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May, Franz Anton
Sendschreiben an die, auf der hohen Schule zu Heidelberg studierende Jugend: bei Gelegenheit der Aufnahme in die Zahl der akademischen Bürger — Mannheim: [Verlag nicht ermittelbar], 1798 [VD18 10627340]

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https://doi.org/10.11588/diglit.48451#0013
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Sturm wilder Leidenschaften, um im männlichen Al-
ter reife Früchte erlernter Wissenschaften für das Va-
terland zu bringen. Er arbeitet unter Tags unermü-
det , um Nachts schlafen zu können; und schläft Nachts,
um Kräfte zum folgenden Tagwerke zu sammeln. Er
leget das zum studiren nöthige Geld als ein Kapital
an, aus dessen Einkünften er mit der Zeit sich das reine
Seelenvergnügen zu machen hoffet, Vergelter der väter-
lichen Wohlthaten, Stühe seiner Familie zu werden.
Einem so gut, so edel gesinnten -Akademiker ist es
keine Bürde, den Gesehen der hohen Schule zu ge-
horsamen. Er sicht dieselben als väterliche Warnun-
gen, nicht als despotischen Druck, als heilsame Arz-
neien , nicht als Verwundungen der gekränkten Eigen-
liebe an. Er gehorchet als Bürger, und regieret als
Selbstbeherrscher seiner bösen Neigungen; er entziehet
sich den Strafgesetzen nicht durch List, sondern durch
Ausübung menschenwürdiger Tugenden und Handlun-
gen ; er unterjochet de» mächtigen Reiz des Ungehor-
sams , das unedle Vergnügen dem Gesetz zu widerstre-
ben , weil er die wahre Freiheit des Menschen in der
Selbstbeherrschung suchet, und findet. Es ist leicht zu
gehorchen, wenn mau kein Sklav niederer Begierde»
und Leidenschaften ist. Was ist wohl eines akademi-
schen Bürgers würdiger, als zu seinem eigenen Besten,
vernünftigen Gesehen in der Jugend gehorchen, damit
er im männlichen Alter mir Vernunft befehlen lerne?
Nur der ist wahrhaft ein freier Mann, der seinen Wil-
len zum allgemeinen Besten demGesehe ohne Zwang zu
unterwerfen bereit ist. Auf diese Art erfüllet der Aka-
demiker seine Bürgerpflicht, wenn er seinen Mitbür-
gern ein glänzendes Beispiel der Religion, der Sitt-
lichkeit, des Fleises und des Gehorsams giebt.
 
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