2. Wir hörten nichts iiber die Bedingungen und Grenzen der philologischen
Methode. Methode wurde praktiziert, nicht reflektiert. Daß es eine hermeneuti-
sche Fragestellung gibt, erfuhr ich erst nach meinem Studium (freilich auch nicht
im Studienseminar).
3. Wir interpretierten die Texte sprachlich, historisch und motivgeschichtlich;
soziologische Einordnung, Fragen nach der Gegenwartsrelevanz und ästhetische
Interpretation entfielen weitgehend. Daß die Texte wertvoll und schön seien,
war als subjektive Empfindung unausgesprochene Voraussetzung unserer Be-
schäftigung mit ihnen; warum sie wertvoll und schön seien (oder nicht), wurde
selten gefragt, nie objektiv zu klären versucht.
4. Probleme der antiken Philosophie, Flistoriographie und Politik wurden fast
ausschließlich im Fdorizont der Antike gesehen und behandelt. Zu einer Kon-
frontation der antiken Sicht der Probleme mit der Sicht der modernen Philo-
sophie, Geschichtsschreibung und Kunsttheorie kam es kaum.
5. Die Probleme, denen wir beim Studium der Texte nachgingen, sollten aus
der Antike selbst erwachsen. Moderne Fragestellungen, also Fragen, die unsere
Zeit an die antiken Autoren stellen könnte, galten als zweitrangig.
In summa: Es fehlte dem Studium der klassischen Philologie, so wie ich es
erlebte, an kritischer Distanz zur Antike, an Gegenwartsbezug und an philo-
sophischer Durchdringung. Daß der - erwartete - Besuch außerfachlicher Vor-
lesungen in dieser Hinsicht ergänzend, fördernd und klärend wirkte, soll nicht
geleugnet werden; aber diese Klärung kam dann eben nicht von den Leuten, mit
denen wir in erster Linie zu tun hatten: unseren philologischen Lehrern.
Dr. Jiirgen Kabiersch, 56 Wuppertal-Barmen, Gronaustr. 52
Entnommen: Die Höhere Schule (Zeitschrift des Deutschen Philologenverbandes,
Hefl 7/1969, Seite 23/24 in der Beilage „Problematik und Diskussion“ III/69.
Buchbesprechungen
Die Welt der Griechen und der Römer. Unter Mitarbeit von H. Hartweg, Dr. H. Höhl,
Dr. A. Klinz, Dr. F. Leonard f, Dr. G. Philipp, Prof. Dr. M. Wegner, J. R. Zinken
herausgegeben von O. Leggewie. 13.Auflage von Henses Griechisch-Römischer Alter-
tumskunde Aschendorff, Münster, 1968. 356 Seiten; DM 15,80.
Das Werk fiihrt den Untertitel „Ein Begleitbuch für den altsprachlichen Unterricht
und fiir das Studium der alten Sprachen“; es ist die 13. Auflage der Griechisch-Römischen
Altertumskunde von Hense und weist gegeniiber der vorhergehenden Auflage neue Kapi-
tel auf iiber die Themen Medizin, Erziehung und Bildung, Mathematik, Naturwissen-
schaften, Kunstgeschichte und Privates Leben. Das Hauptprinzip fiir die Einteilung des
Werkes ist nicht mehr die Unterscheidung zwischen Griechischem und Römischem, sondern
der Stoff ist zunächst nach Sachgebieten geordnet und innerhalb dieser in Griechisches und
Römisches gegliedert, soweit dies noch erforderlich ist.
Eines der Hauptprobleme, das sich bei der Lektüre des Werkes ergibt und mit dem
sich wohl auch Verfasser und Herausgeber konfrontiert gesehen haben, ist der Umstand,
daß Schiiler von Gymnasien und Studierende der alten Sprachen angesprochen werden
sollen, ein Personenkreis, bei dem Vorbildung und Interesse an den alten Sprachen doch
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Methode. Methode wurde praktiziert, nicht reflektiert. Daß es eine hermeneuti-
sche Fragestellung gibt, erfuhr ich erst nach meinem Studium (freilich auch nicht
im Studienseminar).
3. Wir interpretierten die Texte sprachlich, historisch und motivgeschichtlich;
soziologische Einordnung, Fragen nach der Gegenwartsrelevanz und ästhetische
Interpretation entfielen weitgehend. Daß die Texte wertvoll und schön seien,
war als subjektive Empfindung unausgesprochene Voraussetzung unserer Be-
schäftigung mit ihnen; warum sie wertvoll und schön seien (oder nicht), wurde
selten gefragt, nie objektiv zu klären versucht.
4. Probleme der antiken Philosophie, Flistoriographie und Politik wurden fast
ausschließlich im Fdorizont der Antike gesehen und behandelt. Zu einer Kon-
frontation der antiken Sicht der Probleme mit der Sicht der modernen Philo-
sophie, Geschichtsschreibung und Kunsttheorie kam es kaum.
5. Die Probleme, denen wir beim Studium der Texte nachgingen, sollten aus
der Antike selbst erwachsen. Moderne Fragestellungen, also Fragen, die unsere
Zeit an die antiken Autoren stellen könnte, galten als zweitrangig.
In summa: Es fehlte dem Studium der klassischen Philologie, so wie ich es
erlebte, an kritischer Distanz zur Antike, an Gegenwartsbezug und an philo-
sophischer Durchdringung. Daß der - erwartete - Besuch außerfachlicher Vor-
lesungen in dieser Hinsicht ergänzend, fördernd und klärend wirkte, soll nicht
geleugnet werden; aber diese Klärung kam dann eben nicht von den Leuten, mit
denen wir in erster Linie zu tun hatten: unseren philologischen Lehrern.
Dr. Jiirgen Kabiersch, 56 Wuppertal-Barmen, Gronaustr. 52
Entnommen: Die Höhere Schule (Zeitschrift des Deutschen Philologenverbandes,
Hefl 7/1969, Seite 23/24 in der Beilage „Problematik und Diskussion“ III/69.
Buchbesprechungen
Die Welt der Griechen und der Römer. Unter Mitarbeit von H. Hartweg, Dr. H. Höhl,
Dr. A. Klinz, Dr. F. Leonard f, Dr. G. Philipp, Prof. Dr. M. Wegner, J. R. Zinken
herausgegeben von O. Leggewie. 13.Auflage von Henses Griechisch-Römischer Alter-
tumskunde Aschendorff, Münster, 1968. 356 Seiten; DM 15,80.
Das Werk fiihrt den Untertitel „Ein Begleitbuch für den altsprachlichen Unterricht
und fiir das Studium der alten Sprachen“; es ist die 13. Auflage der Griechisch-Römischen
Altertumskunde von Hense und weist gegeniiber der vorhergehenden Auflage neue Kapi-
tel auf iiber die Themen Medizin, Erziehung und Bildung, Mathematik, Naturwissen-
schaften, Kunstgeschichte und Privates Leben. Das Hauptprinzip fiir die Einteilung des
Werkes ist nicht mehr die Unterscheidung zwischen Griechischem und Römischem, sondern
der Stoff ist zunächst nach Sachgebieten geordnet und innerhalb dieser in Griechisches und
Römisches gegliedert, soweit dies noch erforderlich ist.
Eines der Hauptprobleme, das sich bei der Lektüre des Werkes ergibt und mit dem
sich wohl auch Verfasser und Herausgeber konfrontiert gesehen haben, ist der Umstand,
daß Schiiler von Gymnasien und Studierende der alten Sprachen angesprochen werden
sollen, ein Personenkreis, bei dem Vorbildung und Interesse an den alten Sprachen doch
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