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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 11.1968

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Nr. 2
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Guthardt, Alois: Möglichkeiten und Grenzen des 5-jährigen Lateinunterrichts
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https://doi.org/10.11588/diglit.33078#0026

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A. Guthardt

Möglichkeiten und Grenzen des 5-jährigen Lateinunterrichts

Die Entwicklung des höheren Schulwesens im Lande Nordrhein-Westfalen
findet ihren Niederschlag in dem sich wandelnden Verhältnis der Gymnasien
mit grundständigem Latein zu den übrigen Typen und ebenso in den Schüler-
und Abiturientenzahlen der verschiedenen Schultypen. Danach verschlechterte
sich - unter den gymnasialen Neugriindungen der Jahre 1960-1966 in NRW -
das Verhältnis der Gymnasien mit grundständigem Latein zu denen mit Eng-
lischanfang von 1 : 4 auf 1:10. Auf je einen Lateinanfänger kommen heute
9—10 Englischanfänger. Im gleichen Zeitraum geht der Anteil der rein alt-
sprachl. Gymnasien von 8,1% auf 5,9% und der Anteil der mit einem nichtalt-
sprachl. Zweig verbundenen altsprachl. Gymnasien von 18,7% auf 16,6% zurück.

Die zunehmende Verdrängung des Lateinunterrichts aus der Eingangsklasse
macht aus den Kurzformen schließlich Normalformen, und es ist nicht auszu-
schließen, daß der 5jährige Lateinunterricht die Normalform überhaupt wird.
Hier, und nicht am altsprachlichen Gymnasium, entscheidet sich die Zukunfh des
altsprachlichen Unterrichts. Die Abnahme der Bereitschafh, heute noch Latein zu
lernen, ist nicht zuletzt durch die mangelnde Ausstrahlungskrafh des altsprach-
lichen Unterrichts mit-verursacht worden. Auf diese Ausstrahlungskrafh und
Werbewirkung ist er aber heute mehr denn je angewiesen, seit die Rückendeckung
durch die Institution fehlt. Wie bei jeder Wer'bung muß auch hier der ,Kunde
König sein c, d. h. der Unterricht muß eine den Schüler ansprechende Lorm und
einen auch ihm relevanten Inhalt haben.

Daraus ergeben sich folgende Lorderungen u. a.:

Berücksichtigung der einschneidenden Wirkung einer Verringerung der Stun-
denzahl und Angemessenheit der Zielforderungen dieses Unterrichts; Vorurteils-
freie Prüfung und versuchsweise Übernahme methodischer Verbesserungen aus
anderen Unterrichtsfächern im Interesse eines größeren Eifekts auch des alt-
sprachlichen Unterrichts; Ablehnung eines Lateinunterrichts als Sprachunterricht,
der, wie die Richtlinien fordern, seinen „Wert weitgehend in sich selbst trägt“,
vielmehr Beibehaltung der Lektüre als Ziele gerade dieses Unterrichts; ökono-
mische Arbeitsweise im engsten Sinne des Wortes als ultima ratio dieser Unter-
richtsform.

Eine ökonomische Arbeitsweise im engsten Sinne des Wortes berücksichtigt
sieben Grundrechte des Scbülers, und zwar: 1. das Recht darauf, daß ihm der
Wortschatz vermittelt wird, der für die in Aussicht genommenen Autoren
charakteristisch ist. 2. das Recht darauf, daß dieser Wortschatz unter ökonomi-
schen Gesichtspunkten ausgewählt wird. 3. das Recht darauf, daß die Vokabel-
frequenzen ihren Niederschlag finden bereits im zahlenmäßigen Vorkommen
während des vorbereitenden Unterrichts. 4. das Recht darauf, daß ihm Voll-
ständigkeit in der Aneignung der Syntax da erspart bleibt, wo ,Unvollständig-
keit c zur Lektüre eines ,vollständigen c Werkes ausreicht. 5. das Recht darauf,
daß auf Hinübersetzungen ohne Wenn und Aber verzichtet wird und daß davon
auf keiner Stufe Ausnahmen gemacht werden. 6. das Recht darauf, daß auch in

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