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Matthaei, Adelbert
Deutsche Baukunst im Mittelalter (1): Von den Anfängen bis zum Ausgang der romanischen Baukunst — Leipzig, Berlin: Verlag von B.G. Teubner, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.62986#0082
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II. Oer romanische Stil

werden. Die fertigen Teile wurden mit Brettern verschalt und benutzt.
Man begann in der Regel mit dem für den Rultus notwendigsten
Teile, dem Altarhause, und schritt von da aus nach Westen fort. Die
Bewilligung von Ablässen, die wir in den Urkunden finden, sind meist
ein sicheres Zeichen dafür, daß man eine unterbrochene Bautätigkeit
wieder aufnahm.
Der künstlerische wert.
versuchen wir es nun, nachdem wir das Spstem des romanischen
Stils kennen gelernt haben, uns zu vergegenwärtigen, welchen Ein-
druck ein solcher Rirchenbau hervorgerufen hat, und worin sein Runst-
wert lag. War es schon bei der altchristlichen Basilika schwer, sich den
ursprünglichen Eindruck anschaulich zu machen, so ist das bei den
romanischen Bauten heute noch weit mehr erschwert. Denn wir wüß-
ten kein einziges Bauwerk in Deutschland, das uns diesen Eindruck un-
verkümmert rviedergäbe. Nicht bloß, daß wir uns keine Rirche so öde,
so schmuck- und farblos vorstellen dürfen, wie sie sich heute zu aller-
meist darstellen, vor allen Dingen ist die Lichtwirkung eine gänzlich
andere gewesen, heute sind die Fenster meist mit weißem, klaren
Glase ausgefüllt, die em kaltes Licht einlassen, oder die Fenster sind
vergrößert,- besonders häufig findet man in die Lhorpartie große Licht-
öffnungen eingesetzt, welche die ursprünglich gewollte Lichtwirkung,
wie sie gleichsam aus der RonstruRion folgte, völlig aufheben. Ehe-
mals waren die Fenster durchgängig klein und von oft 2 m starkem
Mauerwerk umschlossen. Ausgefüllt waren sie durch an sich trübes,
unrein schillerndes, zumeist aber künstlich gefärbtes Glas, das in einer
breiten, lichtraubenden Bleifassung saß. Wir haben uns vorzustellen,
daß die gottesdienstlichen Handlungen nicht ohne reichliche Zuhilfe-
nahme von Nerzen- und Lampenlicht abgehalten werden konnten?)
Der Eindruck mag etwa dem ähnlich gewesen sein, den wir heute be-
kommen, wenn wir die frühgotische Notre-Vamekirche in Paris be-
treten, wo auch in der Regel Licht brennen muß. heute sind die goti-
schen Rirchen meist dunkler als die romanischen. Ehemals war das
umgekehrt. In Deutschland kommt vielleicht St. Marien im Rapitol
1) Oehio und v. Bezold a. a. G. 5. 218 führen aus diese Lichtbenutzung
namentlich in den winterlichen Frühgottesdiensten die auffallende Erschei-
nung zurück, daß bei uns viel mehr Rirchenbrände überliefert werden als
in Italien, und daß diese zahlreichen Brände so oft auf die Festtage fallen.
 
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