42 I. Oie Erbschaft der Antike und die Baukunst der Karolinger
tralbauten, wenn auch freilich die ersteren weit mehr der Zerstörung
durch Brand usw. ausgesetzt waren und daher sehr spärlich aus uns
gekommen sind.
An diesen Basilikalbauten vollzieht sich nun im wesentlichen das Neue,
und damit wenden wir uns der oben erwähnten zweiten Strömung zu.
Wie wir in der Luchillustration jener Tage neben der in den zahl-
reichen Hofschreibschulen vorherrschenden Anknüpfung an die antike
Überlieferung eine neue, offenbar aus dem germanischen Volkstum
entsprießende Richtung erkennen, die sich uns im Utrechter Psalter
und in den Erzeugnissen der Schreibschulen von Fulda und St. Gallen
offenbart^), so beobachten wir auch in dieser nicht unmittelbar vom
Hofe beeinflußten Baukunst Spuren eines neuen, von dem antik-
christlichen abweichenden Raumempfindens.
Ven Anstoß zu diesen Neuerungen boteit natürlich nicht ästheti-
sche Erwägungen, sondern tatsächliche Bedürfnisse. Nach solchen muß
man überhaupt stets suchen, wenn man die Wandlungen der Baukunst
verstehen will.
Oie Geistlichkeit war so angewachsen, daß das Priesterhaus der
antik-christlichen Basilika auch mit seinen Vorschiebungen ins Lang-
haus (S. 28) nicht mehr ausreichte. Vas Kloster Fulda beherbergte
unter seinem zweiten Abte schon 400 Mönche, das Kloster Lentula
(St. Riquier in der Normandie) deren ZOO. Ähnlich wurde es auch in
den kathedralkircheu, nachdem Bischof Lhrodegang von Metz (742 bis
766) die Geistlichen der Bischofsstadt zum Zusammenleben im Münster
genötigt hatte, was vorbildlich wirkte. — Gleichzeitig begann dieser
wachsende Klerus sich seiner Bedeutung als Kulturträger in der Ger-
manenwelt bewußt zu werden und sich aristokratisch auch im Kirchen-
gebäude von der Laienwelt abzusondern, und der Kultus war seit
den antik-christlichen Tagen schon erheblich umständlicher geworden.
Diese Bedürfnisse führen nun zu einer Erweiterung der Ostpartie-),
1) Man sieht da nicht nur eine ursprünglichere, naivere Auffassung, son-
dern auch eine andere, leichtere Technik (Federzeichnung mit Zarblavierung),
während in den Hofschreibschulen schwere Deckfarben und reichliche Ver-
wendung von Gold üblich waren.
2) während die ersten Basiliken Roms, wie die Privathäuser, nach allen
Richtungen der Windrose orientiert sind, sind die mittelalterlichen Lauten
fast ausnahmslos so gerichtet, daß der Eingang im Westen, die Apsis im
Osten liegt. Oer erste Bau Roms, der so orientiert ist, ist 8t. Paolo tuori
le mura.
tralbauten, wenn auch freilich die ersteren weit mehr der Zerstörung
durch Brand usw. ausgesetzt waren und daher sehr spärlich aus uns
gekommen sind.
An diesen Basilikalbauten vollzieht sich nun im wesentlichen das Neue,
und damit wenden wir uns der oben erwähnten zweiten Strömung zu.
Wie wir in der Luchillustration jener Tage neben der in den zahl-
reichen Hofschreibschulen vorherrschenden Anknüpfung an die antike
Überlieferung eine neue, offenbar aus dem germanischen Volkstum
entsprießende Richtung erkennen, die sich uns im Utrechter Psalter
und in den Erzeugnissen der Schreibschulen von Fulda und St. Gallen
offenbart^), so beobachten wir auch in dieser nicht unmittelbar vom
Hofe beeinflußten Baukunst Spuren eines neuen, von dem antik-
christlichen abweichenden Raumempfindens.
Ven Anstoß zu diesen Neuerungen boteit natürlich nicht ästheti-
sche Erwägungen, sondern tatsächliche Bedürfnisse. Nach solchen muß
man überhaupt stets suchen, wenn man die Wandlungen der Baukunst
verstehen will.
Oie Geistlichkeit war so angewachsen, daß das Priesterhaus der
antik-christlichen Basilika auch mit seinen Vorschiebungen ins Lang-
haus (S. 28) nicht mehr ausreichte. Vas Kloster Fulda beherbergte
unter seinem zweiten Abte schon 400 Mönche, das Kloster Lentula
(St. Riquier in der Normandie) deren ZOO. Ähnlich wurde es auch in
den kathedralkircheu, nachdem Bischof Lhrodegang von Metz (742 bis
766) die Geistlichen der Bischofsstadt zum Zusammenleben im Münster
genötigt hatte, was vorbildlich wirkte. — Gleichzeitig begann dieser
wachsende Klerus sich seiner Bedeutung als Kulturträger in der Ger-
manenwelt bewußt zu werden und sich aristokratisch auch im Kirchen-
gebäude von der Laienwelt abzusondern, und der Kultus war seit
den antik-christlichen Tagen schon erheblich umständlicher geworden.
Diese Bedürfnisse führen nun zu einer Erweiterung der Ostpartie-),
1) Man sieht da nicht nur eine ursprünglichere, naivere Auffassung, son-
dern auch eine andere, leichtere Technik (Federzeichnung mit Zarblavierung),
während in den Hofschreibschulen schwere Deckfarben und reichliche Ver-
wendung von Gold üblich waren.
2) während die ersten Basiliken Roms, wie die Privathäuser, nach allen
Richtungen der Windrose orientiert sind, sind die mittelalterlichen Lauten
fast ausnahmslos so gerichtet, daß der Eingang im Westen, die Apsis im
Osten liegt. Oer erste Bau Roms, der so orientiert ist, ist 8t. Paolo tuori
le mura.