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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 16.1973

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Nr. 4
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Plenio, Wolfgang: Colloquium Didactisum Classicum Quintum: vom 3.-7. September 1973 in Gent/Belgien
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https://doi.org/10.11588/diglit.33067#0108

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Die Texterschließung vollzieht sich in zwei Phasen: 1. Erfassung von Teileinheiten,
ständig bezogen auf den Kontext (Zirkelverfahren). 2. Erprobung der eigenen Sprach-
kompetenz durch Satzprobe, Ergänzung bzw. Umformung verkürzter oder unbe-
stimmter Ausdrücke, Reduktion auf die Hauptaussage. - Kritische Anmerkung: Be-
griff und Methode der „Sprachreflexion“ blieben unklar, der ausgewählte Text ist
inhaltlich wenig ergiebig, die erläuterte Methode weder briefgemäß noch übertragbar.
Ein mögliches Modell für den Unterricht in römischer Kultur (civilisation latine)
anhand geeigneter Texte erläuterte Dr. Lagarrigue (Strasbourg) am Beispiel der La-
teinkurse am Institut de Latin de l’Universite de Strasbourg. Zu allen Kursformen
gehört das obligatorische Studium der Kultur und Literatur. Auch hier kommt der
thematischen Lektüre eine methodische Leitfunktion zu. Das Einführungsthema für
„Latin fort“ lautet z. B.: „Das politische System Roms“. Ein Abschnitt des Lehrgangs
(1. Studienjahr) sei besonders geeignet für die Anwendung auf der Kollegstufe der
Gymnasien: I. Die Anfänge Roms (Stellen aus Cic. rep. II und Liv. I) — II. Die Repu-
blik von den Anfängen bis zur Weltherrschaft (Liv.) - III. Das Ende der Republik und
der Prinzipat des Augustus (Liv./Cic./Sali./Ov./Plin.). - Es sei kritisch angemerkt,
daß die Stellenauswahl zu stark historisierenden Gesichtspunkten folgt; man vergißt
so wichtige Zeugnisse wie politische Oden des Horaz, Partien aus Vergil und Tac.
Ann. 1,1-15.
Einen nachdenklichen Überblick über die bescheidenen Möglichkeiten lateinischer
Lektüre in ]ugoslawien gab Prof. Gantar (Ljubljana). Von immerhin über 3000
Lateinschülern z. B. in Slowenien lernen 54% nur 2 Jahre Latein (2 Wochenstunden),
28% 4 Jahre (erreichen Caes. und Plm. sowie Hexameterlesen), und nur 5% treiben
am Ende eines 8jährigen Lehrgangs mit je 3 Wochenstunden wirkliche Lektüre. Der
offizielle Vorwurf intellektueller Differenzierung erschwert die Position des Latei-
nischen, trotzdem wird z. B. in Zagreb an 21 Schulen Latein gelehrt, an 2 Gymnasien
auch Griechisch. Die bescheidene Stundenzahl reicht jedoch kaum zu nennenswerter
Lektüre. Die einzige Chance des Lateinischen sieht G. in der - auch in Westeuropa
geforderten - interdisziplinären Verknüpfung, wobei freilich die Identität des La-
teinischen verlorenzugehen droht. Für die Interpretation der tief von römischer Tra-
dition und literar. Reminiszenzen durchwirkten slowenischen Literatur ist die Kennt-
nis des Lateinischen von fundamentaler Bedeutung. Der jugoslawische Philologe schloß
seine Ausführungen mit einem eindrucksvollen Bekenntnis zur humanitas Ciceroniana
(Pro Archia § 2).

Methodologie der thematischen Lektüre
Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen in
Universität und Schule war auch der Schluß, den Prof. Pinnoy (Belgien) aus einer
kritischen Analyse der bisherigen Lektürepraxis zog. Der „Lektüre nach übergeordne-
ten Themen“ (PONTES von J. Mayer) fehle die klare Terminologie und wissenschaft-
liche Begründung; die Zweitstellen seien mehr oder weniger willkürlich zusammen-
gestellt, literarische Werke dienten als bloßes Vehikel moderner Ideen, und es würden
Texte miteinander verglichen, die inkomparabel seien. Nur die interdisziplinäre Zu-
sammenarbeit könne aus dem entstandenen Dilemma herausführen.
Die Situation der Alten Sprachen im reformierten Sekundarunterricht (Referat von
Dr. de Raeve, Inspektor des belgischen Gymnasialwesens): Nach der Unterrichtsreform
in Belgien steht der altspr. Unterricht auch dort in einer ähnlichen Situation wie in
der BRD, bietet aber auch neue Kombinationsmöglichkeiten wie z. B. mit Natur-
wissenschaften. Wider Erwarten ist der Lateinunterricht in Belgien bisher nicht rück-
läufig, sondern eher erweitert worden. Die generelle Kürzung um ein Jahr verlangt

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