tisch oder Sarkophag mit dem Kreuz darauf im Seelenleben
des alten Christen gespielt hat. Er trug dies Bild als Ziel der Sehn-
sucht in seinem Herzen. Der Altar gewann einen mystischen Zauber,
wenn er durch die Teppiche, hinter denen sich das Mgsterium vollzog,
verhüllt wurde, er war die Zufluchtsstätte des verfolgten in seiner
letzten Not?) Bewutzt oder unbewußt lag der Phantasie des schaffen-
den Architekten^), der geistlichen Beiräte und Auftraggeber der Wunsch
zugrunde, dieser Sehnsucht einen sinnfälligen Ausdruck zu geben,
diesen Altar, an dem das innere Auge hing, durch die architektonische
Gruppierung des Raumes hervorzuheben, als man die kleinen Ver-
hältnisse des Privathauses verließ und zu großen Freibauten schritt.
Alle anderen Stimmungen werden von dieser einen Absicht erdrückt.
Und sie ist vollkommen erreicht. Man kann das heute am besten in
t) vgl. die Ausdrücke der Kirchenväter über die seckes (den Sitz) von
Leib und Blut des Herrn: Grigines (contra Lelsum VII117), Ambrosius,
Lactantius, cke vero cultu, Gptatus von Mileve V11, Eusebius u. a.
2) Einen solchen Fall aus später Zeit, wo der verfolgte sich unter den
Altartisch flüchtet und die heiligen Säulen umklammert, berichtet uns Gre-
gor von Tours, bist. Brancor. X 15.
3) Mir kennen mit Sicherheit keinen einzigen Namen. Doch dürfte kein
Zweifel sein, daß es in antiker Zeit noch technisch ausgebildete Architekten
waren, die den Bau aufführten.
Materie erleichtert hat. Darin, dies nachzuempfinden, beruht heute
der Genuß beim Betrachten des Kunstwerkes und dann wohl auch bei
der Lektüre über Dinge, die man geschaut hat.
Oie literarischen chuellen sind ausreichend, uni uns eine Vorstellung
von der Grundstimmung zu verschaffen, die die antiken Christen, die
Erbauer der konstantinischen Basilika, beseelt hat. Sie standen der Re-
ligion anders gegenüber wie wir Modernen, anders auch wie das
spätere Mittelalter. Sie war der Angelpunkt, um den sich das Leben
drehte. In jenen wüsten Zeiten der Zerstörung der alten Kultur durch
eine Menschheit, die sich die Phantasie nur mit den abschreckendsten
Zügen wilden Barbarentums auszumalen vermochte, in jenen Zeiten,
wo man noch an jeden auffallenden Moment die Hoffnung auf das
Wiedererscheinen des Erlösers anknüpfte, mutz die Seelen der Gläu-
bigen eine heiße, ganz persönliche Sehnsucht nach jener Stätte erfüllt
haben, wo Frieden, Vergebung der Schuld und Hoffnung auf die Zu-
kunft geboten wurde, nach dem Altar. Ls ist sehr schwer, sich heute
eine zureichende Vorstellung zu verschaffen*) von der Rolle, die dieser
einfache Tisch oder Sarkophag mit dem Kreuz darauf im Seelenleben
des alten Christen gespielt hat. Er trug dies Bild als Ziel der Sehn-
sucht in seinem Herzen. Der Altar gewann einen mystischen Zauber,
wenn er durch die Teppiche, hinter denen sich das Mgsterium vollzog,
verhüllt wurde, er war die Zufluchtsstätte des verfolgten in seiner
letzten Not?) Bewutzt oder unbewußt lag der Phantasie des schaffen-
den Architekten^), der geistlichen Beiräte und Auftraggeber der Wunsch
zugrunde, dieser Sehnsucht einen sinnfälligen Ausdruck zu geben,
diesen Altar, an dem das innere Auge hing, durch die architektonische
Gruppierung des Raumes hervorzuheben, als man die kleinen Ver-
hältnisse des Privathauses verließ und zu großen Freibauten schritt.
Alle anderen Stimmungen werden von dieser einen Absicht erdrückt.
Und sie ist vollkommen erreicht. Man kann das heute am besten in
t) vgl. die Ausdrücke der Kirchenväter über die seckes (den Sitz) von
Leib und Blut des Herrn: Grigines (contra Lelsum VII117), Ambrosius,
Lactantius, cke vero cultu, Gptatus von Mileve V11, Eusebius u. a.
2) Einen solchen Fall aus später Zeit, wo der verfolgte sich unter den
Altartisch flüchtet und die heiligen Säulen umklammert, berichtet uns Gre-
gor von Tours, bist. Brancor. X 15.
3) Mir kennen mit Sicherheit keinen einzigen Namen. Doch dürfte kein
Zweifel sein, daß es in antiker Zeit noch technisch ausgebildete Architekten
waren, die den Bau aufführten.