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Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten: Periodica — 1953

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Dezember 1953
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Asche, Sigfried: Zur baulichen Erhaltung von Burgen und Schlössern
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https://doi.org/10.11588/diglit.35482#0035
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Zur baulichen Erhaltung von Burgen und Schlössern.
Wiederherstellungsarbeiten auf der Wartburg.
Seit 30 Jahren plant man, den etwa 90 cm breiten über eine Wendeltreppe führenden Zugang zum Palas
durch ein baupolizeilich genügendes Treppenhaus zu ersetzen und zusätzlich eine Entlastungstreppe am entge-
gengesetzten Ende des Palas zu schaffen. Ebenso alt sind die Gedanken, ob die Decke über Landgrafenzimmer-
Sängersaal-Kapelle, die zugleich der Fußboden des Festsaales ist, ausreiche, oder ob die Sicherheit der Be-
sucher des Festsaales gefährdet sei. Bereits der damalige Oberburghauptmann von Cranach warnte sehr vor
einer Uberbeanspruchung des Festsaales. Die damaligen Pläne, bei denen auch ein großes Projekt Bodo Ebhardts
war, blieben stecken. Erst 1952, als weitere Untersuchungen ergaben, daß die auf den Säulen des Sängersaales
lastenden verschalten Balken über den Kapitellen außermittig zusammenstießen, daß die Verankerung der
Ost- und Westfront in dieser Decke gar nicht vorhanden war und daß in den vorhandenen Balken große Ge-
fahren durch Wurmfraß lauerten, wurde schnell gehandelt. Die Fresken Schwinds wurden eingeschalt, die
Decke herausgenommen, Ost- und Westfront mit 7.30 mm Ankern zusammengebunden und die Eisenbeton-
decke eingefügt. Daraufhin wurde die alte Verschalung wieder angebracht und gesäubert. Die Schwindfresken
wurden nach gründlicher Überprüfung sorgsam gereinigt, ohne allerdings die bisherige Methode der Über-
malung alter Fehlstellen fortzusetzen. Uber dem Kapellengewölbe konnte die Betondecke nicht mehr, wie seit
1850, durchgezogen werden, sie wurde dort um 40 ein gehoben, sodaß das Kapellengewölbe darunter ohne
jegliche Belastung freigelegt wurde. Das Podium des Festsaales ist also nunmehr wie vor 1850 auf der Südseite,
nicht mehr im Norden.
Das Gewölbe der Kapelle war von der Last der Decke zerdrückt worden: an der Ost- und Westseite Wal-
es je 20 cm von der Mauer entfernt, schwebte also dort frei. So ergab sich die Notwendigkeit, die Kapelle zu
restaurieren. Unter zahlreichen Schichten kamen Reste des ursprünglichen Putzes zutage. Die originalen Qua-
dern um die Fenster zeigten große Spuren der originalen, derben, lehmgoldenen Farbe mit schwarzen Fugen.
Mit Hilfe alter Zeichnungen wurde auch anstelle der zu Vierfünftel neuen Buchtverglasung die alte Butzen-
verglasung in der Form wiederhergestellt, daß die volle Mauerstärke innen ebenso sichtbar bleibt wie die
Säulenpaare, die bisher von den Fenstern des 19. Jahrh. halbiert waren. Im Ostfenster konnten anstelle zweier
moderner Kapitelle zwei alte aus dem Depot eingefügt werden. Die Wandfarbe wurde aufgrund alter Farbreste
aufgebracht. Eine neue Orgel (in Positivform) und ein Lectorium ergänzen die Einrichtung. Am Fresko wurden
alle Übermalungen entfernt, das Fragment wirkt nun — ohne jede ergänzende Zutat — ungewöhnlich stark.
Sängersaal und Landgrafenzimmer brauchten nur einer gründlichen Reinigung unterzogen zu werden. Farb-
schichten mit aufgemalter Maserung wurden von den Holzdecken entfernt. Die Schwind'schen Malereien sind
wesentlich frischer geworden, von jeglicher Übermalung der Fehlstellen wurde abgesehen. Leider haben die
allzureichlichen „Ergänzungen", die seit 80 Jahren üblich waren, einigen Bildern doch sehr geschadet, immer-
hin sind zwei der Landgrafenbilder vollkommen original auf uns gekommen.
Das neue Treppenhaus liegt westlich zwischen Palas und Turm, östlich zwischen Palas und neuer Kemenate.
Das alte Zwischenstück wurde im Osten erhöht und mit einem Fittichziegeldach versehen. Die Firstlinie bleibt
unter der von Palas und Neuer Kemenate. Der jetzige Zustand nähert sich dem von 1800 so, daß ein Kompromiß
zwischen dem alten, geschlossenen Baubild und dem völlig unnatürlich zerrissenen von Ritgen, erreicht wurde.
Da der Palas im Westen ursprünglich keinen Eingang hatte, wurde nunmehr der alte Rhythmus wiederher-
gestellt, indem die Freitreppe des vorigen Jahrhunderts verschwand. Damit ist den Forschungen von Swoboda,
Piper, Voß, v. d. Gabelentz nur Genüge getan. Die Palasfront mit ihren seitlich geschlossenen Blöcken und den
inmitten offenen Galerien hat auch ihre ursprüngliche, ungewöhnlich monumentale, strenge, majestätische
Größe wiedergewonnen. Das wird besonders auch noch dadurch erreicht, daß alle Aufschüttungen vorm Palas
verschwunden sind und jetzt das gewachsene Gestein der Natur mit dem von Menschenhand aufgetürmten Mau-
erwerk in echter Spannung stehen.
Die Wehrgänge, der Raum vorm Lutherzimmer und vor den Reformationszimmern, trugen bisher teils mit
Leim-, teils mit Ölfarbe bemaltes Fachwerk und Sprüche in den Feldern. Beides mußte der originalen, sehr
herben, aber doch edlen Originalansicht weichen. Balken und Füllungen waren im großen Ganzen hervorragend
gut erhalten und haben nun das Aussehen der Lutherzeit.
Die Räume der Neuen Kemenate, der Dirnitzlaube und der Dirnitz werden hergerichtet, um die alten wert-
vollen Sammlungen aufzunehmen, auch die Lutherbibliothek wird hier aufgestellt werden. Es ist wahrscheinlich,
daß all die vielfältigen Arbeiten im Frühjahr 1954 beendet sein werden.

Dr. Sigfried Asche
Direktor der Wartburg, Eisenach

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